Bad Berleburg/Siegen. Biologen arbeiten weiter an einem akustischen Zaun, der die Wisente von Wäldern im Sauerland fernhalten soll. Getestet wird das Fliegen-Summen.

Die Siegener Wissenschaftlerin Prof. Dr. Klaudia Witte gibt nicht so schnell auf. Die Biologin will eine Lösung für das Problem mit den freilebenden Wisenten im Rothaargebirge finden. Und nachdem summende Bienen oder Hornissen möglicherweise nicht das richtige Mittel sind, um die Wildrinder von Tabuzonen im Sauerland fernzuhalten, kommt jetzt eine fiese Fliege ins Spiel: Die Dasselfliege.

Die Professorin der Universität Siegen will noch kein abschließendes Urteil über ihren akustischen Zaun fällen. „Für eine Zwischenbilanz ist es noch zu früh“, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Witte hält an der aus Afrika importierten Idee fest, dass man Wisente durch Insektengeräusche lenken oder von bestimmten Orten vertreiben könne. Pate für diese Idee stand das Bienensummen, das Elefanten nicht mögen. So werden die Dickhäuter davon abgehalten, Felder von Farmern abzuernten.

Lesen Sie auch:

Im Oktober 2022 hatte die Biologin angekündigt, erste Versuche mit Aufnahmen von Bienensummen im Wisentgehege in Wingeshausen zu unternehmen. Unterstützt wird Prof. Witte dabei von der Wissenschaftlichen Koordinatorin des Auswilderungsprojektes, Kaja Heising sowie Julian Schmidt.

Einfacher Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau ist im Grund einfach: Das Team baut Lautsprecher auf und die Wisentranger locken die Tiere anschließend mit Futter in den Bereich des akustischen Zauns. Mit etwa 80 Dezibel werden die Insektengeräusche dann in Richtung der Wisente ausgestrahlt. Zum Vergleich nennt die Biologin einen nahe gelegenen Bach, dessen Rauschen gut 50 Dezibel hat. Das Verhalten der Tiere wird dann mit Kameras dokumentiert. Beim Bienensummen haben die Tiere tatsächlich Abstand zu den Lautsprechern gehalten, blieben aber an der Futterstelle. Die Fütterung könnte also das Ergebnis verfälschen, sagt die Wissenschaftlerin, die noch nicht alle Erkenntnisse ausgewertet hat. Andererseits wäre es auch ein besonders kraftvoller Beweis, wenn sich die Wildrinder durch bestimmte Geräusche vom Futterplatz abhalten oder sogar abdrängen ließen. Und an dieser Stelle kommt jetzt das Summen der Dasselfliege als neuer „Stimulus“ ins Spiel. Die in verschiedenen Unterarten auch als Pferde- oder Schafbremsen bekannten Fliegen sind Pferden, Rindern oder Schafen nicht nur lästig: Die Larven dieses Insekts leben parasitär. Die Fliegen steuern im Flug gezielt in Nase oder Rachen der Wirtstiere und legen dort ihre Eier ab.

Mit Pferden gebe es erste Erkenntnisse, dass diese Stellen mit Dasselfliegen-Geräuschen meiden. Insofern besteht Hoffnung, dass die Wisente auf so einen akustischen Schlüsselreiz reagieren.

Keinen Zeitdruck aufbauen

Klaudia Witte will bei ihren Versuchen aber eines vermeiden: Zeitdruck. Auch wenn der Runde Tisch mit den Moderatoren Johannes Remmel und Ursula Heinen-Esser um eine Lösung für das umstrittene Artenschutzprojekt im Rothaargebirge ringt und der Druck von Seiten der Waldbauern auf ein schnelles Ende für die freie Herde enorm ist: „Unsere Arbeit hat grundlegende Bedeutung. Sie ist völlig unabhängig vom Streit zwischen dem Wisentverein und den Waldbauern zu sehen“, sagt die Wissenschaftlerin, die dieses Projekt neben ihrem hauptberuflichen Lehrstuhl an der Universität Siegen und ihrem ehrenamtlichen Engagement als Vorsitzende des Nabu-Kreisverbandes verfolgt. „Wir können auch nicht täglich Versuche unternehmen“, sagt sie. Nach wie vor ist die Wisentwildnis auch für Besucher geöffnet.