Berlin. Der Gebäudesektor soll klimaneutral werden, doch es wird immer weniger energetisch saniert. Nun bricht der Absatz für Dämmungen ein.
Deutschlands Eigenheimbesitzern scheint die Lust, ihre Häuser energetisch zu sanieren, vergangen zu sein. Das legen aktuelle Zahlen des Verbands für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) nahe, die dieser Redaktion vorliegen. Die Nachfrage nach Fassadendämmung sei auf ein historisches Tief eingebrochen, so der Verband. Auch werden immer weniger Förderanträge für Wärmepumpen beantragt, teilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) auf Anfrage mit. Und auch eine aktuelle YouGov-Umfrage belegt: Wohnungs- und Hausbesitzer wollen nicht energetisch sanieren.
Der Gebäudesektor gehört zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland. Will das Land seine Klimaziele erreichen, wird es nicht umhinkommen, viele Millionen Häuser zu modernisieren. Während die Bundesregierung den größten Hebel bei den Heizungen sieht, feilt die Europäische Union an Sanierungsplänen, um die Energieeffizienz von Gebäuden europaweit zu verbessern. Doch die Eigenheimbesitzer in Deutschland wollen bei den politischen Vorhaben nicht mitspielen.
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Beim Bafa kommen derzeit nur noch wenige Förderanträge für eine neue Wärmepumpe an. 6801 Anträge zählte die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte Behörde im Oktober. Insgesamt wurden zwischen Januar und Oktober 76.471 Förderanträge für Wärmepumpen gestellt. Im Jahr zuvor wurden im Vergleichszeitraum insgesamt 315.835 Anträge gestellt.
Immer weniger Förderanträge für Wärmepumpen
Das Bafa verweist bei den Zahlen zum vergangenen Jahr auf die sehr hohen Energiekosten im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Außerdem gab es eine Richtlinienanpassung, infolgedessen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Geld für Förderprogramme auszugehen drohte und er kurzfristig bei den Zuschüssen für Sanierungen und Heizungen kürzen musste. Im August des vergangenen Jahres gingen daraufhin dann 148.097 Anträge ein – ein absoluter Rekord. Im weiteren Jahresverlauf bewegte sich die Zahl zwischen 12.000 und 20.000 Anträgen.
Gleichzeitig ist der Absatz von Wärmedämmverbundsystemen, die zur Dämmung von Außenwänden genutzt werden, laut VDPM im dritten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast ein Viertel (knapp 23 Prozent) eingebrochen. Eine negative Entwicklung, die sich schon das gesamte Jahr abgezeichnet hatte: Im ersten Quartal dieses Jahres war der Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut 17 Prozent eingebrochen, im zweiten Quartal um 13,5 Prozent.
In totalen Zahlen bedeutet das: Im vergangenen Jahr wurden noch knapp 36 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche mit Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) gedämmt. In diesem Jahr werden nach Verbands-Berechnungen nur gut 29 Millionen Quadratmeter neu gedämmt worden sein. Mit Blick auf die anhaltend negative Entwicklung rechnet der Verband daher auch nicht mit einer Trendumkehr im nächsten Jahr.
Nach Karlsruher Urteil: Ungewisse Zukunft für Förderung
„Dass erstmalig der Neubau und die energetische Modernisierung gleichzeitig einbrechen, ist besonders alarmierend“, sagt Christoph Dorn, Vorstandsvorsitzender des VDPM, dieser Redaktion. Die Ursachen dafür seien vielfältig: Inflation, hohe Zinsen, Kostensteigerungen beim Material unter anderem durch hohe Energiepreise. Dorn unterstreicht zudem: „Die unsichere und unübersichtliche Fördersituation zählt ebenfalls dazu.“ Trotz der aktuellen Debatte um den Bundeshaushalt würde weiterhin ein großer Bedarf an Investitionsanreizen bestehen. „Als VDPM warnen wir eindringlich vor den Konsequenzen dieser breiten Investitionszurückhaltung bei der energetischen Gebäudemodernisierung.“
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Doch ausgerechnet die geforderten Förderungen stehen in den Sternen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) hat die Ampel-Koalition ihre Regierungsvorhaben auf Halt gestellt. Bei dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe geht es um Geld, das als Corona-Kredit bewilligt worden war, aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden sollte. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Deshalb sind weitere Milliardensummen für Zukunftsvorhaben gefährdet. Die Auswirkungen des Karlsruher Urteils auf bestimmte Förderprogramme ist derzeit noch ungewiss.
Umfrage: Zwei Drittel der Hausbesitzer wollen nicht sanieren
Den Unwillen der Eigenheimbesitzer, ihre Immobilien energetisch sanieren zu lassen, unterstreicht auch eine repräsentative Umfrage von YouGov im Auftrag der Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (GNIW), die dieser Redaktion exklusiv vorliegt. 66 Prozent der deutschen Immobilienbesitzer wollen demnach ihr Haus oder ihre Wohnung nicht energetisch sanieren lassen. Bezogen auf alle Eigenheimbesitzer im Land sind das 16,1 Millionen Personen.
Zu den Gründen nannten 32 Prozent der Befragten, dass sie die energetische Ertüchtigung ihres Hauses rundheraus ablehnten; 34 Prozent gaben an, dass sie sich nicht in der Lage sähen, die finanziellen Kosten der Sanierung zu tragen. Nur 20 Prozent der Befragten wollen energetisch sanieren und sehen sich finanziell dazu in der Lage.
Wie dramatisch die Lage für manche Eigenheimbesitzer ist, unterstreicht die YouGov-Umfrage: 23 Prozent gaben an, dass sie bereit seien, aus den eigenen vier Wänden auszuziehen und diese zu verkaufen, um nicht energetisch sanieren zu müssen. Würden sich die Immobilienbesitzer dann doch für energetische Sanierungsmaßnahmen entscheiden, würden 35 Prozent der Befragten die Heizung austauschen, 30 Prozent die Fenster, 27 beziehungsweise 25 Prozent würden das Dach oder die Fassade dämmen sowie 17 und 16 Prozent würden die Kellerdecke beziehungsweise die Zwischendecken dämmen (Mehrfachantworten waren möglich).
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