Sauerland. Weniger Bauernhöfe, mehr Milchkühe, so sieht der Trend der Milchviehhaltung in NRW aus, den das Statistische Landesamt jetzt veröffentlicht hat. Im vergangenen Jahr musste nrw-weit jeder 20. Hof aufgeben, die Zahl der Milchkühe stieg dagegen in den insgesamt 7106 Betrieben um drei Prozent. Im Hochsauerland ist dieser Strukturwandel deutlich weniger stark ausgeprägt, die Richtung ist aber vergleichbar.
Josef Schreiber aus Medebach, der 1. Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes im Hochsauerland, begründet die Entwicklung zu mehr Milchkühen in der Region unter anderem damit, dass die 1983 von der EU eingeführten Milchquoten ab 2015 wegfallen. Heißt das jetzt, dass die Landwirte dann soviel Milch produzieren können, wie sie wollen?
„Nein“, so Schreiber, „selbst wenn wir wollten, könnten wir unsere Viehbestände gar nicht ziellos aufstocken. Es gibt ja nicht unbegrenzt Kühe auf dem Markt, außerdem muss man sie auch alle satt kriegen, also die pro Hof vorhandenen Flächen berücksichtigen.“ Bei der Schweinehaltung könne man einfacher Futter zukaufen als beim Milchvieh, das hauptsächlich mit Heu und Silage aus eigenem Anbau gefüttert werde.
Jeder fünfte Liter Milch wird exportiert
Vor rund zehn Jahren habe man noch befürchtet, dass die Produktion beim Wegfall der Milchquoten völlig ausufern würde. Diese Sorge sei, so Josef Schreiber, mittlerweile unbegründet. Der Markt sei derzeit ausgeglichen, die Milchpreise stabil. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft hatte diesbezüglich Anfang Juli mitgeteilt, dass der Milchpreis pro Liter sogar leicht angestiegen sei, die Bauern zugleich aber auch höhere Kosten für Futter und Energie haben, was den Mehrerlös kompensiere.
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Im Schnitt, so Schreiber, gehe jeder fünfte Liter Milch in den Export, der momentan sehr gut laufe, weil die deutsche Milch für ihre überdurchschnittlich gute Qualität bekannt sei und die großen Molkereien daher weltweit investierten.
Im Hochsauerland gibt es derzeit 1124 Betriebe mit Rinderhaltung. Rund 300 Bauernhöfe im HSK sind noch landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe - sowohl in der Milchwirtschaft als auch im Bereich Forst und Ackerbau. Der Strukturwandel, der in NRW fünf Prozent der Landwirte zur Aufgabe zwang, liegt im HSK mit etwas über einem Prozent deutlich unter dem landesweiten Durchschnitt, was Schreiber mit dem vergleichsweise hohen Anteil an Nebenerwerbslandwirten begründet.
Melkroboter könnten die Kühe rund um die Uhr automatisch melken
Die verbleibenden Vollerwerbshöfe müssen nun wie Wirtschaftsunternehmen handeln, investieren und sich spezialisieren, um auch in Zukunft am Markt zu bestehen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Genau das sei ein weiterer Grund für die zahlenmäßige Zunahme der Milchkühe, begründet Schreiber. Um die erforderlichen finanziellen Investitionen in die hohe Qualität der Milch abzusichern, müsse man mehr produzieren. Ein aktuelles Investitionsthema in der Branche sind derzeit zum Beispiel so genannte Melkroboter, die die Kühe nach und nach in einem speziellen Melk- und Futterstand rund um die Uhr automatisch melken können – individuelle Kraftfuttergabe und Messung der Milchleistung sowie Fettgehalt inklusive.
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Auch den Trend zur schwarz-bunten Holsteiner Milchkuh, die züchterisch eher auf Milch- als auf Fleischlieferung ausgerichtet ist, kann Josef Schreiber bestätigen, auch wenn man diese als Unbeteiligte im Landschaftsbild gar nicht so dominierend wahrnimmt. „Die Milchkühe allgemein sind kaum noch weit draußen“, erklärt Schreiber, „in den modernen Boxen- und Freilandlaufställen, den so genannten Wohlfühlställen, haben die Tiere mittlerweile mit acht bis zehn Quadratmetern pro Rind so viel frische Luft und Bewegung, dass wir sie nicht mehr weiter weg auf die Weiden treiben brauchen, sondern dass sie sich in und um die Ställe aufhalten.“
Exotischere Rassen sind reine Fleischrindsorten
Exotischere Rassen wie Fleckvieh, Angus-, Charolais- oder Highland-Rinder, wie man sie mittlerweile öfter sieht, sind dagegen reine Fleischrindsorten, die nicht zur Milchproduktion eingesetzt und oft von Nebenerwerbslandwirten gehalten werden.