Essen. Der neue Ruhr-Wirtschaftsförderer Jörg Kemna spricht sich für mehr Gewerbe- und Industriegebiete aus. Sie seien Jobmotor im Ruhrgebiet.

Die Gewerbe- und Industriegebiete im Ruhrgebiet, für deren Neuentwicklung oder Erweiterung es immer weniger Platz gibt, erweisen sich stärker denn je als Jobmotoren. In den vergangenen zehn Jahren sind hier 133.000 Arbeitsplätze entstanden. Das entspricht einem Plus von 20,5 Prozent. „Das ist wirklich eine Wucht, das ist wirklich eine Nummer“, kommentiert der neue Ruhr-Wirtschaftsförderer Jörg Kemna im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.

Auch wenn die Gesundheitswirtschaft seit einigen Jahren die Führungsrolle als größter Arbeitgeber im Ruhrgebiet übernommen hat, lässt Jörg Kemna nichts auf die hiesige Industrie kommen. Sein Wort hat Gewicht. Seit dem 1. Januar führt der 41-Jährige die Business Metropole Ruhr GmbH, die Services für die 53 Revierkommunen wie Standortmarketing und der Akquirierung von Fördertöpfen übernimmt.

781.000 Arbeitsplätze in Gewerbegebieten

Die Bedeutung industrieller Betriebe zeigt auch die frische Statistik, die Kemna erstmals im Podcast präsentiert. Danach ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Gewerbe- und Industriebetrieben im Ruhrgebiet von 648.000 im Jahr 2012 auf 781.000 Ende 2021 angestiegen. Außerhalb dieser Flächen wurden dagegen nur 81.000 vollwertige Arbeitsplätze geschaffen.

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Mit dem rasanten Wachstum könnte es aber bald vorbei sein. „Es wird immer dünner, was die Verfügbarkeit von Gewerbe- und Industrieflächen, die tatsächlich marktgängig sind, anbelangt“, warnt der Wirtschaftsförderer. Übersetzt heißt das: Es gibt im Ruhrgebiet zwar zahlreiche ungenutzte Brachen, die aber erst aufwändig und teuer saniert werden müssen, um Unternehmen darauf ansiedeln zu können.

Die Sanierung von Brachen ist teuer

„Ein Patentrezept, wie man das jetzt kurzfristig lösen kann, habe ich auch noch nicht“, sagt Kemna, der keine zwei Wochen im Amt ist. Er räumt ein, dass so große Ansiedlungen wie die Elekroauto-Fabrik von Tesla in Brandenburg an Ruhr um Emscher nicht möglich gewesen wäre, weil hier aktuell schlichtweg eine geeignete Fläche in ausreichender Größe fehle.

Dass diese Einschätzung angesichts der zahlreichen Industriebrachen am Rande der Revierstädte in der Öffentlichkeit schwer vermittelbar ist, weiß der Wirtschaftsförderer. Er kennt aber auch die Gründe, warum sich dort seit Jahrzehnten nichts tut. „Ein privatwirtschaftlicher Akteur kann keinen Gewinn damit erwirtschaften, wenn er die Brache revitalisiert. Darum saniert
er sie nicht, und darum bleibt sie liegen“, stellt der Geschäftsführer ernüchtert fest. Aber auch die Kommunen seien finanziell nicht in der Lage, die Flächen zu erwerben und zu ertüchtigen. Ein Teufelskreis.

Kemna glaubt nicht an mehr Fördermittel

Deshalb sei das Ruhrgebiet „zwingend auf entsprechende Fördermittel von Land und Bund angewiesen“, unterstreicht Kemna und fügt im gleichen Atemzug hinzu: „Ich glaube nicht, dass in absehbarer Zeit das Thema Förderung oder Fördermittel quantitativ groß ausgeweitet wird. Man wird eben versuchen müssen sich zu fokussieren“, sagt er im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse.

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Zumal das Ruhrgebiet auf einem anderen Gebiet hohe Investitionskosten vor der Brust habe: die Umstellung der Energieversorgung für die Industrie von Gas auf grünen Wasserstoff. Kemna zeigt sich optimistisch, dass es gelingen wird, die riesigen Wasserstoffmengen bereitzustellen. „Klar ist aber natürlich auch, dass wir den grünen Wasserstoff nicht selbst produzieren werden können. Wir werden diese Energie importieren müssen“, stellt der Wirtschaftsförderer klar.

Wasserstoff-Autobahn durch Europa

Kemna kündigt an, dass er im März gemeinsam mit Vertretern anderer Wirtschaftsregionen zur Europäischen Kommission nach Brüssel reisen werde, um für die rasche Realisierung einer europäischen „Wasserstoff-Autobahn“ zu werben, deren Pipelines auch durch das Ruhrgebiet führen. Vor der Europawahl im Juni gehe es darum, „schon mal erste Pflöcke einzuschlagen“.

Große Widerstände gegen den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur befürchtet Kemna nicht. „Ich glaube, dass es gerade hier im Ruhrgebiet möglich ist, die Bevölkerung von diesen Zukunftsinvestitionen zu überzeugen.“ Mit dem Ziel, dass es auch künftig möglich sei, zwischen Hamm und Wesel gut zu leben, gut zu arbeiten, eine Karriere zu machen, zu wirtschaften und seine Kinder großzuziehen.“ Auch wenn er Bürgerproteste und Klagen erwartet, ist der Wirtschaftsförderer davon überzeugt, dass es im Ruhrgebiet eine „höhere Akzeptanz für Industrie“ gebe als etwa zu Süddeutschland.