Womelsdorf. Alfred und Jan Vomhof wünschen sich mehr Sicherheit und Ruhe. Die Bahnlinie vor ihrem Haus ist eine echte Zumutung - die Nerven liegen blank

Das Haus der Familie Vomhof liegt idyllisch zwischen Feldern in Womelsdorf. Doch es gibt ein Problem: der kleine technisch ungesicherte Bahnübergang „Zum Auerain“ in direkter Nähe zum Wohnhaus. Die Schienen verlaufen vor dem Grundstück der Vomhofs. Für die Bewohner ist der Bahnübergang ein echter Gefahrenherd und der Lärm des Zuges kaum erträglich. Wie könnte die Situation für die Anwohner verbessert werden? Und was halten sie von den Modernisierungsplänen der Deutsche Bahn (DB) für Wittgenstein?

Wie gefährlich technisch ungesicherte Bahnübergänge werden können, zeigte erst vor kurzem ein Unfall, der an einem Übergang in Freudigen passierte. Dabei erfasste die Obere Lahntalbahn (RB 94) den Kleinwagen eines 18-jährigen Fahranfängers.

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Die Streckengeschwindigkeit in Womelsdorf ist auf 60 km/h begrenzt. Trotzdem sei es auch dort schon zu gefährlichen Situationen gekommen, berichtet Anwohner Alfred Vomhof. Denn an das Tempolimit würden sich nicht alle Zugfahrer halten. So werde versucht, bei Verspätungen Zeit rauszuholen. Das erhöhe die Gefahr an dem Bahnübergang, da es dann für die Autofahrer schwer abzuschätzen sei, wann der fahrende Zug den Übergang kreuzt. „Vor einigen Jahren hatten wir hier mal eine Verkehrszählung, währenddessen ein Zug eine Vollbremsung hinlegen musste, weil ein Autofahrer den Zug nicht bemerkt hatte“, erzählt Alfred Vomhof.

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FamilieVomhof Bahnserie Berleburg Erlenweg 1 © WP BAd Berleburg | Created with Datawrapper

Womelsdorf: Die Gefahren am Bahnübergang

An dem Bahnübergang habe es aber auch schon richtig „gerappelt“. So sei vor kurzem erst eine Kuh, die sich auf die Gleise verirrt hatte, vom Zug erfasst worden. „An unserem Bahnübergang ist jeden Monat zwei- bis dreimal richtig was los mit Notbremsungen und allem Drum und Dran, aber anstatt einer Kuh könnte dort beim nächsten Mal auch ein Mensch vor einen Zug geraten“, warnt Vomhof. Er und sein Sohn Jan Vomhof bekommen häufig mit, dass Zugführer unkonzentriert seien. „Viele sind mit einer Hand an der Hupe und mit der anderen an ihren Smartphones.“

Jan Vomhof arbeitet bei den Erndtebrücker Eisenwerken, deren Firmengelände nur über einen Bahnübergang erreichbar ist. „Wenn wir Feierabend machen, habe ich es schon mehr als einmal erlebt, dass einer ein bisschen zu weit vorne an den Schienen stand und der Zug langsam angerollt kam. Der muss dann gezwungenermaßen anhalten, bis sich die Situation klärt.“ Das sei immer sehr chaotisch und könne auch gefährlich werden.

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Um andere Verkehrsteilnehmer auf sich aufmerksam zu machen, hupe der Zug sowohl in Erndtebrück als auch in Womelsdorf dauerhaft. „Die Züge müssen jedes Mal pfeifen und hupen, weil die Bahnübergänge nicht ausreichend mit Schranken gesichert sind. Das macht unsere Nerven als direkte Anwohner kaputt“, klagt Vomhof. „Man sitzt im Garten und der Zug ist noch nicht richtig zu sehen, aber die Hupe ist schon lautstark zu hören.“

An dem Wohnhaus der Familie hupen die Züge in Dauerschleife: „Zweimal beim Heranfahren und wenn ein Pkw an dem Übergang steht, dürfen die noch ein drittes Ma hupen.“ Darüber hinaus sei an dem Übergang vor ihrem Haus zweimal ein „P“angebracht, was bedeutet, dass der Zug hier außerdem Pfeifen darf. Das andauernde Hupen und Pfeifen sei kaum zu ertragen. „Da wird man irre im Kopf. Das ist ein echter Störfaktor für unsere ganze Familie.“ Man merke auch, welcher Zugführer gerade im Dienst sei: „Manch ein Fahrer hupt so laut, das ist nicht zu rechtfertigen.“ Der Zug terrorisiere so ganz Wittgenstein, beklagt Vomhof. „Das zerrt einfach an den Nerven, wenn permanent und unverhältnismäßig gehupt wird.“

Womelsdorf: Mögliche Lösungen zur Sicherung

Mit einer Schrankenanlage könnte diese Lärmbelästigung für die Anwohner reduziert werden. „Aber die Deutsche Bahn sagt, da fahren nicht so viele Autos drüber, deshalb brauche es an dieser Stelle keine Sicherung“, schildert Vomhof. Doch der Bahnübergang werde massiv für den landwirtschaftlicher Betrieb genutzt, besonders zur Erntezeit. „Die Landwirte mit ihren schweren Geräten müssen die Schienen immer wieder kreuzen.“ An dem Übergang seien zwar ganze vier Andreaskreuze angebracht, aber Schranken wäre für die Familie deutlich effizienter, um mehr Sicherheit für die Anlieger zu schaffen. Für Vomhof könnten beide Seiten von einer technischen Sicherung profitieren: „Wenn man hier den Übergang ausreichend sichern würde, ist auch der Zugführer abgesichert und muss nicht mehr auf jeden Idioten aufpassen, der den Übergang kreuzen möchte.“

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Erst im Januar sei der Streckenabschnitt in Womelsdorf erneuert worden, aber eine technische Sicherung wurde dabei nicht eingerichtet. Im Gegenteil: „Die Deutsche Bahn hat vorhandene Sicherungen entlang der Gleise, die dafür gesorgt haben, dass niemand auf die Strecke gelangen konnte, über Jahre nach und nach abgebaut.“

Womelsdorf: Die Sicherheit der Anwohner

Jan Vomhof hat vier Kinder. Auch um deren Sicherheit sorgt sich der Vater. „Ich wohne extra auf dem Land, damit sich meine Kinder auf unserem Grundstück frei bewegen können, ohne Angst zu haben.“ Und er sei nicht der einzige Familienvater, dem die offenen Gleise Sorgen bereite. In dem Wohngebiet wohnen viele Familien mit Kindern. Wenn die am Bahnübergang spielen, kann das schnell gefährlich werden. „Dem könnte vorgebeugt werden, indem man die Schienen ausreichend vor dem Betreten sichert. Wenn an dem Übergang etwa eine Schranke anbracht werden würde, wären die Kinder rechtzeitig vorgewarnt, dass sich ein Zug nähert“, sagt Vomhof.

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Er ist gerade dabei, in das Haus seiner Eltern einzuziehen und ist selbst an den Gleisen groß geworden. „Ich bin hier aufgewachsen, früher hatten wir hier noch eine Haltestelle mit Bahnsteig. Da sind die Züge noch wesentlich langsamer vorbei gefahren und es wurde nicht so penetrant gehupt. Die Zugfahrer haben nur kurze Warnsignale gegeben, wenn sie vor dem Übergang waren, aber da die Züge relativ langsam gefahren sind, konnten sich die Autofahrer auch recht gut auf den sich nähernd Zug vorbereiten“, erzählt Vomhof. Es habe aber nicht lange gedauert, da wurde aus der festen Haltestelle vor ihrer Haustür ein Bedarfshaltepunkt, der kurze Zeit später komplett geschlossen wurde. Die Haltestelle habe aber zur Sicherheit beigetragen. Daher würden die Anwohner eine erneute Einrichtung begrüßen.

Womelsdorf: Die Modernisierung stößt auf Ablehnung

„Man kann den Leuten ja anbieten, den Bahnübergang zu schließen, aber dann muss auch für eine vernünftige Alternativanbindung gesorgt werden“, betont Vomhof. Den Sinn der Modernisierung stellt die Familie in Frage: „Wenn sie eine Direktverbindung von Siegen nach Marburg einrichten wollen, soll die Bahn dafür nach einer sinnvolleren Route suchen, als aufwendig eine ländliche, kaum genutzte Strecke zu modernisieren. Das ist absoluter Humbug. Das Geld, das sie jetzt für die Strecke ausgeben wollen und schon für vorherige Infrastrukturprüfungen ausgeben haben, wäre besser in die Aufbereitung und Sicherung der vielen kleinen Bahnübergänge angelegt.“

Das würde allen Beteiligten mehr Sicherheit bringen und die Lärmbelästigung durch das Hupen endlich stoppen. So ein Projekt habe nach ihnen keine Zukunft in Wittgenstein: „Wenn das wirklich so realisiert wird, ist das eine Totgeburt.“ Für die Anwohner mache die Modernisierung das fahren mit dem Zug im Altkreis nicht attraktiver. „Das ist reine Geldverschwendung ohne erkennbaren Nutzen.“

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Dieser ganze Aufwand lohne sich für die kaum ausgelastete Zug Linie nicht. „Die Menschen, die tagsüber diesen Zug nutzen, kann man an einer Hand abzählen, ich glaube nicht, dass sich daran durch die Modernisierung der Strecke etwas ändern wird“, so Vomhof. „So oft wie die hupen, so viele Leute fahren meistens den ganzen Tag gar nicht mit. Das steht alles in keinem Verhältnis zueinander.“ Die letzten Züge seien fast immer leer: „Ab 20 Uhr sitzt kaum noch ein Mensch in dem Zug und trotzdem hupen die Züge bis in die Nacht hinein halb Wittgenstein zusammen.“

Das Grundstück der Familie Vomhof: Hohe Mehrkosten und Enteignung

Nach Auffassung der Anwohner müsse auch bedacht werden, was die Familie schon alles zum Lärm- und Schallschutz in ihr Haus investiert habe, nur um es dort auszuhalten. Und die Förderungen seien „ein Witz“. So werde der Arbeitslohn für die Handwerker nicht mitgefördert. „Das kann nicht angehen, dass wir ein Vermögen ausgeben müssen, damit wir unsere Häuser halbwegs schallgeschützt kriegen, nur weil wir entlang einer Bahnlinie wohnen“, sagt Alfred Vomhof.

Auf dem Grundstück der Familie befindet sich eine große Wiese, auf der sie einen Anbau für ihr Haus geplant hatten. Allerdings verbietet die Deutsche Bahn den Eigentümern, quer über ihr eigenes Grundstück zu bauen. „Wir haben ein Bebauungsverbot. Wir dürfen nicht mal einen Baum pflanzen geschweige denn ein Haus auf diesen Teil unseres Grundstücks errichten. Das ist wie eine stille klammheimliche Enteignung“, berichten die Anwohner. Die Rechtfertigung: Die Einsicht auf den Bahnübergang für die anderen Verkehrsteilnehmer wäre dann nicht mehr gegeben.

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Allerdings habe man von ihrem Grundstück aus tatsächlich keine freie Sicht auf den Übergang, weil es an einer Böschung liegt, argumentieren die Anlieger. Einen Pkw, der gegeben falls von oben komme, sehe der Zugführer in Womelsdorf erst, wenn er mehr oder weniger schon auf der Kreuzung steht. Vorher sei es aufgrund der hohen Böschung unmöglich, an dieser Stelle ein Auto sehen. „Und uns wird dafür aber kein kleiner Teil unseres Grundstückes weggenommen. Das ist eine absolute Frechheit.“

Auch der Grünstreifen direkt an der Bahnstrecke selbst wachse mitunter so hoch, dass man die Schienen gar nicht mehr sehe und auch keine Einsicht in den Straßenverkehr möglich sei. Und um das Mähen der Wiese kümmere sich die Bahn nicht, meistens seien es die Nachbarn, die selbst Hand anlegen, wenn das Gras wieder zu hoch geworden ist.

Wittgenstein: Besser auf Busverkehr setzen

Familie Vomhof sieht keinen Sinn in einer unzuverlässigen Zugverbindung. „Die Bahn ist nützlich, das will ich gar nicht verneinen. Gerade für die Bevölkerung auf dem Land ist sie aber völlig unattraktiv, das ist eine Tatsache. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind so getaktet, dass sie für einen normalen Arbeitnehmer in Wittgenstein nur wenig ansprechend sind“, findet Jan Vomhof. Denn auf ein Verkehrsmittel mit regelmäßigen Verspätungen und Verzögerungen könne sich kein Mensch verlassen. Das sei absolut nicht nutzerfreundlich. „Ich bin kein Gegner von öffentlichen Verkehrsmitteln und würde gerne mehr Bus und Bahn fahren, aber so wie es jetzt ist, macht das für mich einfach keinen Sinn.“

Vomhof sieht das große Problem bei der Verkehrswende darin, dass sie von Menschen geplant werde, die „keine Ahnung davon haben“, was es auf dem Land brauche. „Ich habe volles Verständnis, dass Politiker regieren und sagen, wir müssen was tun, weil unsere Straßen zu voll sind. Aber dann wundern sie sich hinterher, dass sie Tarife erhöhen müssen, weil sie eine sinnlose Strecke mit viel Geld saniert haben, die mit großer Sicherheit in keiner Weise so genutzt wird, wie sie sich das vorgestellt haben. Das bringt doch so nichts.“

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Wenn man das Angebot in Wittgenstein wirklich effizienter ausbauen wolle, wären Rufbusse für ihn die bessere Alternative für die Zukunft des ÖPVN in ländlichen Umgebungen. Seiner Ansicht nach könnte das im ländlichen Raum entscheidend zur Verkehrswende beitragen. „Denn die Zugstrecken hier sind einfach eine Katastrophe, weil das Schienennetz bei uns einfach unpraktisch ist.“ Die Bahn sei seiner Meinung nach in Wittgenstein nicht für den Personentransport geeignet, sondern lediglich für den Güterverkehr. Vomhof hält es daher für sinnvoller, Busanbindungen auszubauen. Das sei leichter und kostengünstiger umzusetzen. Wenn es vernünftige Busverbindungen gebe, würden mehr Leute auf ihr Auto verzichten, ist er überzeugt.