Wittgenstein. . Projektchöre sind gut, aber kein Garant für neue Mitglieder. Dieses Fazit zieht der neue Sängerkreis-Vorsitzende Christian Dellori im Interview.

  • Trend: „Gesamtanzahl der Wittgensteiner Chöre leider leicht fallend“
  • Start: „Mit dem Singen unter der Dusche ist zumindest ein guter Anfang gemacht“
  • Fusion: „Nicht als ,Letzte Rettung’ anzusehen, sondern als Chance, weiter zu singen“

Sicher: Schon der Großvater hat damals beim MGV Birkefehl gesungen. Aber es waren aktive Sänger der Gegenwart, die seinen Enkel zum Singen gebracht haben. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der neue Vorsitzende des Sängerkreises Wittgenstein, Christian Dellori (35) aus Birkefehl aber auch darüber, wie heimische Chöre von heute aktiv ihre Zukunft sichern können.

Wichtigste Frage gleich vorweg: Wie sieht es aktuell mit dem Nachwuchs in den Wittgensteiner Chören aus?

Christian Dellori: Was insgesamt betrachtet auffällt: dass sich die Anzahl der männlichen Chormitglieder immer mehr der der weiblichen annähert. In früheren Jahren hatten wir durchweg mehr männliche Chormitglieder. Besonders freut es mich, dass der Kinderchor der Harmonie-Chöre Wittgenstein in Feudingen mittlerweile 20 singende Kinder in seinen Reihen hat. Die Gesamtanzahl der Wittgensteiner Chöre ist aber leider leicht fallend. So haben sich 2016 der Landfrauenchor Rückershausen und der MGV Fischelbach abgemeldet.

Was tun die Gesangvereine wie etwa der MGV „Sangeslust“ Birkefehl selbst, um den Nachwuchs zu sichern? Wie kann der Sängerkreis Wittgenstein das unterstützen, womöglich mit Schulungen?

Ich selbst bin ja aktiver Sänger im MGV Sangeslust Birkefehl und wir haben keinen Kinder- und Jugendchor innerhalb unseres Vereins. Auch wir müssen uns immer wieder neu die Frage stellen, wie wir attraktiv für neue Sänger sein können, aber auch wie wir unsere derzeitigen Sänger halten. Eines steht fest: Singen muss immer Spaß machen! Wenn ein Chor stimmenmäßig nicht mehr alleine singen kann, ist eine mögliche Fusion nicht als „Letzte Rettung“ anzusehen, sondern als Chance, weiter zu singen.

Ein Berufsleben für die Qualitätssicherung

Christian Dellori, Jahrgang 1981, ist gelernter Werkzeug-Mechaniker. Er arbeitet seit 2002 in der Qualitätssicherung von Thorwarth & Grebe, Erndtebrück.

Die Mutter leitet dort die Montage-Abteilung, der Vater ist Dreher in Rückershausen.

Dellori ist in Birkefehl aufgewachsen. Hier gehört er auch dem Heimatverein an. Sein drittes Hobby: Brotbacken.

Als Sängerkreis haben wir da wenig Möglichkeiten mit Schulungen neue Sängerinnen und Sänger anzusprechen. Für bereits Aktive bieten wir allerdings jährlich ein Stimmbildungsseminar mit namhaften Dozenten an.

Wie hilfreich sind Projekt-Chöre? Für welche Zielgruppe?

Mit Projektchören ist es natürlich möglich, sehr moderne oder ausgefallene Literatur zu proben oder aber zu einem bestimmten Thema oder Anlass musikalische Besonderheiten dem Zuhörer zu präsentieren. Zielgruppe sind hier junge Leute genauso wie jung gebliebene. Dass sich direkt aus einem Projektchor neue Chormitglieder unseren Traditionsvereinen anschließen ist eher selten, aber nicht unmöglich.

Geht es bei Wettbewerben etwa um den Meisterchor-Titel eigentlich noch fair zu? Oder anders gefragt: Haben sich bei den Wettbewerben die Anforderungen verändert?

Dass es beim Leistungssingen fair zugeht, muss ich grundsätzlich voraus setzen. Bei den drei Leistungsstufen im Chorverband NRW auf dem Weg zum Meisterchor wird jeweils eine fachkundige Jury darüber entscheiden, ob ein Chor die geforderten Aufgaben geschafft hat und seine damit verbunden Reife präsentieren kann. Doch wir dürfen nicht verwechseln: Eine Teilnahme am Meisterchor-Singen ist kein Wettbewerb im Sinne eines Wettstreites, sondern eine Möglichkeit seinen Leistungsstand durch fachlich kompetente Juroren bewerten zu lassen – und dies als Herausforderung und „Ziel“ für die eigene Chorarbeit anzusehen. Die Anforderungen an die Chöre für das Leistungs- Konzertchor- und Meisterchorsingen steigen nun wieder etwas. Der Hintergrund ist aber bestimmt „Fördern durch Fordern!

Die Feuerwehr denkt darüber nach, schon Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren als „Löschzwerge“ für ihre wichtige Aufgabe zu begeistern. Bei welchem Alter fangen Chöre mit der Nachwuchs-Suche an?

In unseren traditionellen Männerchören beginnt das Singen des Nachwuchses meist frühestens nach dem Stimmbruch. Doch es gibt bei Frauen- und Gemischten Chören in unserem Sängerkreis auch Nachwuchs-Sängerinnen und -Sänger, welche früher einsteigen. Ich denke da nur an den Frauenchor Canticum Novum Wittgenstein, wo die Tochter der Chorleiterin Katja Kaiser bereits seit ihrem elften Lebensjahr aktiv mit singt.

Ich selbst singe gerne unter der Dusche. Kann ich dabei schon erkennen, ob ich Talent für den Chorgesang habe?

Mit dem Singen unter der Dusche ist zumindest ein guter Anfang gemacht. Denn wer dort singt, ist fröhlich und gut drauf – das ist meines Erachtens eine gute Grundlage.

Wenn ich nun Interesse am Singen habe: Wie finde ich den Weg in einen Chor?

Es gibt bestimmt irgendeinen Bekannten oder Verwandten, der in einem unserer Wittgensteiner Chöre aktiv singt. Fragen Sie ihn einfach, wann die nächste Probe stattfindet – und gehen Sie einfach mal mit zum Schnuppern.

Man hört, dass gerade potenziell junger Nachwuchs mit dem herkömmlichen Liedgut nicht zu begeistern ist. Nur ein Vorurteil?

Ich halte diese Aussage eher für eine unschöne Beschreibung und Einschätzung der dargebrachten Chormusik – meist sogar von Nichtsängern! In vielen Wittgensteiner Chören wird schon seit Jahren modernes Liedgut, unter anderem in englischer Sprache, einstudiert und erfolgreich auf die Bühne gebracht. Für meinen Stammverein MGV Sangeslust Birkefehl kann ich da nur sagen, dass uns unsere Auftritte mit modernem Liedgut wie beim Konzert mit den „Prinzen“ im Schlosshof Bad Berleburg oder mit der Gruppe „6-Zylinder“ im Spiegelzelt Erndtebrück viel Zuspruch des Publikums eingebracht haben – aber auch hier hat uns das „immer so geforderte moderne Liedgut“ nicht direkt neue Sänger beschert.

Und Sie persönlich? Wie sind Sie zum Singen gekommen? Was war ihre Motivation?

Mein Großvater war selbst begeisterter Sänger und langjähriger Schriftführer im MGV Sangeslust Birkefehl. Aber zum Singen bin ich gekommen, wie es den meisten Sängerinnen und Sängern wohl ergeht. Nämlich durch ein grundsätzlich vorhandenes Interesse am Singen, verbunden mit einer persönlichen Ansprache durch ein aktives Chormitglied. In meinem Falle war es der heutige Sangesbruder und gute Freund Holger Saßmannshausen. Damals war ich noch in der Ausbildung und sagte immer „ ...ich muss die Lehre erst fertig haben....dann komme ich....“ Aber dann haben sich doch bei einer lustigen Veranstaltung im Dorfgemeinschaftshaus Birkefehl die letzten „Bedenken“ relativiert und im Dezember 1999 hat mich mein „Pedder Reinhard“ (Patenonkel) erstmalig mitgenommen zur Chorprobe.

In meinem Falle kann ich sagen, dass bei mir das Singen als kleiner Keim begonnen hat und heute zu einer bunt blühenden Blume herangewachsen ist. Ich habe richtig Spaß dabei und freue mich noch auf hoffentlich viele Jahre aktives Singen.