Wittgenstein. Der Krieg in der Ukraine bringt viele Landwirte in eine schwierige wirtschaftliche Lage. Kreislandwirt Lothar Menn erklärt warum.

Der Krieg in der Ukraine bringt aktuell auch viele Landwirte in eine schwierige wirtschaftliche Lage. Die Preise für Futter, Sprit und die weitere Verarbeitung ihrer Produkte explodieren geradezu. „Der Kostenanstieg macht sich ganz gewaltig bei uns Landwirten bemerkbar“, erklärt Lothar Menn, Kreislandwirt aus Erndtebrück. Die Kostensteigerung betreffe alle Bereiche. Aber gerade beim Futter sei es enorm. „Die Futterpreise gehen durch die Decke und variieren täglich aber man kann durchaus sagen, dass die Kosten bis zu 80 Prozent gestiegen sind“, sagt Menn. Das Problem: Es besteht ein immenser Mangel, da ein Großteil des hier verwendeten Futtermittels aus der Ukraine komme.

Landwirtschaft im Dilemma

Besonders Bio-Landwirte stellt das vor Herausforderungen, denn sie seien die Hauptbezieher von ukrainischen Tierfutter. „Aktuell ist es unheimlich schwierig, überhaupt noch an Bio-Futtermittel dranzukommen“, berichtet Menn. Die Lieferketten seien seit Kriegsbeginn zusammengebrochen. Das bringe die Landwirte in eine schwere Situation, denn um ihre Tiere richtig zu versorgen, sei es schon problematisch, wenn nur wenig Futter fehle.

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Aber nicht nur Bio-Landwirte sind betroffen: Die konventionelle Landwirtschaft beziehe zwar nicht ganz so viel Futter aus der Ukraine, aber: „Die Dieselpreise tun uns konventionellen Betrieben genauso weh“, betont Menn. Die hohen Spritpreise belasten die gesamte Landwirtschaft. Gerade jetzt, wo die Felder bestellt werden müssen und die Traktoren im Dauereinsatz sind. Auch die Grassamen, die nun nachgesät werden, seien richtig teuer geworden.

Kaum noch Düngungsmittel

Aber was tun, wenn die Tiere nicht mehr versorgen werden können, weil es kein Futter mehr gibt? „Dann können wir eigentlich nur noch schauen, was wir an eigenem Futter habe und das sieht hier in Wittgenstein ganz schlecht aus, weil wir keinen Ackerbau mehr betreiben und kaum noch Getreide selber anbauen“, erzählt Menn. In Deutschland sei aktuell nicht genug selbstangebautes Futtermittel vorhanden, um den Eigenbedarf bundesweit zu decken. Wie es weitergeht, sei ungewiss. Natürlich gebe es das dringend benötigte Futtermittel auch an anderen Standorten als der Ukraine, aber dann müssten die Einkaufsströme umgeleitet und die etablierten Lieferketten umgestellt werden. Das würde alles sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und den aktuellen Mangel zeitnah nicht verringern. Eine andere Möglichkeit wäre es die Anzahl der Tiere auf den Höfen zu verringern.

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Für konventionelle Landwirte wie Menn gebe es auch kaum noch Düngungsmittel am Markt. „Wir bekommen einfach keinen Dünger mehr und wenn geringe Mengen Verfügung sind, haben sich die Preise wegen der hohen Nachfrage verdoppelt.“ Das habe wiederum zu Folge, dass noch weniger Grundfutter in Deutschland produziert werde, „weil wir die Acker nicht bewirtschaftet können“.

Zukunftsängste

Die Landwirte bereiten die Diesel- und Futtermittelpreisemomentan am meisten Sorgen. Aber auch die Unsicherheit darüber wie es wie es weitergeht und was sie in Zukunft noch für ihre Produkt bekomme, bringe viele an ihre Belastungsgrenzen. Denn wegen der Inflation in allen Bereichen käme bei den Landwirten zwar für ihre Produkte wie Milch, Fleisch und Eier ein wenig mehr Geld an. Das sei aber nicht genug, um die gestiegenen Betriebskosten zu decken. Denn die einzelnen Schritte der Weiterverarbeitung ihrer Erzeugnisse und das Verpackungsmaterial sei sehr viel kostenintensiver geworden.

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Und die entsprechenden Dienstleister geben ihre Kosten weiter. „Entweder sie bekommen das Geld vom Handel oder wenn sie es dort nicht bekommen, nehmen sie es von uns und dann haben wir am Ende weniger“, erklärt Menn. Dann reiche das Einkommen der Landwirte nicht mehr aus, um die Kosten weitertragen können. „Wir haben ja vorher ja schon kaum Geld verdient und wenn durch die Kostensteigerung nicht auch ein bisschen mehr Geld bei uns ankommen würde, wären wir Landwirte in kürzester Zeit weg vom Fenster.“

Weitere Auswirkungen des Krieges

Nach Menn könne es in der momentanen Situation helfen, wenn Landwirte brache Flächen, die bisher für den Insektenschutzes laut EU-Gesetz nicht bewirtschaftet werden durften, wieder zum Futtermittelanbau nutzen könnten. Er sei zwar für mehr Klima- und Insektenschutz, man müsse nun aber einen Spagat schaffen. Denn Menn befürchtet weitere Auswirkungen: „Der Deutsche wird nicht hungern, dafür haben wir zu viel Geld. Wenn wir die Nahrungsmittel hier nicht erzeugen, von irgendwo bekommen wir die her.“

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Aber die Ukraine und Russland exportieren mehr als 60 Prozent ihres Getreides nach Nordafrika, so Menn. Er geht davon aus, dass wenn die Menschen in Nordafrika wegen des Kriegs anfangen zu hungern, es durchaus zu einer neuen Flüchtlingswelle nach Europa kommen könnte. Dem könne praktisch nur über die Preise gegengesteuert werden. Die Landwirte müssten sehen, wo sie bleiben und wie sie die Bevölkerung weiter ernähren können. Menn wünscht sich von der Gesellschaft mehr Akzeptanz für seine Arbeit und die Kostensteigerung.

Um weitere Kosten bei der Energiegewinnung einzusparen und die Energiewende voranzutreiben, sieht er großes Potenzial in Biogasanlagen, die Gülle zu Strom umwandeln. Menn sieht darin für die Zukunft eine gute Alternative, um auch unabhängiger von der Energieversorgung aus anderen Ländern zu werden.