Duisburg. Um die Wirtschaft mit Wasserstoff zu versorgen, arbeiten die Häfen Rotterdam und Duisburg zusammen. Woher die riesigen Mengen kommen sollen.
Rotterdam und Duisburg sahen sich lange Zeit als Wettbewerber im Megamarkt der Logistik. Wasserstoff, der zunehmend Kohle und Öl als Energieträger ersetzen soll, wird nun zum verbindenden Element beider Häfen. Auf Einladung der Duisburg Business Innovation GmbH war der Rotterdamer Hafenchef Boudewijn Siemons jüngst Gast der „Zukunftsgespräche“. Am Rande fragten wir ihn, wie Rotterdam bei der Beschaffung der gewaltigen Wasserstoffmengen helfen kann und welche Rolle Duisport dabei spielt.
Herr Boudewijn, welche Rolle spielt der Seehafen Rotterdam bei der Bereitstellung der riesigen Wasserstoff-Mengen, die demnächst gebraucht werden?
Boudewijn Siemons: Aktuell ist der Seehafen Rotterdam der größte Energiehafen Europas. Der Schwerpunkt liegt auf fossilen Brennstoffen. Mit der fortschreitenden Dekarbonisierung wird die Industrie mehr erneuerbare Energieträger benötigen. Dabei wird grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Deshalb arbeiten die Häfen Rotterdam und Duisburg eng zusammen, um diese Wertschöpfungskette aufzubauen.
Woher soll der Wasserstoff kommen?
Siemons: Wir erwarten einen Bedarf von bis zu 20 Millionen Tonnen grünen und blauen Wasserstoff. Den größten Anteil werden wir von außerhalb einführen. Wir arbeiten dabei mit bis zu 15 Ländern zusammen, die bessere Sonnen- und Windbedingungen haben als wir im Nordwesten Europas. Diese Länder wie Brasilien, Kanada, USA, Spanien, Australien, Namibia, Südafrika und Marokko können Wasserstoff kostengünstiger produzieren.
Plant Rotterdam auch eine eigene Wasserstoff-Produktion?
Siemons: Wir haben eine Reihe von Elektrolyseure-Projekten in der Planung. Der Mineralölkonzern Shell baut gerade im Hafen eine 200-Megawatt-Anlage, die 2025 in Betrieb gehen soll. Der niederländische Versorger Eneco hat die Baugenehmigung für eine 800-Megawatt-Anlage beantragt, die ab 2029 grünen Wasserstoff produzieren soll. Wir erwarten, dass 2030 bis zu 2,5 Gigawatt Wasserstoff im Rotterdamer Hafen hergestellt werden.
Wie kommt der Wasserstoff aus den Partnerländern nach Rotterdam und wie wird er weitertransportiert?
Siemons: Es gibt unterschiedliche Wege. Der Delta Rhine Corridor ist ein Geflecht aus Pipelines, die 2028 betriebsbereit sei sollen und den Wasserstoff von Rotterdam nach Moerdijk in Limburg und von dort aus nach Deutschland bringen sollen. Damit werden wir auch an das niederländische Wasserstoff-Netzwerk angeschlossen sein, das wiederum Verbindungen nach Deutschland haben wird. Der Bau der ersten 32 Kilometer Pipeline hat gerade in Rotterdam begonnen. Natürlich wird auch der Transport von kohlenstoffarmen Wasserstoffträgern wie Ammoniak per Binnenschiff möglich sein. Unlängst traf ein erstes Schiff mit kohlenstoffarmem Ammoniak im Duisburger Hafen ein.
Die Ankunft des Schiffes in Duisburg hat sich auch König Willem-Alexander bei seinem Besuch im Ruhrgebiet angeschaut. Ist dieser Transportweg die Zukunft?
Siemons: Absolut – auch wenn unser König nicht immer dabei sein wird (lacht). Wir erwarten, dass in naher Zukunft Pipelines bei der Versorgung Deutschlands mit Wasserstoff eine bedeutende Rolle spielen werden. Wasserwege im Binnenland, die Schiene und die Straße bleiben gleichwohl wichtig beim Aufbau einer stabilen Wasserstoff-Infrastruktur. Denn es gibt ja auch Unternehmen, die keinen Pipeline-Anschluss haben oder die nicht gleich eine Schiffsladung Wasserstoff bestellen. Sie werden auf die Versorgung durch ein Tank- oder Containerlager angewiesen sein, das idealerweise trimodal angebunden und in ein starkes Schienen- und Straßennetz eingebettet ist.
Wie können Sie garantieren, dass Wasserstoff tatsächlich CO2-arm produziert wird?
Siemons: Es wird gerade ein internationales Zertifizierungssystem nach europäischen Regeln aufgebaut. Es klassifiziert nach erneuerbarem Wasserstoff sowie nach synthetisch hergestelltem Ammoniak und Methanol, das aus erneuerbarem Wasserstoff gewonnen wird.
Die Ruhrindustrie, allen voran die Konzerne Thyssenkrupp Steel und Evonik, wird gigantische Mengen Wasserstoff benötigen. Können energieintensive Unternehmen bei der Transformation auf die Unterstützung von Rotterdam zählen?
Siemons: Ja. Aktuell kommen bereits gewaltige Mengen Energie über den Hafen Rotterdam nach Deutschland. Auch in Zukunft wollen wir ein bedeutender Energie-Hafen für Deutschland sein. Zusammen mit Duisport, dem größten Binnenhafen der Welt, sollte das möglich sein. Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Häfen stellt deren bedeutende Rollen als Zukunftshubs für den Wasserstoffmarkt heraus.
Was steht drin?
Siemons: Die Machbarkeitsstudie sagt voraus, dass in Nordrhein-Westfalen ein signifikanter Nachfrageschub für Wasserstoff von mehr als drei Millionen Tonnen jährlich bis 2045 zu erwarten ist. Aber auch die Methanol-Nachfrage wird erheblich wachsen – auf mehr als 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es mehrere Wasserstoff-Pipelines brauchen wird, um die hohe Nachfrage in NRW und darüber hinaus zu befriedigen. Beiden Häfen – Rotterdam und Duisburg – werdend bei der Energie-Transformation eine wichtige Rolle spielen.
Die Konzerne BASF, Gasunie, Open Grid Europe and Shell ihrerseits haben eine Machbarkeitsstudie für eine Wasserstoff-Pipeline im Delta Rhine Corridor in Auftrag gegeben. Ab 2028 soll Wasserstoff von Rotterdam über Venlo in industrielle Hotspots wie Duisburg, Gelsenkirchen, Köln and Ludwigshafen geleitet werden. Wird das Projekt rechtzeitig starten?
Siemons: Duisport und der Hafen Rotterdam sind dabei, eine führende Rollen in Europa beim Transport von Wasserstoff und seiner Derivate einzunehmen. Der Hafen Rotterdam hat die Entwicklung der wichtigen Verbindung Delta Rhine Corridor angestoßen. 2028 soll die erste Leitung fertiggestellt sein. Zu diesem Zweck haben sich die in Ihrer Frage genannten Parteien zusammengeschlossen, um dieses europäische Infrastrukturprojekt voranzutreiben, das die Häfen und Industriecluster entlang der Strecken des Delta-Rhein-Korridors miteinander verbindet. Auf diese Weise wird die Industrie mit CO2 und grünem Strom versorgt.
Zwischen den Häfen Rotterdam und Duisburg gab es seither eine gewisse Rivalität. Ist Wasserstoff nun ein vereinendes Element?
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Siemons: Um zu gewährleisten, dass die Energietransformation Wirklichkeit wird, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten: Produzenten, Transporteure, Anbieter von Speichertechnologien – und Häfen. Der Hafen Rotterdam ist der größte Seehafen in Europa und ein wichtiger Energiehafen für Deutschland. Duisport ist Europas größter Hinterland-Hub. Rotterdam und Duisport waren schon immer eng miteinander verbunden. Mit der Entwicklung der Energiewende ist die Zusammenarbeit noch wichtiger geworden.