Siegen-Wittgenstein. . Die Landwirtschaft in Deutschland erlebt einen Strukturwandel. Es gibt weniger, aber dafür größere Bauernhöfe. Allerdings: Das Siegerland wird von diesem Trend kaum betroffen sein. Seit jeher spielt die haupterwerbsmäßige Landwirtschaft in Siegen-Wittgenstein nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Landwirte “ackern“ als Freizeit-Bauern – und das trägt zur Stabilität der bestehenden Strukturen bei.

„Die Landwirtschaft hier unterscheidet sich grundlegend von anderen Regionen“, sagt Dr. Alfred Gerken von der Landwirtschaftskammer NRW, Kreisstelle Hochsauerlandkreis, Olpe, Siegen-Wittgenstein: Mit 78 Prozent liegt der Anteil der nebenerwerbsmäßig geführten Betriebe sehr hoch – im HSK beispielsweise nur bei 57 Prozent. „Das hat eine lange Tradition“, weiß Gerken, wer nebenbei drei Kühe hat, gibt das nicht so schnell auf – weil ohnehin nicht das große Geld damit verdient werden kann. 136 Bauern leben im Kreis von ihrem Hof, 492 betreiben ihn neben dem Beruf.

Noch genug andere Arbeitsplätze

Außerdem ist die Flächenstruktur im Kreisgebiet sehr zerklüftet: kleine Parzellen, steile Hänge, viel Wald, wenig Ackerland. Die Haupterwerbs-Landwirte können ihre Flächen kaum vergrößern, insofern verschiebt sich hier eher die Bewirtschaftung vom Haupt- zum Nebenerwerb. Zudem ist durch die gute gesamtwirtschaftliche Perspektive der Druck nicht so groß, einen Hof halten zu müssen: Es gibt genug andere Arbeitsplätze. Bauern, die aufgeben, stehen nicht vor dem nichts.

So wie Steffen Nies. Der Landwirtschaftsmeister aus Dahlbruch bewirtschaftete zwei Pachten mit Milchvieh, 55 Kühe, 118 Hektar Land, jetzt arbeitet er als Lkw-Fahrer. „Der Stall war in die Jahre gekommen und ich sollte die Bau- und Sanierungskosten selber tragen oder eine höhere Pacht zahlen“, sagt Nies. Die Milchleistung seines Betriebs reichte kaum noch aus, über 8000 Liter Milch im Jahr sollten es schon sein, „das geht eigentlich bei 100 Tieren erst los“, sagt er. Als Nies sich zur Aufgabe entschied, lag überdies der Milchpreis am Boden.

Idealismus und Liebe zum Beruf gehört dazu

Die Entscheidung fiel dem 51-Jährigen nicht leicht, „Landwirt ist ein schöner Beruf.“ 1983 übernahmen sein Vater und Großvater die Pacht, der Vater half Nies bis zuletzt. Wenn man einen Stundenlohn anlegen würde, lande man vielleicht bei 8 bis 9 Euro, dazu lange, harte Arbeitstage, wenig Freizeit und Urlaub. Ein Stück Idealismus und Liebe zum Beruf gehört dazu.

Trotz alledem: Seinem 17-jährigen Sohn riet Nies davon ab, weiterzumachen, er verkaufte seine Kühe. „Es fällt schon schwer, ich habe die Pacht gesehen wie mein Eigentum, man ist sein eigener Herr und der Beruf ist vielfältig, man hat im Büro zu tun, mit Maschinen, Tieren, Pflanzen.“ Aber der Nebenerwerb kam für Nies nicht in Frage, dafür war sein Betrieb dann wieder zu groß. Nies ist überzeugt: „Der Strukturwandel wird weitergehen, manche ziehen es bis zur Rente durch.“

Im Siegerland gab es nie sehr große Höfe

Allerdings hat es im Siegerland nie sehr große Höfe gegeben, die Zentralisierung der Landwirtschaft wird hier also ausbleiben. „Die Perspektive: Es bleibt weitgehend, wie es ist“, sagt Alfred Gerken. Zumal es sich inzwischen lohnt, wenn man Land besitzt und nicht davon leben muss Denn was Siegen-Wittgenstein auszeichnet, ist die erhöhte Bereitschaft, Agrar- und Umweltprogramme zu nutzen. „Naturschutz als Betriebszweig lohnt sich“, sagt Gerken, die Prämien für nicht beweidete Flächen seien so hoch, dass eine Brache teils mehr Geld bringt als bewirtschaftete Fläche.