Bad Berleburg. Der Wisentverein hat jetzt zwei mögliche Lösungen für den Rechtsstreit mit Waldbauern skizziert. Das sagt Rechtsanwalt Hans-Jürgen Thies dazu.

Die Frist ist am vergangenen Freitagabend abgelaufen. Nun liegen die Instrumente auf dem Tisch, mit denen der fast ein Jahrzehnt schwelende Streit um die Wisente am Rothaargebirge beendet werden könnte. Der Trägerverein hat zwei Szenarien benannt – und die Waldbauern haben zwei Vollstreckungsmöglichkeiten.

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Während sich der Trägerverein zugeknöpft gibt, ist der Rechtsanwalt des klagenden Waldbauern Georg Feldmann-Schütte, Hans-Jürgen Thies, umso offener: „Ich hatte das Antwortschreiben am Freitagabend bekommen“, sagt der Rechtsanwalt aus Soest und spricht darüber, dass es zwei Szenarien gebe, mit denen der Trägerverein die rechtsgültige Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm umsetzen könne. Das hatte im Juni 2021 geurteilt, dass die frei umherstreifenden Wildrinder die Grundstücke des Georg Feldmann-Schütte aus Oberkirchen nicht mehr betreten dürfen. Und bei Hubertus Dohle dürfen sie die Buchen nicht weiter schälen.

Hans-Jürgen Thies, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Soest ist Rechtsanwalt und Vizepräsident des LJV NRW.
Hans-Jürgen Thies, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Soest ist Rechtsanwalt und Vizepräsident des LJV NRW. © WP | Büro Thies

„Der Trägerverein hat wie gewünscht, innerhalb der gesetzten Frist, den gegnerischen Anwälten die möglichen Maßnahmen zur Umsetzung der OLG Hamm-Urteile dargelegt und gleichzeitig angeboten, die konkrete Umsetzung möglicher Optionen in einem gemeinsame Gespräch zu erörtern. Der gute Stil gebietet es, erst dieses Gespräch zu führen und dann entsprechend die Öffentlichkeit zu informieren“, antwortet der Pressesprecher des Wisentvereins, Dr. Michael Emmrich, auf die Anfrage dieser Zeitung.

Gesprächsbereitschaft

Das Gesprächsangebot nimmt Thies gerne an und skizziert auch, worüber der man sprechend werde: Der Trägerverein des Wisentprojektes habe in seinem Schreiben angeboten, die rund 25 Wisente aus der frei umherstreifenden Herde mit einer Lenkungsfütterung anzulocken, dann zu betäuben und sie dann in ein noch zu errichtendes, großes Gatter zu bringen. Eine zweite Möglichkeit wäre die „letale Entnahme“ – also die Tötung der Tiere. Diese aber habe der Kreis Siegen-Wittgenstein nicht genehmigt. Die Recherche dieser Zeitung ergab, dass die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in ihrem 2021 vorgestellten Gutachten die „letale Entnahme“ als ein mögliches Szenario vorgestellt hatte und sich alle am Projekt beteiligten Parteien – Gegner wie Befürworter – schon damals gegen eine Tötung der Wildrinder ausgesprochen hatten.

Von einer dritten Möglichkeit, die Thies selbst skizziert, stehe in dem Schreiben des Trägervereins nichts: „Seit Jahrhunderten wissen die Landwirte im Sauerland, Siegerland und Wittgenstein, wie man Rinder in den Wald treibt und hütet“. Thies beruft sich auf die Wisentranger, die die Herde beaufsichtigen könnten und dass die Tiere besendert werden müssten. Die Wisenthirten könnten die Tier dann von Grundstücken vertreiben. „Ich bin dafür nur höhnisch ausgelacht worden“, sagt Thies und weiß, dass dieser Vorschlag mindestens einen Drei-Schicht-Betrieb erfordert und die Hirten bei Wind und Wetter draußen wären.

Achtung Wisente: Schild auf der Strecke zwischen Hoheleye und Albrechtsplatz
Achtung Wisente: Schild auf der Strecke zwischen Hoheleye und Albrechtsplatz © Jutta Klute | Jutta Klute

Es bleibt also bei einem großen Gatter oder aber einer weiteren, auch von Hans-Jürgen Thies genannten Möglichkeit, die Tiere nach dem Einfangen und Betäuben in eines der zahlreichen Wisentgehege in Deutschland zu bringen. „Das ist nicht ganz einfach“, weiß Thies, der auch Vizepräsident des Landesjagdverbandes NRW ist. Deswegen möchte er auch Gespräche über Zeitraum und Methoden mit dem Trägerverein führen. Allerdings treibt den Rechtsanwalt auch eine Sorge um: „Ich bin seit 35 Jahren Anwalt“, sagt Thies, aber einen Gegner, „der so auf Zeitspiel setzt, habe ich noch nicht erlebt. Zwei Mal sind sie in Berufung gegangen, zwei Mal in Revision.“ Deswegen gibt Thies auch eine klare Richtung vor: „Ich werde die Hinhaltetaktik nicht mehr akzeptieren und verlange klare, verbindliche Zusagen.“

Teure Rechtsmittel

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, erläutert er auch die möglichen „Vollstreckungsrechte“, mit denen seine Mandantschaft ihr Recht durchsetzen könnte: Als erstes nennt er Zwangsgelder und Beugemaßnahmen. „Da könnten wir 250.000 Euro Zwangsgeld bei jeder Zuwiderhandlung einsetzen“, so Thies. Etwas komplizierter wäre die zweite, noch teurere Variante der „Ersatzvornahme“. So könnten die Waldbauern beispielsweise Zäune um ihre Grundstücke bauen lassen. Weil man aber nicht auf den Kosten sitzenbleiben wolle, müsste man beim OLG Hamm die Eintreibung eines Kostenvorschusses in Höhe von ein bis zwei Millionen Euro fordern. Thies weiß aber, dass diese Ersatzvornahmen auch rechtlich angegriffen werden können, tendiert daher zu den Zwangsgeldern.

Und um dem Ganzen weiteren Nachdruck zu verleihen, berichtet der Rechtsanwalt, dass nun auch drei Verfahren von Waldbauern aus dem Kreis Olpe gegen den Wisentverein am Landgericht Arnsberg wieder aufgenommen werden. „Die ruhten bislang. Vor drei Wochen habe ich aber den Antrag auf Wiederaufnahme gestellt“, so Thies. Er ist zuversichtlich, dass die Urteile des OLG Hamm in diesen Fälle als Präzedenzfall dienen werden.

Auch für Georg Feldmann-Schütte aus Oberkirchen kommt es jetzt nicht auf ein paar Wochen oder Monate an, wenn nur eine Lösung kommt: „Die Herde streift jetzt wieder hier herum. Sie war lange in Schanze, auf der Almert und lief jetzt über die zwischen Oberkirchen und dem Albrechtsplatz wegen Bauarbeiten gesperrte Bundesstraße.“