Bad Berleburg. Hebamme und Gastronomin Andrea Heuer geht für die Partei die Linke ins Rennen um das Berleburger Bürgermeister-Amt.

Andrea Heuer will Bürgermeisterin werden. Die Hebamme und Gastronomin aus Bad Berleburg tritt als parteilose Bewerberin für die Partei Die Linke an. Zustande gekommen ist diese Kandidatur zwar eher zufällig, aber sie ist kein PR-Gag. Das macht die 48-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich.

Sie sind Hebamme. Was lieben Sie an diesem Beruf?

Andrea Heuer Alles (lacht)! Ich arbeite so, dass sich die Patienten relativ früh bei mir melden. Die meisten schon in der vierten, fünften Schwangerschaftswoche und ich habe sie über einen so langen Zeitraum. Ich versuche meine Mamas zu stärken, weil Unsicherheit der schlimmste Faktor bei einer Geburt ist. Zur Geburt

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gehe ich nicht mit, aber die Nachsorge, Kurse und Rückbildung mache ich. Das heißt, die Menschen sind anderthalb, zwei Jahre bei mir. Das ist anders als eine Patientin acht Stunden im Kreißsaal zu haben, die man dann nie wieder sieht. Ich habe jetzt eine Patientin, die ist das vierte Mal bei mir und ich sehen dann ja auch die Kinder mitaufwachsen.

Außerdem betreiben Sie das Goetheplatzcafé. Wie passt das zusammen?

Ich habe auch mal studiert und habe dabei immer in der Gastronomie gejobbt und habe viele Freunde mit Restaurants und Cafés. Das hat mir immer unglaublich viel Spaß gemacht und war so gar nicht geplant.

Sie haben das Café übernommen als die Vorbesitzer den Betrieb aufgegeben haben?

Meine Tante hat hier gearbeitet und ich habe dann mitbekommen, dass die Vorbesitzer jemanden suchen und Café, das war schon immer meins. Außerdem kann ich das super gut miteinander verbinden, weil ich die Praxis ja dahinter habe. Und da ich immer auch Stationen geleitet habe und in der Gastronomie gearbeitet habe, lag das nahe.

Sie haben eben gesagt, dass Sie auch studiert haben. Was war das?

Architektur, in Koblenz.

Aber Sie sind dann doch Hebamme geworden?

Ja, ich habe immer mit der Hebamme geliebäugelt, mochte aber beides. Ich habe dann in den Semesterferien

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heimlich ein Praktikum gemacht, damit meine Eltern das nicht merken. Und habe dann schnell gedacht: Das ist es! Ich habe dann parallel ein halbes Jahr im Krankenhaus ein Praktikum gemacht und abends für mein Architekturstudium gezeichnet. Und dann habe ich einen Platz an der Hebammenschule bekommen. Das war damals wie ein Sechser im Lotto. Auf 12 Plätze gab es 800 Bewerber. Und dann habe ich kurz vor Schluss zur Freude meiner Eltern mein Studium geschmissen.

Wenn man seine Leidenschaft leben kann, muss man das doch tun, oder nicht?

Ja. Ich habe das auch nie bereut.

Warum wollen Sie Bürgermeisterin in Bad Berleburg werden?

Ich finde, wenn man immer nur meckert und nichts tut, ist das bescheuert. Wenn ich was auszusetzen habe,

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dann muss ich etwas tun. Ich war Schülersprecherin und nie die Leiseste. Ich habe mir das auch sehr sehr lange überlegt.

Wie ist es dazu gekommen?

Ich bin mit der Linken ins Gespräch gekommen, weil die sich immer hier in meinem Café getroffen haben. Wir haben ein halbes Jahr lang immer wieder geredet – dann kam die Idee. Und ich habe lange überlegt, ob ich das wirklich tun soll. Aber dann dachte ich: Warum nicht? So kann ich wenigstens etwas bewegen. Und wenn wir wirklich zwei, drei Mandate kriegen, ist das großartig.

Sie setzen sich für bezahlbaren Wohnraum ein. Das passt zu ihrer Architekturerfahrung. Wie wollen sie das erreichen?

Gute Frage! (lacht). Da wird es mit Sicherheit viele, viele Gespräche geben müssen. Es gibt ja auch die Wohnungsbaugenossenschaft. Vielleicht muss man die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine

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Wohnung zu bekommen, ein bisschen verändern. Wichtig ist auch, dafür zu sorgen, dass die Menschen weniger Hemmungen haben, sich zu melden. Viele trauen sich das nicht, weil sie glauben, das sei der soziale Abstieg.

Sie meinen Wohnberechtigungsscheine?

Genau. Es ist wirklich schwierig, die zu bekommen. Da ist Handlungsbedarf in den Strukturen.

Eine Herzensangelegenheit ist Ihnen als Hebamme der Gesundheitsstandort Bad Berleburg. Wie möchten Sie diesen stärken?

Ein Traum wäre eine Krankenpflegeschule. Ich habe selber bei Ina Acksel in der Physiotherapieschule unterrichtet. Und ich glaube, dass auch die Krankenhäuser wie Vamed offen dafür sind, weil sie einen großen Nutzen davon haben. Die Krankenpflegeschüler können sich etwas mehr um Patienten kümmern. Das gilt übrigens auch für Altenpflege. Wenn zusätzlich Schüler da sind, die supermotiviert sind, weil soziale Berufe ja

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nicht nur ein Job sind, ist das für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Der Bedarf ist da. Der Standort mit den ganzen Kliniken wäre ideal. Und die Leute bleiben im Ort.

Das ist der Schwenk zum Thema Fachkräftemangel. Weiche Standortfaktoren sind wichtig dafür. Wie schafft man ein Klima, in dem Leute von auswärts gerne nach Bad Berleburg kommen?

Mmh. Das finde ich tatsächlich schwierig. Berleburger bleiben gerne in Berleburg. Ich weiß, dass Leute, die von außen kommen, es hier sehr schwer haben, in Bad Berleburg Fuß zu fassen. Das ist einfach so. (lacht). Andererseits denke ich: So wie man von außen reinkommt, so kommt es auch zurück. Ich bin ja sehr oft umgezogen. Ich habe in München und auf Sylt gewohnt und bin wieder zurückgekommen. Und ich finde, wenn man den Menschen offen gegenübertritt, treten sie einem auch offen gegenüber.

Was spricht für Bad Berleburg?

Man kann hier wandern, mountainbiken, Ski fahren. Das ist ein großer Anreiz, wenn man das mal

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kommuniziert. Auf Sylt gingen die meisten nicht in die Klinik, weil die Arbeit so attraktiv ist, sondern weil sie dieses Freizeitangebot haben. Man muss es nur kommunizieren, und das fehlt hier so ein bisschen.

Brandaktuell ist auch das Thema KAG. Was ist Ihre Position dazu?

Mmh. Da hebe ich mich ein bisschen ab, vom Programm der Linken. Ich bin nicht dafür, sie abzuschaffen. Das würde auch nicht funktionieren. Selbst wenn ich Bürgermeisterin würde, könnte ich nicht sagen, die werden abgeschafft. Das ist eine Illusion. Ich finde aber, man kann die Gebühren gerechter verteilen. Und ich finde, dass Menschen, die mit Wohneigentum Geld verdienen, weil sie es vermieten, durchaus KAG-Gebühren

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zahlen sollten. Aber man sollte es staffeln. Wenn eine Familie sich ein Haus mühsam erspart hat, Eigenleistungen eingerechnet hat und dann kommt ein Brief, dass sie einen fünfstelligen Betrag zahlen sollen, dann geht das nicht. Da muss so etwas wie ein Sozialfaktor erarbeitet werden, um es bezahlbar zu machen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was soll die Gute Fee für Bad Berleburg tun?

Mehr nach Außen kommunizieren, wie schön es hier eigentlich ist. Mehr öffentliche Einrichtung und Spielplätze wären toll und unsere Bäume retten.

Mit Andrea Heuer sprachLars-Peter Dickel