Schmallenberg/Bad Berleburg. . Das Projekt ist europaweit einzigartig - aber es droht zu kippen: Wegen angekabberter Buchen ist die Wisent-Auswilderung im Sauerland vorerst gescheitert. Die Urviecher schälen die Bäume. Ein geschädigter Waldbauer aus Schmallenberg hatte geklagt. Wie es mit dem Projekt weitergeht ist offen.
Es gibt leichtere Entscheidungen. Amtsrichterin Christiane Behle-Cordes steht die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Die 38-jährige Juristin ist mit einem heiklen Fall mit großem öffentlichen Interesse befasst. Akte 3 C 155/14: Hier das europaweit bejubelte Artenschutzprojekt, dort der geschädigte Waldbauer Hermann-Josef Vogt aus Schmallenberg-Oberkirchen.
Die wilden Wisente schälen in seinem Bestand die Buchen in großem Stil. Der 59-Jährige sieht seine Arbeit ruiniert. „Erst vor zwei Tagen haben wir wieder neue Schäden aufgenommen.“ Er hat die Nase voll, will die Tiere nicht länger in seinem Wald sehen.
Nicht herrenlos
Zu Recht. Das sagt die Amtsrichterin im Namen des Volkes - und Bundespräsident Joachim Gauck steht bildlich hinter ihr, lächelt entspannt von der Wand. Donnerstag, 14 Uhr, Saal 14 im Amtsgericht Schmallenberg: „Die einstweilige Verfügung bleibt aufrecht erhalten.“ Übersetzt: Die Herde darf sich an seinen Buchen im Sauerland nicht länger satt fressen und darf das 4300 Hektar große Projektgebiet im Wittgensteiner Land nicht verlassen. Die Richterin: „Der Trägerverein hat nicht glaubhaft machen können, dass die Wisente herrenlos sind."
An Argumenten fehlt es der Amtsrichterin nicht. Sie hält die Herde nicht für herrenlos. Warum? Weil die Wisente alle sieben Stunden per GPS-Sender ihren Standort an den Server des Trägervereins abgeben, weil sie in den vergangenen Monaten immer wieder an das Auswilderungsgehege bei Bad Berleburg-Kühhude zurückgekehrt seien, weil sie Menschen gewöhnt und von ihnen abhängig seien: „Es spricht einiges dafür, dass es sich bei den Wisenten um gezähmte wilde Tiere handelt.“
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Hermann-Josef Vogt atmet auf, als er aus ihrem Mund hört: „Der Kläger muss die Beeinträchtigungen der Tiere auf seinem Eigentum nicht dulden.“ Natur- und Artenschutz gingen nicht vor. Es handele sich auch nicht um eine hoheitliche Maßnahme, vor der seine Interessen zurückzutreten hätten: „Niemand kann ausschließen, dass weitere Schäden entstehen.“
Waldbesitzer zufrieden ...
Nach elf Minuten Urteilsverkündung und Begründung ist die Verhandlung zu Ende. Vom Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein ist kein Vertreter erschienen. Zeitgleich diskutieren an diesem Tag Experten aus aller Welt in Bad Berleburg über den Erfolg der Auswilderung der Urviecher mit dem Titel: „Von der Gefangenschaft in die Freiheit - Herausforderungen an eine zurückkehrende Spezies.“
Freiheit, die Hermann-Josef Vogt viel Frust bereitet. Er ist erleichtert über den Richterspruch: „Ich bin froh. Sonst hätten wir uns von der Buche verabschieden können. Die Wisente haben im Wirtschaftswald nichts zu suchen.“ So glücklich er über seinen juristischen Erfolg ist, so enttäuscht ist der Trägerverein.
... Befürworter enttäuscht
„Wir hätten uns ein anderes Urteil gewünscht“, sagt der Vorsitzende Bernd Fuhrmann. Er kündigt Berufung gegen die Entscheidung vor dem Arnsberger Landgericht an. „Wir bewerten die Entwicklung der Auswilderung deutlich anders.“
Der Verein werde jetzt zügig alles daran setzen, den Status der Herrenlosigkeit für die Wisente zu erreichen. Anwalt Stephan Hertel, der den Trägerverein juristisch vertritt, ist optimistisch, in nächster Instanz erfolgreicher zu bestehen. Es gebe ausreichend rechtliche Ansätze, die Argumentationskette dieses Urteils zu durchkreuzen. Beispiel? „Herrschaft über die Tiere habe ich nur, wenn es einen Zaun drumherum gibt. Und das ist seit April 2013 nicht mehr der Fall.“
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Das Urteil wird rechtskräftig, wenn über die Berufung entschieden worden ist. So lange, das sagt der Trägerverein, müssten die Tiere nicht zurückgeholt und eingesperrt werden.
Der Anwalt des Waldbauern, Friedrich Freiherr von Weichs, vertritt diese Ansicht nicht: Wenn die Tiere künftig keinen Bogen um den Wald seines Mandanten machen würden, rate er ihm, mehr Druck zu machen, um dies zu verhindern. Ansonsten ist er bezüglich des Verfahrens optimistisch: „Die erste Halbzeit haben wir 1:0 gewonnen. Warum sollten wir nicht die zweite Halbzeit auch für uns entscheiden?“