Wittgenstein. Die Strecke der Oberen Lahntalbahn wird aufbereitet Das birgt Hürden - aber auch Chancen. Darauf müssen sich die Wittgensteiner einstellen.
Die eingleisige Bahnstrecke besteht schon lange und geriet immer mehr in Vergessenheit. Doch nun soll die Obere Lahntalbahn von Siegen nach Marburg, die über Erndtebrück und Bad Laasphe führt, modernisiert werden. Dafür unterzeichneten Vertreter aus beiden Regionen einen Kooperationsvertrag. Mit seiner Hilfe werde überprüft, wie man die Zugverbindung in Zukunft schneller und attraktiver gestalten kann.
Als erstes muss dafür eine Betriebs- und Infrastrukturstudie gemacht werden. Dabei berücksichtigt werde unter anderem der Bedarf an Haltestellen und die passenden Rahmenbedienungen für den Güterverkehr mit Holz. Mit den ersten Ergebnissen könne voraussichtlich 2023 gerechnet werden.
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Wittgenstein: Die Herausforderungen und Umsetzung
Es sei nicht immer einfach, grenzübergreifend im ÖPNV zu arbeiten, so Landrat Andreas Müller. Für solch ein Projekt brauchte es viele, die zusammenwirkten. Der Landrat verfolgt gemeinsam mit dem Kreisbeigeordneten des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Marian Zachow, ein Ziel: Zwischen Marburg und Siegen soll eine Direktverbindung im Stundentakt etabliert werden. Die führt über Wittgenstein, wenn möglich an sieben Tage in der Woche.
Das aber sei ein kompliziertes Unterfangen, denn bis jetzt gebe es zur Markterprobung nur samstags bereits solch eine Verbindung. „Dafür haben wir bereits viel positives Feedback sowohl von Pendlern als auch Touristen bekommen“, berichtet Müller. Die Nutzerzahlen seien allerdings aufgrund von Corona erwartungsgemäß aktuell noch relativ gering. Daher bleibe abzuwarten, wie gut die Wittgensteiner das neue Angebot annehmen.
Der einzige Kritikpunkt sei der Umstieg in Erndtebrück, wenn Gäste nach Bad Berleburg möchten. Dieser Umstand sei aber dem Testbetrieb geschuldet. Denn auf langfristige Sicht ist der Einsatz eines sogenannten Flügelzuges auf der Strecke geplant: „Der Zug teilt sich in Erndtebrück und ein Flügel fährt dann weiter nach Bad Berleburg, der andere Richtung Marburg. Auf dem Rückweg werden die Flügel in Erndtebrück wieder zusammengeführt und fahren gemeinsam nach Siegen“, erklärt Müller. Dadurch sei in beide Richtungen bald kein Umstieg mehr nötig.
Für Wittgenstein sei darüber hinaus klar, dass dort ein neuer Kreuzungsbahnhof gebraucht wird, damit dieser Betriebsablauf eingleisig funktionieren kann. Der genaue Standort müsse aber von der DB Netz AG, die für die Planung der Infrastruktur verantwortlich ist, festgelegt werden. Die Lage hänge mit dem Fahrzeugtypen des künftigen Zuges zusammen, so die DB Netz.
Wittgenstein: Die Zusammenarbeit und Finanzierung
Auch Marian Zachow ist froh darüber, dass nach intensiver Vorarbeit und Beratung durch die Unterzeichnung des Vertrags mit der Untersuchung des Streckenausbaus nun ein weiterer Meilenstein erreicht werde. „Die Lahntalbahn ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen und verbindet unsere Regionen.“ Die Menschen engagierten sich seit Jahren für die Wiederbelebung der Strecke. Zachow begrüßt es, dass dies nun untersucht werde. Denn der Kreisbeigeordnete sieht großes Potenzial sowohl für den Tourismus als auch für den Alltagsverkehr auf der Bahnlinie. „Die Modernisierung der Strecke ist daher ein wichtiger Schritt.“
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Für die Maßnahmen zur Kapazitätserhöhung an der Strecke ist eine Förderung über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung des Landes NRW notwendig. Diese sei für Anpassungen auf der Strecke und der Errichtung eines neuen Kreuzungsbahnhofs zwischen Erndtebrück und Siegen vorgesehen. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) steht dafür bereits mit der DB Netz AG im Austausch. Die Kosten für die Umbaumaßnahmen seien aber noch nicht absehbar.
Großes Projekt für die Wittgensteiner Zukunft
„Es ist uns allen bewusst, dass dieses Projekt ein Langstreckenlauf und kein Sprint ist“, betont der Landrat. Der Umbau und Modernisierung der Bahnstrecke funktioniere nur, wenn man grenzübergreifend ein Ziel verfolge, so Zachow. Beide sind dankbar für die gute und intensive Zusammenarbeit. „Da die Strecke NRW mit Hessen verbindet, halten wir es für absolut geboten, die beiden Uni-Städte durch eine direkte Bahnlinie miteinander zu verknüpfen.“ Müller und Zachow versprechen sich davon einen echten Mehrwert für ihre Regionen, denn der Umweg über Gießen sei für viele Wittgensteiner nicht wirklich praktikabel.
Der Umbau könne zur Verkehrswende betragen. Es soll eine echte Alternative zum Auto entstehen. „Um die Verkehrswende zu schaffen, müssen wir mehr Menschen für die Bahn zu begeistern“, so Zachow. Es bedürfe aber noch viel Arbeit, bis es soweit sei.
Bahnstrecke quer durch Wittgenstein im Umbruch
Die Schiene ist das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs, sowohl im Ballungsraum als auch in ländlicheren Regionen“, sagt RMV-Geschäftsführer Dr. André Kavai. Er sei gespannt, an welchen Orten neue Haltestellen im Laaspher Raum entstehen, um das ausgeweitete Fahrplanangebot näher zu den Menschen zu bringen und welche infrastrukturellen Maßnahmen für den Aufbau einer Direktverbindung im Stundentakt notwendig werden. Bei eingleisigen Strecken sei das besonders herausfordernd.
Im Abschnitt zwischen Bad Laasphe und Erndtebrück sollen vier Stationen modernisiert werden, so Hans-Martin König , Leiter für Infrastruktur der DB Netz AG. Um das Konzept Direktverbindung im Stundentakt auf der kompletten Linie umzusetzen, müsse die Infrastruktur der Strecke aufbereitet werden. „Wer sich hier in der Region auskennt weiß, dass es auf der Strecke zwischen Laasphe und Erndtebrück einen Tunnel gibt“, erinnert König. Der Leimstruther Tunnel ist über 100 Jahre alt und müsse saniert werden.
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Die Kosten dafür werden auch von der Landesförderung als Bestandsinvestition übernommen. Die Baumaßnahmen sind für 2027/28 geplant. Die eingleisige Strecke soll dafür mindestens ein Jahr gesperrt werden. Nach König biete es sich an, wenn die Strecke ohnehin still steht, in diesem Zeitraum auch den Kreuzungsbahnhof zu errichten. Die Bauzeit dafür betrage etwa vier Monate. „Aus unsere Sicht wäre es sehr sinnvoll, die beiden Projekte in Wittgenstein parallel durchzuführen, damit die Strecke nicht ein zweites Mal gesperrt werden muss.“
Im Zuge des neuen Streckenverlaufs soll aber auch Fahrzeit eingespart werden. Der Zug kann 120 Kilometer pro Stunde fahren, diese Geschwindigkeit könne aktuell aber nicht ausgenutzt werden, da es im Bereich Erndtebrück viele kleine Bahnübergänge gäbe. Die Anzahl dieser technisch meist ungesicherten Übergänge soll reduziert werden, um schneller von A nach B zu kommen. Nach König werde die Infrastruktur in vier bis fünf Jahren soweit modernisiert sein, dass die Strecke als Direktverbindung mit Flügelzug genutzt werden kann.