Siegen. . Student Tim Kostenzer (26) kommt es vor wie ein schlechter Traum: Ein kurzer Blackout beim Einkaufen und seine Laptoptasche ist weg. Darin steckt das Notebook mit der auf 45 Seiten gespeicherten Abschlussarbeit und unersetzbare Grundlagenliteratur. Wenigstens die Bücher soll der Dieb zurückgeben, bittet ihn Kostenzer. Die Polizei ist eingeschaltet.

Es ist wohl der Alptraum jedes Studenten. Kurz vor dem Abgabetermin ist die Abschlussarbeit futsch. Geklaut. Der Siegener Student Tim Kostenzer (26) durchlebt gerade diesen Alptraum. Am Montagabend greift ein Dieb im Supermarkt zu – genau eine Woche vor dem Abgabetermin.

Beim Einkaufen passt Tim Kostenzer einen Augenblick nicht auf, der Dieb lässt die Tasche mitgehen. Dort liegen dem neben dem Notebook mit der aktuellsten Version der Arbeit auch unentbehrliche Bücher. Die Polizei ermittelt. „Sehr dumm gelaufen“, sagt Kostenzer, der angesichts des Desasters erstaunlich gelassen wirkt. Jammern hilft nichts; die Tasche ist weg. Angemeldete Prüfungsleistungen zu verschieben ist schwierig. Sehr schwierig.

Student nach Tag in der Bibliothek unkonzentriert

„Nachts klappe ich den Rechner um zwei Uhr zu und mache morgens um halb acht weiter“, erzählt der Student der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften (LKM) an der Uni Siegen. Er will am Montagabend nach einem langen Tag im Rewe im Weidenauer Einkaufszentrum noch ein paar Dinge besorgen.

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Gegen 20 Uhr ist das. Der Kopf sei voll mit allem möglichem. Er schreibt auf dem Handy mit einem Bekannten, will ins Regal greifen und stellt dafür die Tasche ab. „Ich war abgelenkt“, gibt Kostenzer zu. „Ich hatte den ganzen Tag in der Bibliothek gesessen und war nicht mehr ganz bei mir.“

Dann fällt ihm auf: Die Tasche ist weg. „Ich bin hysterisch durch den Supermarkt gerannt und habe gesucht“, sagt er. Ein Mitarbeiter hatte einen Mann gesehen, der sich in Kostenzers Nähe herumgetrieben habe. Auch dem Sicherheitsdienst war der Mann aufgefallen, als er mit der Tasche in verschwunden war. Da war es bereits zu spät. Vom Laptopdieb keine Spur.

Sicherungskopien der 45 Seiten vergessen

45 Seiten hatte die Version auf dem Laptop. Endspurt. Der Siegener Student wollte sie am Dienstag eigentlich zur Vorkorrektur einreichen. „Ein paar Tage vorher hatte ich einem Bekannten noch eine Version geschickt.“ Inzwischen hatte der 26-Jährige bereits gekürzt, umgestellt, neu formuliert, aber das wäre zu schaffen, sagt er. Ausgerechnet in der Schlussphase hat er nicht an regelmäßige Sicherungskopien gedacht. „Der Laptop war neu“, sagt er, „da rechnet man ja nicht mit einem Defekt.“

Fußball im medialen Kontext der WM 2006 das Thema 

Der Notebook-Verlust wäre für Tim Kostenzer noch zu verschmerzen, irgendwie. Was auf die Schnelle nicht ersetzbar ist, sind die Bücher. „Mein Thema ist Fußball im medialen Kontext der WM 2006“, erklärt Kostenzer. Da ist die Forschungsliteratur überschaubar. „Für den Abschluss des inhaltlichen Teils gibt es nur ein paar Bücher“, sagt er, „und die waren in der Tasche.“

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Eine Nachbestellung per Fernleihe dauert zu lange, jedenfalls länger als bis zum Abgabetermin. Außerdem können nur Bücher bestellt werden, die nicht im Bestand der Uni-Bibliothek sind. Kostenzer recherchiert nun fieberhaft für den letzten Teil seiner Arbeit nach Büchern, die ihm die Fertigstellung ermöglichen.

Mit dem zuständigen Prüfungsamt hatte er bereits Kontakt, aber dort ist man eher skeptisch. Bei einem vergleichbaren Fall hatte das Prüfungsamt bereits einmal abgewunken. „Ich weiß nicht, ob ich es noch schaffen kann“, macht sich Kostenzer auf zusätzliche nächtliche Schreibschichten gefasst.

Dieb soll wenigstens die Bücher zurückgeben

Er bittet den Dieb jetzt, wenigstens die Bücher zurückzugeben, „die braucht er doch nicht. Den Text kann ich noch mal umarbeiten, aber die Bücher sind einfach eine Grundlage.“ Wenn das nicht passiert, könnten eine letzte Chance die Bilder der Überwachungskamera des Supermarkts oder Zeugenhinweise sein, die eine erfolgreiche Fahndung nach sich ziehen. Wenn Laptop und Bücher dann nicht schon über alle Berge sind.