Herne. Till aus Herne ist trans – und kritisiert das neue Selbstbestimmungsgesetz. Er sagt: „Es öffnet Tor und Tür für jeden.“
Männlich, weiblich, divers. In Zukunft kann jeder selbst entscheiden können, welches Geschlecht und welcher Vorname im Pass stehen: Der Bundestag hat das neue Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Es soll die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens für trans und nicht-binäre Menschen erleichtern.
Eine einfache Erklärung beim Standesamt reicht nun aus, um Geschlechtseintrag oder Vornamen zu ändern. Bisher mussten sie sich Betroffene dafür zwei psychiatrischen Begutachten unterziehen. Entscheiden musste dann ein Gericht. Festgeschrieben waren diese Regelungen im Transsexuellengesetz, das 1981 in Kraft trat – und vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig befunden wurde. Doch auch das neue Selbstbestimmungsgesetz ist nicht unumstritten.
Wir haben vier Betroffene aus dem Ruhrgebiet gefragt, wie sie den Plan der Regierung finden. Till hat in Herne eine Selbsthilfegruppe gegründet. Hier sagt er, warum er sich das Transsexuellengesetz zurück wünscht:
„Als Kind stand ich oft vor dem Badezimmer-Spiegel und habe mich gefragt, warum ich nicht so aussehe wie meine Brüder. Das Gefühl, als ich dann endlich die geschlechtsangleichenden OPs machen lassen konnte und auch meinen Namen und mein Geschlecht ändern konnte, kann ich gar nicht beschreiben. Die Namens- und Geschlechtsänderung habe ich beim Amtsgericht in Dortmund beantragt. Das Verfahren lief super einfach ab. Ich musste für die Gutachten keine sexistischen Fragen beantworten.
Trans Mann aus Herne: „Großer Hype ums Transsein“
Das war ja der Hauptkritikpunkt am Transsexuellengesetz, den ich also überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich fand das Transsexuellengesetz viel besser als das neue Selbstbestimmungsgesetzt. Dass die Gutachten wegfallen, ist meiner Meinung nach ein großer Fehler.
Gerade ist ein großer Hype ums Transsein. Es wird so viel Werbung dafür gemacht, dass viele gar nicht wissen, ob sie es wirklich sind. Genau deshalb muss man sich Zeit nehmen und sich wirklich sicher sein. Die Regeln des Transsexuellengesetzes haben dabei geholfen und hätten bleiben sollen. Und klar, die Regeln für die OPs bleiben bestehen.
Aber wenn man dem Gutachter für die OPs erzählt, dass man schon seinen Namen und den Geschlechtseintrag hat ändern lassen, wertet der das mit Sicherheit als Indikator dafür, dass man es ernst meint. Der Schritt, die OP genehmigt zu bekommen, wird also deutlich leichter. Das Selbstbestimmungsgesetz öffnet Tür und Tor für jeden.
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Nicht nur für OPs, sondern auch für Räume, in denen Frauen Schutz suchen. Ich finde es auch überhaupt nicht in Ordnung, dass ein Kind vor Gericht gehen kann, wenn die Eltern ihm nicht erlauben, den Namen und das Geschlecht zu ändern. Wo leben wir denn hier?
Natürlich muss sich die Situation für Transpersonen ändern: In Münster wurde ein 25-Jähriger zu Tode geprügelt, in Herne wurde eine Transfrau fast Tod geschlagen. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Ich selbst musste auch mehrmals die Ausbildung abbrechen und den Betrieb wechseln, weil die Anfeindungen sogar am Arbeitsplatz so stark sind. Der Hass gegen Transpersonen ist groß. Das Selbstbestimmungsgesetz hilft dabei aber nicht. Im Gegenteil.“