Bad Berleburg. Viele Kirchengemeinden besitzen Wald. Der rückt in den Fokus von Windkraftprojekten. Presbyterien müssen sich damit beschäftigen.

Einige Wittgensteiner Kirchengemeinden schauen mit einem ganz besonderen Blick auf die Energiewende. Und das, weil sie Wald besitzen. Sie befinden sich jetzt in einer ganz besonderen Zwickmühle: Es geht um die Bewahrung der Schöpfung. In diesem Schlagwort wird die ganze Spannung deutlich, mit der sich Presbyterien aktuell auseinandersetzen müssen. Denn für die Befürworter der Energiewende sind Windkraft und Solarstrom gerade dies: Bewahrung der Schöpfung durch erneuerbare Energien. Windkraftgegner wollen genau das Gegenteil: den Kirchenwald so erhalten, wie er ist, als Naturraum.

Wir sind froh, dass wir diese Diskussion nicht führen müssen.
Christine Liedtke, Gemeindepfarrerin in Girkhausen

Die evangelische Kirchengemeinde Girkhausen ist eine derjenigen mit dem größten Waldbesitz in Wittgenstein: „Das sind über den Daumen so 48 Hektar“, sagt Presbyter Klaus Saßmannshausen und schiebt direkt hinterher: „Aber die sind für Windkraft ungeeignet, weil sie allesamt im Tal liegen.“ „Und sie sind außerhalb der Vorrangzonen“, ergänzt Pfarrerin Christine Liedtke. Beide sind sich der Diskussion um die Energiewende bewusst und auch der finanziellen Möglichkeiten, die verpachtete Waldgrundstücke bringen. „Aber wir sind froh, dass wir diese Diskussion nicht führen müssen“, weiß Christine Liedtke um die Brisanz, die dies für ein Dorf bedeuten kann. Übrigens kommt auch die Bad Berleburger Kernstadt um das Thema herum, weiß Pfarrerin Liedtke: „Wir sind dort gar nicht gefragt worden“.

Bewahrung der Schöpfung: Geschichte eines Begriffs

Woher kommt eigentlich das Schlagwort von der „Bewahrung der Schöpfung“ und was hat ein leibhaftiuger Preinz damit zu tun? In den 1980er Jahren kommen Christen aus der Umwelt- und der Friedensbewegung zueinander. Die Zielvorstellung ergänzen sich.

Laut Wikipedia soll der Ursprung in der 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Vancouver (Kanada) im Jahre 1983 liegen. Dort wurde das „Bewahren“, mit dem sich die Umweltaktivisten identifizierten, mit dem religiös aufgeladenen Begriff der „Schöpfung“ verbunden worden sein.

Inzwischen ist die „Bewahrung der Schöpfung“ aber keine rein christlich begründete ethische Vorstellung mehr. Den Anstoß, alles auf eine breitere Basis zu stellen, lieferte der Herzog von Edinburg und Ehemann der Queen, Prinz Philip. Er war von 1981 bis 1996 Präsident des WWF, des World Wildlife Fund. In dieser Eigenschaft lud er 1986 die Führer der Weltreligionen zu einem Treffen ein. Buddhisten, Christenten, Hindus, Muslime und Juden diskutierten, „welchen Beitrag der Glaube zur Bewahrung der Natur leisten könne.“ Alle diese Religionen tragen die Bewahrung der Schöpfung in ihren Grundsätzen.

Und schaut man über die Weltreligionen hinaus, finden sich auch in indigenen Völkern und deren Bild der „Mutter Erde“ vergleichbare Ansätze.

Ein Spannungsfeld beliebt aber, welchen Zustand der Schöpfung und Natur man bewahren will und in welchem Maße man die Unversehrtheit der Natur gegenüber dem Streben der Menschen gewichtet. Denn in der Bibel findet sich beispielsweise auch 1. Mose 1,28: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“

Anders sieht das in der evangelischen Lukas-Kirchengemeinde im Eder- und Elsofftal aus. Die Kirchengemeinde erstreckt sich über mehrere Dörfer, von Wunderthausen über Diedenshausen, Christianseck, Elsoff, Schwarzenau und Beddelhausen. Dort finden sich nach Plänen der Stadt Bad Berleburg vier Vorrangzonen. „Die Lukasgemeinde hat sehr intensiv diskutiert und eine Mehrheitsentscheidung getroffen“, weiß Pfarrerin Liedtke.

Klare Position der Lukasgemeinde

Eine entsprechende Mitteilung hatte die Lukasgemeinde auch veröffentlicht: „Das Presbyterium der Ev. Lukas-Kirchengemeinde im Elsoff- und Edertal hat mehrheitlich entschieden, keinen Vorvertrag zur Nutzung ihrer Flächen für Windkraft in Elsoff/Beddelhausen abzuschließen. Die Abwägungen des Für (z.B. Geld) und Wider (z.B. Flächenverbrauch) hat kein einheitliches Bild ergeben. Es überwog die Skepsis gegenüber der Art und Ausgestaltung der Verträge und dem Teilen der Informationen. Die Energieerzeugung ist im Umbruch. Das Presbyterium nimmt die Verpflichtung sehr ernst, darauf zu achten, dass alle Vorgänge mit größtmöglicher Transparenz ablaufen und damit die Interessen aller Bürger berücksichtigt werden.“

Klare Position des Kirchenkreises

Dass sich die evangelische Kirche bereits mit Fragen der Energiewende auseinandergesetzt hat, macht Pfarrer Martin Eckey deutlich. Der Wendener ist Vorsitzender des Umweltausschusses des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein und formuliert Grundsätze: „An der Windkraft führt kein Weg vorbei. Wir brauchen Alternativen zu Atomkraft und Kohle. Gas betrachten wir als Übergangstechnologie“, sagt Eckey und ergänzt: „Wir begrüßen den Ausbau der Windkraft. Unser bevorzugtes Modell ist eines mit Bürgerbeteiligung. Das sorgt dafür, dass die Energiewende von der breiten Masse getragen wird.“ Eckey nennt beispielhaft das Genossenschaftsmodell. Deswegen habe sich der Kirchenkreis auch der Bürgerenergiegesellschaft Siegen-Wittgenstein angeschlossen. Die befinde sich in Gründung. Eine Wirtschaftlichkeit werde gerade geprüft.

An der Windkraft führt kein Weg vorbei. Wir brauchen Alternativen zu Atomkraft und Kohle. Gas betrachten wir als Übergangstechnologie.
Martin Eckey, Vorsitzender des Umweltausschusses des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein

Der Kirchengemeinde rät Eckey über eine Verpachtung nachzudenken. Allerdings sei in Wittgenstein die Besitzstruktur sehr kleinteilig. Das mache es schwierig, direkt für Windkraftinvestoren interessant zu sein.


Bei der Lukasgemeinde mit ihren vielen ursprünglichen Teilgemeinden und Girkhausen sieht das mit den Flächen anders aus. Nur ist eben auch die Lage entscheidet. Und die ist in Girkhausen oder auch Bad Berleburg nicht geeignet.

Kein uneingeschränktes Pfarrvermögen

Aber was kommt für Kirchengemeinden bei der Verpachtung herum? Der Wald oder auch landwirtschaftlichen Grundstücke gehören in der Regel zum sogenannten Pfarrvermögen. Darüber können die Gemeinden nur sehr begrenzt verfügen. Es wird wie ein „Stiftungsvermögen“ behandelt, darf nicht geschmälert werden. Historisch diente der Erlös der Besoldung des Gemeindepfarrers. Heute fließen drei Viertel in Richtung Ev. Landeskirche von Westfalen nach Bielefeld ab. Trotzdem rechnet Klaus Saßmannshausen vor: „Bei 60.000 Euro Pacht bleibe ein Viertel hier. Damit könnte man schon viel finanzieren.“ Gleichzeitig sieht er aber auch, „wie breit die Wege für den Bau der Windräder sind. Das sind ja Autobahnen im Wald“. Nichts drückt einfacher das Spannungsfeld aus, in dem sich die Gemeinden aktuell befinden: Es geht um die Bewahrung der Schöpfung. Für die einen ist das Windkraft als erneuerbare Energie und gleichzeitig das Finanzieren von kirchlichen Aufgaben durch Pachterlöse. Und für die anderen ist es das Erhalten von intakten Waldflächen, durch das Weglassen von Windkraft.