Erndtebrück. Den Bahnübergang direkt vor der Haustür: Betroffene haben unterschiedliche Anliegen und Wünsche. Es gibt Sicherheitsbedenken und Lärm-Beschwerden
Andauerndes Hupen und Pfeifen – die Gleise liegen direkt vor der eigenen Haustür. Entlang der Ederstraße in Erndtebrück reihen sich auf wenigen Metern mehrere kleine technisch ungesicherte Bahnübergänge direkt an der Bundesstraße 62 aneinander. Im Zuge der Modernisierung der „Oberen Lahntalbahn“ und der damit einhergehenden Einrichtung einer Direktverbindung zwischen Siegen und Marburg will die Deutsche Bahn (DB) überprüfen, ob einzelne Bahnübergänge geschlossen werde können oder technisch weiter gesichert werden müssen.
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Aber was halten die Erndtebrücker Anwohner von diesem Plan? „Dass der Zug zukünftig mit Höchstgeschwindigkeit durch Erndtebrück fahren soll, wäre definitiv nicht schön und absolut kein Wunschdenken von uns“, erklärt Anwohner Ingo Roth. Anders sieht das Hartmut Barthel: „Der Zug kann zukünftig von mir aus mit Höchstgeschwindigkeit vor meinem Haus herfahren.“ Er sieht aktuell ein ganz anders Problem auf der Strecke – und zwar die Pünktlichkeit. Die Züge nach Betzdorf hätten fast immer Verspätung und dadurch werde es für die Anwohner mit Bahnübergang unberechenbar, wann sie vorbeifahren.
„Wenn man unachtsam ist, kann es wirklich gefährlich werden“, erzählt Barthel. Er hält daher eine technische Sicherung der Bahnübergänge mit Ampel- oder Schrankenanlagen durchaus für sinnvoll, um die Sicherheit an den Übergängen zu erhöhen.
Erndtebrück: Die Alternative zu den Bahnübergängen
„Wenn die Bahnübergänge an unserer Straße geschlossen werden, sind viele Häuser zunächst von der Bundesstraße abgeschnitten“, erklären die Anwohner. Und dann bräuchte es eine Alternativroute durch das Wohngebiet. Für eine Umgehungsstraße ist aktuell noch nichts erschlossen, was bedeutet, dass dafür eine neue Straße gebaut werden müsste. Eine neue Anbindung hinter den Häusern einzurichten, sei aber schwierig und wegen der Straßenführung eigentlich unmöglich, so Roth.
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Es müsste auch erst einmal mit den Grundstücksbesitzern abstimmt werden, wer für ein solches Vorhaben Land abgeben würde. Die Anwohner halten es für unverhältnismäßig, aufwendig eine kostspielige neue Umgehungsstraße zu schaffen, nur damit der Zug schneller durch Erndtebrück fahren kann.
Erndtebrück: Die Schließung der Bahnübergänge
Eine Reduzierung der Bahnübergänge wäre auch für Landwirt Meier keine Option. Den Übergang an der Zufahrt zu seinem Biohof nutzt er täglich mehrmals mit seinen großen Maschinen. „Was uns die Deutsche Bahn bis jetzt angeboten hat, als das mit der Reduzierung der Übergänge schon mal im Raum stand, ist für mich als Landwirt nicht umsetzbar. Ich kann definitiv nicht mit meinen schweren Maschinen mitten durch das Wohngebiet fahren und das wird es so mit mir auch nicht geben“, erzählt er. Für ihn wäre es das Einfachste, der Bahnübergang unterhalb seines Hofes würde so bleiben wie er aktuell ist. „Ansonsten soll uns die Bahn ein vernünftiges Sicherungskonzept für den Übergang vorstellen, das für mich praktikabel ist.“
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Auch Roth ist froh darüber, dass es bis jetzt zu keiner Schließung von Bahnübergängen gekommen ist: „Wir haben hier schon eine Luxussituation, dadurch dass wir einfach zu jeder Zeit über die Übergänge können und eine direkte Zufahrt zur Hauptstraße haben. Wenn die Übergänge komplett dicht gemacht werden würden, wäre das für uns ein Verlust von Lebensqualität.“ Der Anwohner hofft, dass sich auch zukünftig an seiner Wohnsituation nichts ändert. Hartmut Barthel spricht sich ebenfalls gegen eine Umgehungsstraße aus. Auch er möchte nicht auf seine direkte Verkehrsanbindung an die B 62 verzichten. Schließlich sei seine Familie und das Wohnhaus bereits vor der Bahn an dem Standort in Erndtebrück gewesen.
Erndtebrück: Die Belastung für die Anwohner
„Aber gerne so weiter wie es jetzt ist, hätte ich es auch nicht, die Bahn hat von Siegen kommend so viele Hup- undPfeifschilder angebracht, dass ich als Rentner hier aus dem Bett gehupt werde, wenn um 7. 45 Uhr der erste Zug kommt“, erzählt Barthel. Die Lärmbelästigung sei sehr hoch: „Die von oben kommenden Züge machen einen Höllenlärm.“ Barthel würde sich daher eine Schrankenanlage als Sicherung des Übergangs in Erndtebrück wünschen, damit das Dauerhupen vor seinem Haus endlich ein Ende hat. Eine Lösung, die er sich gut vorstellen kann, um die Übergänge entlang der Strecke vernünftig zu sichern, seien Schranken zum selbst bedienen: „Ich möchte auf einem Knopf drücken und aus meiner Auffahrt rausfahren, wann immer ich das will, solange kein Zug kommt – selbstverständlich.“ Diese Schranken können dann von den Anwohnern selbst betätigt werden, wenn sie einen Übergang überqueren wollen. „Sowas müsste die Bahn machen, aber meinen Bahnübergang hier vor meinem Haus weg zu machen, das geht für mich gar nicht!“
Der Anwohner Detlef Marburger hat eine andere Meinung dazu: „Wir haben hier zwei Übergänge unmittelbar nebeneinander, einen könnten sie schließen und dann den von der Familie Barthel und unseren miteinander verbinden. Für mich wäre das kein Problem, wenn sogar beide Bahnübergänge komplett geschlossen werden würden, ich kann an dem alten Firmengebäude der Eisenwerke herfahren und stehe direkt vor dem nächsten Übergang.“ Doch seine Direktverbindung zur B 62 möchte auch Marburger nur ungern aufgeben. Zur Lärmreduzierung wäre daher auch für ihn die technische Sicherung durch eine Schranke die bessere Option.
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„Der Lärmpegel ist eine Katastrophe und eine wirkliche Belastung für mich und meine Familie“, berichtet Marburger. „Mein Enkelkind erschrickt sich jedes Mal, wenn wir im Garten sitzen und die Zugfahrer wie wild hupen.“ Denn weil sieben Bahnübergänge auf engem Raum aneinandergereiht sind, würde der Zug ab den Erndtebrücker Eisenwerken bis in das Zentrum der Gemeinde durchgehend Hupen. Das sei belastend für die Anwohner. „Das ist ein Störfaktor, der wahrscheinlich wegfallen würde, wenn die Übergänge technisch ausreichend gesichert werden“, gibt auch Roth zu. Damit das klappe, müsse nach ihm aber gewährleistet sein, dass die Taktung und Steuerung der Schranken richtig abgestimmt sind. Für Detlef Marburger wäre eine Schrankenanlage auch ein echter Sicherheitsgewinn, um mögliche Gefahren für seinen Enkel zu minimieren, wenn dieser draußen auf dem Grundstück spielt.
Erndtebrück: Die Sicherheit an den Bahnübergängen
Dass an den vielen ungesicherten Bahnübergängen in Erndtebrück etwas passieren muss, steht für Marburger außer Frage. Die Probleme bestünden immerhin schon mehr als 50 Jahre: „Da hat schon mein Vater dran gerührt, aber da hat sich nie was getan“, erzählt der Anwohner. „Was die Deutsche Bahn da in Erndtebrück mit den ganzen Bahnübergängen gemacht hat, die teilweise nur ein paar Meter auseinanderliegen, ist ziemlich abenteuerlich.“ Denn die vielen Übergänge würden die Gefahr im Straßenverkehr zusätzlich erhöhen. Auch Hartmut Barthel versteht nicht, warum bis heute nichts passiert ist, denn gerade Erndtebrück sei seiner Ansicht nach mit den vielen kleinen Übergängen besonders gefährdet: „Hier besteht schon seit vielen Jahren echter Handlungsbedarf!“ Die beiden Anwohner begrüßen es daher, dass sich in absehbarer Zeit etwas tun soll und es nun eine Perspektive gibt. Die Schließung „ihrer“ Bahnübergange wäre für die Anwohner aber keine zufriedenstellende Lösung.
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Erndtebrück: Die schwierige Verkehrssituation
Angefangen bei dem Übergang „Grünewald“, der als Firmenzufahrt zu den Erndtebrücker Eisenwerke (EEW) fungiert und dem Übergang zu dem ursprünglichen Firmengebäude der EEW, der kurz darauf folgt: Diesen nutzen zehn Anwohner, um auf ihre Wohnstraße zu gelangen. Kurz dahinter kommen dann noch mal zwei Übergänge, die auch als Firmenzufahrten für das Ursprungsgebäude „Werk 1“ dienten. Fährt man weiter in Richtung Erndtebrück, kommt der Bio-Hof von Bauer Meier (Ederstraße 14 a), dessen Zufahrt über den nächsten Übergang führt. Wenige Meter später folgen zwei weitere Übergänge. Die Marburger (Ederstraße 14) und Familien Barthel (Ederstraße 12) habe damit jeweils direkt nebeneinander einen eigenen Bahnübergang vor der Haustür. Der nächste Übergang ist vor dem Wohnhaus der Familie Roth (Ederstraße 2). Diese Zufahrt nutzten auch die Bewohner der acht weiteren Häuser in der Wohnstraße.
Laut den Anwohnern stößt das öffentliche Verkehrsangebot in Wittgenstein gar nicht auf so viel Resonanz, dass sich die Aufbereitung der Strecke wirklich lohnen würde. Der Zug werde nur von wenigen Leuten genutzt. „Die geringe Nachfrage ist der absolute Knackpunkt an dem Vorhaben“, so Roth. Er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass durch die Modernisierung der Strecke auf einmal die Leute umschwenken und plötzlich alle Bahn fahren. „Und dafür werden wir hier durchgehend zusammen gehupt“, ärgert sich Marburger. „Ich weiß auch nicht, ob die einfach nicht merken wollen, dass für diese Strecke kaum Nachfrage besteht. Die Züge fahren weiterhin fast leer in Wittgenstein durch die Weltgeschichte.“ Er hält es für ziemlich weit hergeholt, dass durch die Modernisierung der Strecke das Zugfahren in Wittgenstein zukünftig attraktiver werde. Die Anwohner sind sich nicht sicher, ob hohe Investitionen wirklich sinnvoll sind.
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