Wittgenstein. Unsere Experten erklären, warum die Bedingungen für Windhosen vor Ort gegeben sind – und wie sich Bewohner am besten davor schützen können.
Tornados mit unglaublicher Zerstörungskraft wie neulich in Paderborn und Lippstadt hier bei uns in Wittgenstein? Ist das überhaupt realistisch? Und wie können sich die Bewohnerinnen und Bewohner schützen? Wer hilft im Ernstfall? Die Redaktion hat sich umgehört.
Die Wetter-Bedingungen
Die Wahrscheinlichkeit eines Tornados über flachen Landbereichen wie der Soester Börde oder Ostwestfalen sei „etwas größer als in hügeligem oder bergigem Terrain“ wie dem Wittgensteiner Land, erklärt Julian Pape, der im Internet das „Wetterportal Wittgenstein“ (www.wetter-wittgenstein.de) betreibt. Das hänge damit zusammen, dass die Bildung von Superzellen in Gewittern durch Auf- und Abwinde in bergigem Relief etwas unterdrückt werde. Grundsätzlich aber „hätte die Tornado-Bildung am vergangenen Freitag auch in Wittgenstein passieren können“, sagt Pape.
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Die Feuerwehr
Was aber, wenn es doch einmal passiert und so ein Tornado im Altkreis durch bewohntes Gebiet fegt und großer Sachschaden entsteht, Dachziegel durch die Luft fliegen und massive Bäume auf geparkte Autos stürzen? Einer der ersten Ansprechpartner dann: die Feuerwehr. „Wir reden dann von einem Sturm-Ereignis, bei dem wir uns mit den Folgen beschäftigen müssen“, so Dirk Höbener, Leiter der Feuerwehr in Bad Laasphe. „Wenn wir wissen, es kommen Tornado-Warnungen herein, die verifiziert sind, dann können wir uns entsprechend vorbreiten, was wir nachher tun – dass unsere Leitstelle personell aufgestockt wird zum Beispiel.“ Und die Motorsägen würden ohnehin ständig funktionsbereit gehalten – für den Einsatzfall. Darüber hinaus sei das Technische Hilfswerk (THW) mit schwerem Gerät gefragt, so Höbener. Das könne die Feuerwehr jederzeit anfordern – etwa Bagger, um blockierte Straßenverbindungen wieder herzustellen.
Das THW
„Wenn wir alarmiert werden über die Feuerwehr oder die Leitstelle, dann sind wir da“, versichert im Gespräch mit unserer Redaktion Volker Dieckmann, Ortsbeauftragter für den THW-Ortsverband Bad Berleburg. Und wenn nötig, organisiere das THW auch die notwendigen Gerätschaften, notfalls aus anderen seiner Ortsvereine.
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Die eigene Ausstattung reiche von robusten Seilwinden bis hin zu Abstützungen, die etwa helfen, beschädigte Gebäude vor dem Einsturz zu bewahren. „Das komplette THW-Paket eben“, so Dieckmann. Und vergangenes Jahr bei der Flutkatastrophe im Ahrtal habe man die eigenen Erfahrungen gut anwenden können, „mit allen Fachgruppen“.
Übungen speziell für eine Tornado-Lage seien beim THW im Grunde nicht nötig, so der Ortsbeauftragte. Vielmehr sei das Know-how dafür ohnehin „normaler Ausbildungsstand, den wir immer haben“. Schließlich sei das THW ja für diese größeren Katastrophenfälle da. Und die Entscheidung, wie der Einsatz dann laufe, sei stets abhängig von der jeweiligen Lage. „Da sprechen wir uns dann auch mit der Feuerwehr vor Ort ab.“
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Der Dachdecker
Die wohl meisten Schäden verursachen schwere Stürme oder Tornados an Dächern. Darauf vorbereiten könnten sich Hauseigentümer nicht wirklich, meint Paul Johann Peter Haas, Dachdeckermeister aus Bad Berleburg. Wer nicht gerade die passenden Dachziegel daheim auf Vorrat habe, könne sich im Notfall gut mit großen Silo-Planen behelfen, so Haas, zu haben etwa bei der Raiffeisen in Raumland. Damit lasse sich ein ramponiertes Dach zumindest „notdürftig abdecken, so dass es nicht ganz so heftig reinregnet“.
Achtung, Wirbelsturm!
Dirk Höbener von der Bad Laaspher Feuerwehr kann sich daran erinnern, dass vor Jahren einmal eine Windhose eine Schneise zwischen Puderbach und Richstein geschlagen hat – über die Landstraße L 903 hinweg und durch einen Fichtenwald. Bewohntes Gebiet hat der Tornado damals offenbar nicht erreicht.
„Tornado-Ereignisse mit Schäden im Wittgensteiner Land sind mir nicht bekannt“, sagt Wetter-Experte Julian Pape. „Allerdings ist die Datenlage hier auch sehr dünn.“
„Grundsätzlich treten in Deutschland pro Jahr etwa 40 bis 60 Tornados auf“, so der Experte unserer Zeitung fürs Wittgensteiner Wetter, Julian Pape. Und „die meisten davon richten keinen Schaden an, da sie über freiem Feld niedergehen. Tornados stehen in Zusammenhang mit intensiven Gewitterzellen sowie einer Windscherung, das heißt: In unterschiedlichen Höhenschichten kommt der Wind aus verschiedenen Richtungen. So können sich die charakteristischen Rüssel ausbilden.“
Müsse dann das Dach beim Kunden neu eingedeckt werden, gehe oft die Suche nach der passenden Dachziegel-Sorte los, weiß Haas aus Erfahrung. Hier würden sich die Kollegen in der Branche aber oft gerne gegenseitig aushelfen. „Und in Zeiten von Facebook funktioniert das auch gut“, sagt er.
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Bei Neubauten habe man die Gefahr durch Sturmschäden inzwischen schon im Blick, so der Dachdecker. So würden die Dachziegel heute generell zusätzlich geklammert, um die Schäden so gering wie möglich zu halten. Und es zeige sich, dass typische Sturmschäden weniger würden. „Doch bei so einem Tornado hilft auch eine Klammer nicht mehr“, fürchtet Haas. Schiefer sei „nicht ganz so betroffen, weil flacher“. Es biete dem Wind weniger Angriffsfläche. „Der Kunde kann sich nur ausreichend versichern – und hoffen, dass nichts passiert.“
Die Versicherung
Für Hauseigentümerinnen und -eigentümer kann ein Tornado-Schaden am eigenen Gebäude immens sein – hier ist es ratsam, gut versichert zu sein.
Bei Schäden am Gebäude, verursacht durch einen Sturm oder Tornado, greife in der Regel die Wohngebäude-Versicherung, erläutert Versicherungsfachmann Maximilian Schmeck, Leiter der Provinzial-Geschäftsstelle in Bad Berleburg. Und über die Hausrat-Versicherung seien in der Regel auch Folgeschäden am Hausrat innerhalb des Gebäudes versichert – wenn der Sturm zum Beispiel das Dach abdeckt und Wasser in die Wohnräume eindringt.
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Über die Teilkasko-Versicherung sei außerdem das eigene Auto abgesichert, so Schmeck, wenn es durch Hagel demoliert werde oder ein Baum darauf stürze, bedingt durch Elementar-Ereignisse wie einen Sturm. Eine separate Elementarschaden-Versicherung brauchten Hauseigentümer bei Tornados eher nicht, sagt der Versicherungsexperte – sie sei aber bei Starkregen, Überflutungen oder Rückstau aus der Kanalisation sinnvoll. „Da haben wir derzeit auch vermehrt Anfragen.“
Das Gewitter-Risiko übrigens sei in der Regel ebenfalls über Wohngebäude- und Hausrat-Versicherung abgesichert, fügt Schmeck hinzu – hilfreich etwa, wenn durch Blitzeinschlag Überspannungen im Stromnetz entstehen und dadurch Elektrogeräte beschädigt oder zerstört werden.
So sind die Verwaltungen aufgestellt
Auch in Wittgensteins Rathäusern haben die Verantwortlichen die Gefahr durch schwere Stürme bis hin zu Tornados auf dem Schirm.
Bad Berleburg
In der Bad Berleburger Stadtverwaltung sind „aufgrund des Klimawandels und der permanenten Klimafolgen-Anpassung extreme Unwetterlagen in den strategischen Überlegungen und Planungen regelmäßig Thema“, teilt die Abteilung Sicherheit und Ordnung mit. Und dazu zähle auch „die Bewältigung einer solchen Unwetter-Lage wie Tornados“.
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Ganz konkret sei es darum vergangene Woche bei der Abwicklung der Tiefs „Dorchen“ und „Emmelinde“ gegangen. So sei hier der Stab für außergewöhnliche Ereignisse der Stadt Bad Berleburg in Bereitschaft gesetzt worden. Ihm gehören die ständigen Mitglieder der Verwaltung an, es könne aber auch weiteres Fachpersonal etwa der Feuerwehr oder des Baubetriebshofes hinzugezogen werden. Außerdem: „In der vergangenen Woche hat die Stadt Bad Berleburg ihre Bürgerinnen und Bürger über die digitalen städtischen Kanäle vorgewarnt, dass eine akute extreme Unwetterlage entstehen könnte.“
Um sich grundsätzlich auf einen Tornado vorzubereiten, empfiehlt die Stadt Bad Berleburg allen Mitgliedern eines Haushalts, vorab einen Treffpunkt zu vereinbaren, der sich auf der untersten Ebene des Hauses oder der Wohnung befinden sollte. Komme ein Tornado auf, sollten Menschen so schnell wie möglich Schutz suchen. Zudem verweist die Stadt auf den „Ratgeber für Notfallfürsorge und richtiges Handeln in Notfallsituationen“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), der auch das richtige Verhalten bei Unwetter aufzeige.
Bad Laasphe
Im Bad Laasphe seien „erst durch die verheerenden Ereignisse in der letzten Woche“ auch Tornados als Sturm-Ereignisse in den Fokus geraten, so Alexander Heinrich, Leiter des städtischen Fachbereichs Zentrale Dienste, Sicherheit und Ordnung. Ausgearbeitete Notfallpläne für Tornados gebe es im Rathaus „bis jetzt nicht“, so Heinrich weiter. Im konkreten Fall würden „zunächst die örtlichen Rettungs- und Einsatzkräfte tätig“, je nach Situation müsse etwa auch das THW angefordert werden.
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Bad Laasphe verweist seine Bürgerinnen und Bürger ebenfalls auf „Ausführungen und Hinweise des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“, etwa im Internet – und darauf, sich regelmäßig durch die Medien wie Radio, Fernsehen oder die Nina-App über Unwetter-Warnungen informieren und die Warnhinweise zu beherzigen.
Erndtebrück
Die Gemeinde Erndtebrück teilt auf Anfrage mit, dass sie „auf Sturmlagen vorbereitet“ sei, vor allem dank der Erndtebrücker Feuerwehr. Sei ein Schadensereignis absehbar, tauschten sich mindestens die Führungsspitze der Verwaltung, das Ordnungsamt und die Feuerwehr aus, „um mögliche Gefahren schnellstmöglich zu beseitigen oder erst gar nicht entstehen zu lassen“.
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Insgesamt raten Gemeinde Erndtebrück und Feuerwehr dazu, „entsprechende Warnungen zu verfolgen, Gärten und Vorgärten sturmsicher zu machen und – sofern möglich – im Haus zu bleiben, bis sich die Lage entspannt“.