Erndtebrück. Christian Dellori, Vorsitzender des Sängerkreises Wittgenstein, spricht über seine Arbeit in der Krise. Zwei Chöre probieren sich digital aus.
Die Veranstaltungen der Chöre im Sängerkreis Wittgenstein sind soweit bis Ende Mai abgesagt. Auch Chorproben sind durch die Corona-Pandemie nicht möglich. Christian Dellori, Vorsitzender des Sängerkreises, spricht mit Ina Carolin Lisiewicz über seine Arbeit in der Krise und neue Möglichkeiten auf digitalen Wegen.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Arbeit des Sängerkreises aus?
Christian Dellori: Wir mussten auch unsere Jahreshauptversammlung absagen. So konnten wir unter anderem unsere anstehenden Vorstandswahlen nicht durchführen. Das Ganze wollen wir aber später nachholen. Am 27. März wurde ein neues Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es nennt sich „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“. Dadurch könnte man die Jahreshauptversammlung auch auf digitalem Wege stattfinden lassen. Das haben wir mal ins Auge gefasst. Je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln. Im Moment hoffe ich aber noch, dass im Herbst unsere Jahreshauptversammlung stattfinden kann. Dann können wir auch die ausscheidenden Vorstandsmitglieder verabschieden, so wie es ihnen gebührt, und die neuen Vorstandsmitglieder offiziell einführen.
Wie ist das Feedback der Chöre im Sängerkreis?
Bisher gab es bei mir persönlich eine Anfrage von unseren insgesamt 45 Chören. Da ging es um die Weiterbezahlung des Chorleiter-Gehalts. Die Frage war auch, ob es Unterstützungsmöglichkeiten gibt. In diesem Fall haben wir auf die Stellungnahme des Chorverbandes Nordrhein-Westfalen verwiesen. Dort sind Ansätze zu finden, wie man damit umgehen kann und sollte. Ich singe ja im MGV Sangeslust Birkefehl und bin dort auch Schriftführer. Da haben wir uns im Vorstand abgestimmt, dass wir unseren Chorleiter noch weiterbezahlen, obwohl im Moment keine Chorproben stattfinden. Aber wir sind in der glücklichen Lage, dass unser Chorleiter Thomas Bröcher Mediadateien für jede Singstimme zur Verfügung stellt. Damit können unsere Sänger dann üben. Das haben wir sonst immer gemacht, wenn Wettstreite oder das Leistungssingen anstanden. Jetzt wollen wir es auch in dieser Zeit nutzen.
Wie sehen denn momentan die Proben bei den Chören aus?
Die traditionelle Probenarbeit ist bei allen Chören zurzeit komplett eingestellt. Ich weiß nur vom MGV Lahn Vokal, dass dort auch der Chorleiter Michael Blume in digitaler Form mit den Sängern probt. Bei zwei, drei anderen Chören habe ich gehört, dass das nicht der Fall ist. Dort wird schon mal eine Stimme laut, die sagt: „Wir können dem Chorleiter leider nicht weiterhin das Geld bezahlen, weil von seiner Seite nichts kommt.“ Es ist eine schwierige Situation.
Wie läuft das Eigenstudium ab, dass Sie im MGV Sangeslust Birkefehl machen?
Es gibt Singe-Partituren, wo das Notenbild abgebildet ist. Diese werden als PDF-Datei an unsere Sänger verteilt. Und dann gibt es noch eine MP3-Datei mit Tonbeispiel. Beim MGV Sangeslust Birkefehl ist es so, dass unser Chorleiter zum Beispiel den ersten Tenor oder den zweiten Bass selbst mit seiner eigenen Stimme eingesungen hat. Das können die Sänger dann auf der Notenpartitur verfolgen. Sie können sich auch den Text schon zu Gemüte führen und lernen.
Was ist mit den Sängerwettstreiten und dem Meisterchorsingen?
Eigentlich wäre im Juni das Leistungssingen – auch Meisterchorsingen im Chorverband Nordrhein-Westfalen genannt – gewesen. Das wurde abgesagt. Und so wird das auch mit einigen Wettstreiten sein, die noch in diesem Frühjahr anstehen. Die sind aber vornehmlich in Hessen und Reinland-Pfalz. Hier in der näheren Umgebung steht jetzt kein Wettstreit an. Wenn die Chöre sich nicht intensiv vorbereiten können, braucht man an solchen Veranstaltungen natürlich auch nicht teilnehmen. Für die Chöre aus dem Sängerkreis Wittgenstein ist das alles nicht so dramatisch, weil sie in diesem Jahr nicht am Leistungssingen teilnehmen wollten.
Wenn die Corona-Krise weiter anhält, wie wollen Sie dann im Sängerkreis weitermachen?
Wir hoffen darauf, dass die Einschränkungen im Mai oder Anfang Juni wieder etwas gelockert werden, sodass wir uns zur Chorprobe treffen können. Wenngleich in einem größeren Raum, in dem man proben kann, ohne zu nah beieinander zu sein. Mit einer Schutzmaske zu singen, wäre sehr schwierig. Das ist allerdings nicht völlig unmöglich. Erst einmal wollen wir abwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt. Es wären auch getrennte Proben möglich, sodass der Chor mit seinen vier Stimmen jeweils einzeln und somit besser im Raum verteilt wird. Man könnte das Lied dann also stimmenweise einüben und später, in einer traditionellen Chorprobe, wie wir sie kennen, zusammenführen. Sobald uns das gesetzlich möglich ist, werden wir wieder anfangen zu proben.
Was fehlt Ihnen am meisten?
Mir fehlt das Zusammenkommen zum Singen. Mit dem Singen selbst steht und fällt ja unsere ganze Verbandstätigkeit. Das Singen gibt uns die Arbeitsgrundlage. So können wir uns um Schulungen kümmern, beim Organisieren von Events helfen oder ein Beratungssingen veranstalten. Weil das Singen im Moment eingestellt ist, haben wir zurzeit wenig bis keine Aufgaben außerhalb der unterstützenden Tätigkeit bei Anfragen oder dem gemeinsamen Management.
Fehlt den Chören nicht auch das Gemeinschaftserlebnis?
Ganz bestimmt. Ich hoffe inständig, dass es nach der Pandemie nicht weniger Sängerinnen und Sänger gibt, weil sie vielleicht gemerkt haben, wie schön die Freizeit auch Zuhause ist. Ich hoffe, dass sie trotz allem an ihrem Hobby festhalten und wieder in die Chorprobe kommen. Bei den Vereinsvorständen hoffe ich, dass sie nach wie vor besetzt bleiben. Es sollten keine Lücken in funktionierende Vorstände gerissen werden. Ich hoffe, dass das Ehrenamt in unseren Chören unter der Corona-Krise nicht zu sehr leidet.
Können Sie in der Corona-Krise auch Positives erkennen?
Positiv finde ich zum Beispiel das Versenden der Mediadateien und Notenpartituren zum Eigenstudium. Das hat nochmal einen richtigen Ruck gegeben, die Dinge auch digital voranzubringen. Man klammert sich nicht mehr total ans Papier, sondern kann per E-Mail, WhatsApp oder Facebook mit den Sängern kommunizieren und sie schnell mit Informationen und Aufgaben versorgen. Ich sehe es beim MGV Sangeslust Birkefehl: Selbst die älteren Sänger beschäftigen sich intensiv mit den Mediadateien und Notenpartituren. Wir haben nur noch vier von ihnen mit CDs versorgen müssen. Alle anderen konnten die Mediadateien über den Computer oder WhatsApp öffnen, herunterladen und damit arbeiten.
Infos über Christian Dellori:
- Christian Dellori ist 38 Jahre alt und gelernter Werkzeugmechaniker. Er arbeitet seit 1997 bei der TG Kunststoffverarbeitung GmbH in Erndtebrück. Aufgewachsen ist er in Birkefehl. Er lebt auch heute noch dort.
- Seit 2017 ist er erster Vorsitzender des Sängerkreises Wittgenstein und war bereits zuvor fünf Jahre zweiter Vorsitzender. Beim MGV Sangeslust Birkefehl singt er seit 1999 mit und ist seit 2003 dort Schriftführer. „Mein guter Freund Holger Saßmannshausen hat mich damals endgültig überzeugt und geworben. Mein Patenonkel Reinhard Treude hat mich dann mitgenommen und zu meiner ersten Chorprobe begleitet“, sagt Christian Dellori.
- Neben dem Singen liebt er das Brotbacken im eigenen Backhaus. Er ist außerdem bei den Birkefehler Heimatfreunden aktiv.
Die Favoriten von Christian Dellori:
Lieblingslied: Abendfriede am Rhein von Mathieu Neumann
Lieblingsserie: Tatort
Lieblingsmedium: Tageszeitung
Lieblingsessen: Schweinelendchen mit Kroketten und Kaisergemüse
Lieblingsbrot: Roggenbrot