Düsseldorf. Carolina Sauter hat sich nach langem Zögern als trans geoutet. Wie ihr Arbeitgeber Vodafone ihr dabei half. Über Mobbing und neues Glück.
Carolina Sauter war schon als Kind klar, dass da etwas nicht stimmte. Als Junge geboren, fühlte sie sich schon immer als Mädchen. Aber erst Jahrzehnte später fasste die trans Frau den Entschluss, sich zu outen. Ihr Arbeitgeber Vodafone gab ihr dafür den entscheidenden Impuls.
„Ich wusste natürlich gar nicht, was trans ist. Aber im Kindergarten bemerkte ich es schon“, erzählt Carolina Sauter im Gespräch mit unserer Redaktion. Beim Spielen habe sie sich schon als dreijähriger Junge immer bei den Mädchen gesehen. Statt mit dem Ball zu bolzen, machte Sauter lieber Gymnastik. „Ohne mir etwas dabei zu denken. Darüber gesprochen habe ich nicht“, erinnert sie sich.
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Erst in der Schule einige Jahre später sah sich das Kind mit den ersten Problemen konfrontiert. „Da habe ich zum ersten Mal Mobbing erlebt. Immer, wenn ich offen darüber sprach, eckte ich massiv an“, sagt Sauter. Weil sie in der Schule nicht offenbaren konnte, dass sie sich als Mädchen fühlte, begann für sie eine lange Zeit der Einsamkeit. „Ich bin beim Sport so spät wie möglich in die Umkleidekabine gegangen, damit ich mich nicht vor anderen umziehen musste. Ich fühlte mich in der Jungenumkleide völlig fehl am Platz“, berichtet Sauter.
„Die Familie war mein Rückzugsort“
Rund 40 Jahre später bemerkt die trans Frau, dass es falsch war, den Problemen einfach aus dem Weg zu gehen. „Ich wollte keinen Ärger“, sagt sie nachvollziehbar. „Es war eine Fehlentscheidung, so wenig darüber zu reden, dass ich mich früh als Frau gefühlt habe.“ Allein in ihrer Familie fühlte sich Sauter verstanden und geborgen. „Die Familie war mein Rückzugsort“, erklärt sie.
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Sauter kapselte sich immer weiter ab und manövrierte sich damit zusehends in eine Sackgasse. Mit Eintritt ins Arbeitsleben wurde die Aussichtslosigkeit ihrer Lage so richtig deutlich. „Im Job habe ich dann den harten Macker raushängen lassen, um irgendwie durchs Leben zu kommen. Auf die Dauer hat mich der Druck aber krank gemacht“, räumt Sauter ein und bekennt: „Ich bekam massive gesundheitliche Probleme. Die angeschlagene Psyche wirkte sich negativ auf das vegetative Nervensystem aus.“
Weil trans Menschen nicht darüber reden, werden sie krank
Die trans Frau spürte, dass es so nicht weitergehen konnte. „Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr und habe mich auch auf der Arbeit geoutet. Da war ich aber schon 46 Jahre alt“, erklärt sie. Es sollte sich als glückliche Fügung erweisen, dass Sauter inzwischen als Datenanalystin beim Düsseldorfer Telekommunikationsriesen Vodafone arbeitete. Als internationaler Konzern legt Vodafone wie Thyssenkrupp, Evonik, Metro oder andere Konzerne großen Wert darauf, die Belange der LGBTQ+-Community ernst zu nehmen. Die Abkürzung steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche und queere Menschen.
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Sauter schloss sich bei ihrem neuen Arbeitgeber rasch dem Rainbow@Vodafone-Netzwerk an – ein geschlossener Raum für die LGBTQ+-Beschäftigten in allen Ländern, in denen der Telekommunikationskonzern vertreten ist. Die trans Frau aus NRW fühlte sich in der Gemeinschaft gleich wohl. „Als ich nach einem Jahr merkte, dass ich bei einem Outing nicht meine Existenz verlieren werde, habe ich mich zur Transition entschlossen“, berichtet sie. Sauter hatte sich also zur Geschlechtsumwandlung durchgerungen.
Das Risiko war ihr bewusst. „Ich kannte ja mehrere trans Menschen, die deshalb in kleineren Unternehmen ihre Arbeitsplätze verloren hatten. Da bekommt man natürlich Angst.“ Aus eigener Erfahrung und nach unzähligen Gesprächen wusste Sauter, dass sich trans Menschen in einer Zwickmühle befinden. „Auf der einen Seite können sie nicht darüber sprechen. Auf der anderen Seite werden sie genau deshalb immer kranker. Das mündet in purer Verzweiflung.“
„Mir war wichtig, dass mein Körper zu mir passt“
Sauter entschied dennoch für sich, nicht nur ihren Namen und Personenstand gerichtlich ändern zu lassen. Durch operative Eingriffe und hormonelle Therapien bereitete sie sich auch medizinisch darauf vor, zur Frau zu werden. „Das Optische hat für mich nie so eine große Rolle gespielt. Mir war wichtig, dass mein Körper zu mir passt“, erklärt die Frau. Für sie sei aber wichtig gewesen, „den kompletten Weg“ zu gehen, auch wenn er „sehr beschwerlich“ gewesen sei.
Aber ihr Arbeitgeber Vodafone habe sie dabei unterstützt, sei ihr nicht nur bei den hohen Ausfallzeiten während der Krankenhausaufenthalte entgegengekommen. Es ging auch um das Coming Out. Zunächst erkärte sich Sauter innerhalb des Netzwerks Rainbow@Vodafone. „Zusammen mit Personalabteilung und meinen Vorgesetzten haben wir dann gemeinsam überlegt, wie es weiter gehen soll. Am Ende war es aber meine Entscheidung.“
„Ich habe ein Leben geschenkt bekommen“
Sauter wollte nun auch einer breiteren Öffentlichkeit erklären, dass sie jetzt eine Frau ist. „Die Kolleginnen und Kollegen haben ja keine Tomaten auf den Augen. Deshalb habe ich, zusammen mit meinem Vorgesetzten, relativ zeitgleich zu den medizinischen Maßnahmen proaktiv eine E-Mail an alle Mitarbeitenden in meinem Umfeld verschickt.“ Als die Datenanalystin auch schrittweise äußerlich als Frau zu erkennen war, seien die Reaktionen im Unternehmen „überwiegend positiv“ gewesen. Es habe „ein paar doofe Kommentare, aber keine Anfeindungen gegeben“, sagt die Frau.
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Carolina Sauter hat nun einen Strich gezogen. „Für mich ist das Thema erledigt. Jetzt helfe ich anderen Kolleginnen und Kollegen in der Vodafone-Gruppe, die eine Transition planen.“ Wenn sie gewusst hätte, dass das Outing so komplikationslos verläuft, hätte sie es viel früher gemacht. „Dann hätte ich mich eher wieder auf meine persönliche Leistung konzentrieren können“, sagt sie selbstbewusst.
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„Nach den Operationen fühle ich mich besser, als ich erwartet hatte. Wobei die medizinischen Eingriffe natürlich nicht ohne sind“, blickt Sauter zurück und zeigt sich nun als rundum glücklicher Mensch. „Ich habe ein Leben geschenkt bekommen. Vor den Operationen war es eher ein Herumvegetieren. So ein schönes Leben, wie ich es jetzt habe, kannte ich vorher gar nicht.“