Essen. Der Essener Chemiekonzern Evonik treibt den Stellenabbau voran. Jetzt ist klar, welche Jahrgänge im Unternehmen angesprochen werden.

Der Essener Chemiekonzern Evonik treibt seine Pläne für den Abbau von 1500 Arbeitsplätzen in Deutschland voran. Das Effizienzprogramm „Evonik Tailor Made“ werde ab dem Jahresende erste Einsparergebnisse beitragen, teilte das Unternehmen in seiner Zwischenbilanz am 8. Mai mit. Die Verhandlungen über „Rahmenbedingungen zum sozialverträglichen Stellenabbau in Deutschland“ im Zuge des Programms seien bereits abgeschlossen.

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte Evonik, mit Blick auf den Stellenabbau stünden Beschäftigte, die im Jahr 1967 oder früher geboren worden seien, im Fokus. Mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dieser Altersgruppe sollen demnach Vereinbarungen zu einem vorgezogenen Übergang in den Ruhestand getroffen werden. Dabei gelte das Prinzip der „doppelten Freiwilligkeit“. Das bedeute: Sowohl das Management als auch die betroffenen Beschäftigten müssten einverstanden sein mit dem frühzeitigen Abschied aus dem Unternehmen.

In den kommenden Tagen sollen Führungskräfte von Evonik die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansprechen. Die Personalabteilung errechne individuelle Angebote für Beschäftigte, die ausscheiden sollen und wollen. Die Höhe der Ausgleichszahlung richte sich dabei maßgeblich nach dem jeweiligen Monatseinkommen und nach der Zeit, die zwischen dem vorzeitigen Ausscheiden und dem Erreichen des 63. Lebensjahres liege. Klar sei jetzt, dass Beschäftigte ab dem Jahrgang 1967 oder davor mit einer Ausgleichszahlung ausscheiden könnten, also 57 Jahre oder älter sein sollen.

Evonik will auch den „internen Arbeitsmarkt“ ankurbeln

Evonik wolle auch den internen Arbeitsmarkt ankurbeln, um verstärkt Jobwechsel innerhalb des Konzerns zu erreichen. Dabei sollen „Personal Placement Teams“ zum Einsatz kommen, die wie interne Job-Makler agieren. Der Hintergrund: Grundsätzlich sollen bei Evonik freiwerdende Stellen, die nicht entfallen können, „wenn irgend möglich“ intern nachbesetzt werden – und Mitarbeiter seien dabei „gehalten, auf einen zumutbaren Arbeitsplatz zu wechseln“, wie im Unternehmen betont wird. Wer den Arbeitsort wechsle und danach einen längeren Weg zum Job zurücklegen oder umziehen müsse, erhalte hierfür einen finanziellen Ausgleich.

Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann: „Was wir derzeit erleben, ist keine konjunkturelle Schwankung, sondern eine massive, konsequente Veränderung unseres wirtschaftlichen Umfelds.“
Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann: „Was wir derzeit erleben, ist keine konjunkturelle Schwankung, sondern eine massive, konsequente Veränderung unseres wirtschaftlichen Umfelds.“ © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Nach den Regelungen des nun beschlossenen Rahmensozialplans ist ein angebotener neuer Arbeitsplatz „zumutbar“, wenn er im Wesentlichen „der Qualifikation des Arbeitnehmers nach Ausbildung, bisheriger Tätigkeit und Erfahrung“ entspreche – oder wenn ein Arbeitnehmer das erforderliche Wissen und Können durch eine angebotene Qualifizierungsmaßnahme innerhalb von bis zu sechs Monaten erwerben könne. Ein niedrigeres Bruttoentgelt und höhere Fahrtkosten sollten vom Unternehmen ausgeglichen werden. Im Einzelfall seien auch soziale Härten aufgrund der familiären Situation oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, heißt es. Sollten Beschäftigte einem Wechsel auf einen „zumutbaren Arbeitsplatz“ nicht zustimmen, soll das Unternehmen einen Wechsel auch einseitig vornehmen können.

„Organisatorisch neu aufstellen“

Bis zum dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs solle ausgearbeitet sein, „wie genau Evonik organisatorisch neu aufgestellt“ werde, erklärte das Unternehmen in seiner Zwischenbilanz. Anschließend gehe es „unter Beachtung einschlägiger Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen an die Umsetzung“.

Anfang März hatte der jahrelang erfolgsverwöhnte Konzern Evonik mitgeteilt, insgesamt bis zu 2000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, davon rund 1500 Stellen auf dem Heimatmarkt Deutschland. „Wir dürfen uns auch bei leichten Erholungssignalen nichts vormachen“, sagte Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann in diesem Zusammenhang. „Was wir derzeit erleben, ist keine konjunkturelle Schwankung, sondern eine massive, konsequente Veränderung unseres wirtschaftlichen Umfelds.“ Von einem „Epochenwandel“ sprach Kullmann bei der Bilanzpressekonferenz im Frühjahr in der Essener Konzernzentrale. Auf die neue Lage reagiere das Management mit einer dauerhaften Veränderung der Organisationsstruktur.

Das Programm trägt den Titel „Evonik Tailor Made“, zu Deutsch „maßgeschneidert“. Das Ziel sei, dass der Chemiekonzern „schlanker und schneller“ werde sowie Einsparungen erreiche. Der Vorstand rechne damit, dass die jährlichen Kosten des Konzerns nach Abschluss des Programms im Jahr 2026 um rund 400 Millionen Euro niedriger liegen werden. Diese Einsparungen entfallen Unternehmensangaben zufolge zu rund 80 Prozent auf Personalkosten und zu rund 20 Prozent auf Sachkosten.

Evonik mit großen Standorten in Essen, Marl und Wesseling

Zur Einordnung: Mit 1500 Stellen sollen 7,5 Prozent der bundesweit 20.000 Arbeitsplätze wegfallen. Weltweit gehören rund 33.000 Beschäftigte zu Evonik. Große Standorte von Evonik befinden sich unter anderem in Marl im nördlichen Ruhrgebiet, in Wesseling bei Köln und am Konzernsitz in Essen.

In den vergangenen Monaten seien „sämtliche Strukturen und Abläufe im Unternehmen umfangreich analysiert“ worden. Auf Basis dieser Erkenntnisse werde „eine neue Zielorganisation entworfen“, die bis Ende 2026 etabliert werden solle. Auf Verwaltungstätigkeiten, „die nicht direkt das Geschäft unterstützen“, wolle Evonik künftig, „wo immer möglich“, verzichten. Ein vereinbarter Schutz vor betriebsbedingten Beendigungskündigungen bei Evonik in Deutschland bis Ende 2032 bleibe bestehen, hat das Unternehmen stets betont.

„Evonik Tailor Made wird eine einschneidende Wirkung für den Konzern haben“, sagt Alexander Bercht, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft IG BCE, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Evonik ist. Mit den abgeschlossenen Vereinbarungen sei es möglich, den Personalabbau sozialverträglich zu gestalten. „Jetzt muss es auch verstärkt darum gehen, den Konzern so aufzustellen, dass die Beschäftigten vor Überlastungen geschützt werden und sie eine echte Verbesserung ihrer alltäglichen Arbeit wahrnehmen“, mahnt Bercht.

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