Wittgenstein. In Wittgenstein wird es heißer. Die Dürre hat schwere Konsequenzen für die Ernte und schlimme Auswirkungen für die heimische Landwirtschaft.

Die klimatischen Veränderungen machen sich auch bei den Landwirten in Wittgenstein bemerkbar. Ein Umdenken ist dringend erforderlich. Denn bereits seit 2018 werden die Sommer im Altkreis immer wärmer. Dadurch ist die Futtergewinnung auf den überwiegenden Grünlandflächen im Altkreis deutlich eingeschränkt.

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„Durch die im Durchschnitt extrem trockenen vergangenen fünf Jahre ist die Situation für die Landwirte sehr angespannt“, erklärt Jost Höse aus Sassenhausen. Er ist Milchbauer und Ortsverbandsvorsitzender Vertreter für den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) in Sassenhausen, Dotzlar, Hemschlar, Rinthe, Weidenhausen und Stünzel.

Landwirt Jost Höse zusammen mit seiner kleinen Tochter vor der Futterstellle für seine Kühe auf seinem Feld in Sassenhausen 
Landwirt Jost Höse zusammen mit seiner kleinen Tochter vor der Futterstellle für seine Kühe auf seinem Feld in Sassenhausen  © Verena Schlüter | Verena Schlüter

Die Landwirtschaft mit einer Viehzucht von 25 Limousin-Rindern inklusive Kühen und Kälbern betreibt er zusammen mit seinem Bruder im Nebenerwerb. Die Familie besitzt Grünland und 14 Hektar Wald in Sassenhausen. Durch die Trockenheit der vergangenen Jahre seien davon aber nur noch vier Hektar übriggeblieben. „Der Rest ist vertrocknet oder durch den Borkenkäfer beschädigt.“ Die Landschaft habe sich in den vergangenen Jahren komplett verändert. Die Dürre zeige sich in Wittgenstein besonders heftig. Denn: Viele Landwirte besitzen Grünflächen in Hanglage und da wird es durch die direkte Sonneneinstrahlung immer schwerer, noch genügend Futter zu ernten.

Wittgenstein: Die aktuelle Ernte

Der erste Schnitt Ende Mai sei in diesem Jahr noch zufriedenstellend gewesen. „Da konnten wir einiges an Futter einholen“, sagt Jost Höse. Das Futter für diesen Winter ist durch den guten ersten Schnitt erstmal gesichert.“ Allerdings sei rund um Sassenhausen der zweite Schnitt und damit die gesamte Ernte für Anfang August komplett ausgefallen. „Es gab einfach nichts zum Ernten. Wir haben die Felder im Sommer dann als reine Hüteflächen genutzt, die die Tiere abgrasen konnten. Aber die Wiesen sind mittlerweile gelb und die Gräser gehen zur Neige, weil wir hier in der Region in letzter Zeit überhaupt keinen Regen mehr abbekommen haben“, berichtet der Landwirt. Der Nährwert der verbliebenen ausgetrockneten Wiesen gehe gegen Null. „Das ist wie Stroh.“

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Es habe zwar zwischenzeitlich viel Niederschlag im Erndtebrücker Raum gegeben – in Schameder seien teilweise circa 80 Liter herunter gekommen – „aber wir hier oben hatten gar nichts, nicht mal einen Tropfen. Das bisschen, was da war, haben wir aufgehoben, um die Tiere grasen zu lassen.“ Das aber auch nur, weil er generell nur Futtermittel für seine eigenen Tiere anbaue.

80 bis 90 Prozent der Nebenerwerbsbetriebe in Wittgenstein würden keinen Ackerbau betreiben, sondern lediglich Futter für die eigenen Tiere auf ihren großen Grünflächen anpflanzen. „Nennenswerte Erträge werden in diesem Jahr auf Grünland nicht mehr erwartet“, berichtet Georg Jung, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Siegen-Wittgenstein.

Wittgenstein: Die Reserven reichen nicht mehr lange

„Bei den Nebenerwerbsbetrieben ist der erste Schnitt immer entscheidend und der ist zum Glück noch gut ausgefallen, so dass wir erstmal genug Futter als Reserve anlegen konnten“, sagt Höse. Es seien auch noch Futterreserven aus dem vergangenem Jahr da, die jetzt aber schon zu gefüttert werden müssen, weil die vertrockneten Gräser auf den Feldern nicht reichen, um die Tiere vernünftig zu ernähren. „2021 war ein nasses Jahr. Das ermöglichte es den Landwirten in Wittgenstein, Futterreserven aufzubauen“, so Jung. „Diese Reserven werden nun in diesem viel zu trockenen und heißen Sommer dringend benötigt. Teils werden die Tiere schon seit Monaten auf den trocknen Weiden oder im Stall zugefüttert.“

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    „2021 war ein relativ gutes Jahr für uns“, bestätigt Höse. „Von den dort anlegten Reserven leben wir jetzt.“ Und mit dem guten ersten Schnitt aus diesem Jahr reicht das Futter voraussichtlich bis in den Winter. Aber was passiert danach? Wird es dann eng mit der Versorgung der Tiere? „Wir könnten mit unseren Reserven jetzt bis ins nächste Jahr hinein füttern. Aber ich kenne einige regionale Kollegen, da könnte das Futter über den Winter wirklich knapp werden, weil wir nicht damit gerechnet haben, dass wir so früh im Jahr schon beifüttern müsse“, sagt Höse. „Wir persönlich haben das vorher so noch nie gehabt, dass wir bereits Ende August draußen auf den Feldern zufüttern.“

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    Um die Tiere weiter versorgen zu können, musste in den letzten Jahren für viel Geld große Mengen Grundfuttermittelwie Heu, Gras- oder Mais aus Bayern oder dem Ausland zugekauft werden. „Denn die Futterreserven waren häufig schon im Winter aufgebraucht“, berichtet Jung. Die eigentlich für den Winter vorgesehenen Vorräte aus dem vergangenem Jahr werden jetzt schon für die Tiere auf den Weiden verteilt, weil wegen der Dürre einfach nicht genügend Gras für die Tiere auf den Feldern vorhanden ist. „Das ist alles verbrannt und kein grüner Aufwuchs ist mehr da“, schildert der Landwirt. „Da kann jeder glücklich sein, der in dieser Extremsituation noch Reserven aus dem letzten Jahr übrig hat und diese nun verfüttern kann. Denn alle anderen müssen bald für teures Geld von außerhalb zukaufen.“

    Wittgenstein: Die Nachfrage nach Futtermitteln steigt

    Die hauptberuflichen Landwirte würden immer mit drei Schnitten rechnen und da werde es sehr bald „absolut eng“. „Ich denke, dass da einiges an Zukauf getätigt werden muss“, erklärt Höse. Aktuell sei auf dem Markt noch Futter zu bekommen, aber die Kosten dafür haben sich durch die andauernde Inflation und den damit verbundenen massiven Preissteigerungen in allen Bereichen mehr als verdoppelt. „Das wird jetzt jede Woche immer teuer werden, da die vielen Landwirte europaweit wegen der anhaltenden Trockenheit darauf angewiesen sind, sodass es dann im Winter noch sehr viel mehr kosten wird“, befürchtet Höse.

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    Die Nachfrage nach Futtermitteln explodiere gerade regelrecht, da die Dürre ein globales Problem sei. „Momentan ist es auch nicht immer so leicht, an das dringend benötige Futter dran zu kommen, denn die Lieferketten sind nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch nicht wieder aufgebaut und die Preise gehen durch die Decke.“ Es habe auch schon vor 2021 drei sehr trockene Jahre gegeben, weswegen endliche Landwirte große Mengen Futter zukaufen mussten, aber durch die jetzige Kostensteigerung treffe das die ohnehin schon unter der Inflation leidende Landwirtschaft noch mal besonders hart.

    Wittgenstein: Die Konsequenzen für die lokale Landwirtschaft

    In den vergangenen Jahren sei aufgrund der mangelnden Futterreserven auch in Wittgenstein bereits viel Vieh abgestockt worden. „Der Zukauf verteuerte die Fütterung so stark, dass die Viehbestände in den vergangenen Jahren verstärkt durch Schlachtung oder Verkauf reduziert wurden“, so Georg Jung. Jost Höse bestätigt: „Die lokalen Landwirte haben beispielsweise Kühe aussortiert, die von ihrem Alter her nicht mehr passten, um ihre Betriebe zu verkleinern.“ Das habe sich für sie bezahlt gemacht. Denn, wenn nicht so viele Tiere da sind, braucht man auch nicht so eine große Menge an Futtermitteln hinzukaufen. Dementsprechend sei bei einigen Landwirten im Altkreis auch Futter übrig geblieben.

    Kühe von Landwirt Jost Höse auf seinen Feldern in Sassenhausen 
    Kühe von Landwirt Jost Höse auf seinen Feldern in Sassenhausen  © Verena Schlüter | Verena Schlüter

    Höse geht daher davon aus, dass es auch in diesem Winter bei vielen Betrieben zu einer Reduzierung der Tierzahlen kommen wird. Auch Jung vermutet, dass ein weiterer Viehrückgang je Hektar Futterfläche in Wittgenstein die Folge sein könnte.

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    Gräser der Zukunft

    Und auch in Zukunft wird es wahrscheinlich eher noch wärmer. Wie kann die Landwirtschaft da zukünftig rentable bleiben? „Die landwirtschaftlichen Betriebe in Wittgenstein müssen sich umstellen“, betont Höse. Inzwischen setze sich die Erkenntnis durch, dass trockene Jahre nicht die Ausnahme bleiben, sondern in der betrieblichen Planung fest berücksichtigt werden müssen, so Jung. Es gibt unter anderem die Möglichkeit, andere hitzeresistentere Arten von Gräsern einzusäen. „Viele regionale Landwirte sind da gerade am Ausprobieren und Experimentieren“, berichtet Höse. Gräser mit Zukunft könnten beispielsweise Luzerne oder Knaulgras sein.

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    Auch Mais könnte künftig zu einer immer wichtigeren Anbaupflanze werden, da dieser mit Trockenheit sehr gut zurecht komme und eine gute Nahrungsgrundlage bilde. „Mais ist sehr energiereich und macht die Tiere auf jeden Fall satt“, erklärt Jost Höse. Die damalige Temperatur- und Wetterlage in Wittgenstein sei eher schädlich für den Maisanbau gewesen. Aber durch die klimatischen Veränderungen ist der Altkreis dafür nun besser geeignet. Neue Arten anzupflanzen sei aber immer mit einem gewissen Risiko verbunden und ganz ohne Wasser – wie im Moment der Fall – funktioniere es mit diesen Pflanzen dann auch nicht, gibt der Landwirt zu bedenken.

    Ein anderer Lösungsansatz wäre es, die eigenen Flächen ausweiten, damit den Tieren mehr Felder zum Grasen zur Verfügung stehen und größere Ernte-Mengen eingefahren werden können, um Reserven anzulegen. Das sei aber immer eine Herausforderung. Denn: „Es ist kaum noch an Fläche zu kommen. Die Konkurrenz ist sehr groß und die Pachtpreise gehen momentan auch durch die Decke“, berichtet Höse.

    Die Felder mit Mineraldünger wie Mist, Jauche oder Gülle aufzupäppeln, mache während der Trockenheit nur wenig Sinn, da weder Boden noch Pflanze diese aufnehmen können. „Die Landwirte hoffen daher auf einen feuchten Herbst, der das vertrocknete Grünland wieder zum Wachsen bringt“, weiß Jung.