Siegen/Wilnsdorf. Sind zwei junge Frauen im Februar 2010 bei zwei Partys in einem Ortsteil Wilnsdorfs von mehreren Tätern vergewaltigt worden? Diese Frage beschäftigt das Siegener Landgericht auch im neuen Jahr. In einem Fall sollen sich elf Männer vor fast vier Jahren nacheinander an einer damals 14-Jährigen vergangen haben.
Der Prozess gegen Labinot K. und Mifta C. (beide 25), die vor vier Jahren an zwei Vergewaltigungen von zwei jungen Frauen beteiligt gewesen sein sollen, ist am Montag fortgesetzt worden. In einem Fall sollen sich elf Männer vor fast vier Jahren nacheinander an einer damals 14-Jährigen vergangen haben.
Angeklagte schweigen
Auch nach diesem ersten Verhandlungstag nach der Weihnachtspause wirkt die Erkenntnislage im Verfahren nicht klar. Die Angeklagten schweigen, und die Zeugen, die jetzt gehört wurden, trugen nicht dazu bei, die Anklage von Staatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss zu untermauern.
Gehört wurde zunächst der Gastgeber der Feiern, Spitzname „Aladdin“, der den Beteiligten gleich zu Beginn seiner Vernehmung größere Hoffnungen nahm. Er habe nach fast vier Jahren nicht mehr „den richtigen Durchblick“, sagt der 30-Jährige. Und: „Ich kann mich nur an das erinnern, an das ich mich erinnern kann“. Das war allerdings doch erstaunlich viel, zum Beispiel die Namen praktisch aller Personen, die damals bei ihm gefeiert hatten.
Erinnerung an die 14-jährige Elena T.
Eigentlich habe er immer Freunde eingeladen, „wenn meine Eltern nicht zu Hause waren und sturmfreie Bude war“. Es sei an der Playstation gespielt worden, er habe Tee und Kaffee serviert, „Alkohol gab es nicht“. An die damals 14-jährige Elena T. hatte er auch eine Erinnerung. Sie sei mit einigen seiner Freunde erschienen und ihm sehr jung vorgekommen. Er habe sie also gefragt „und sie hat versichert, dass sie 18 ist“. Er habe wenig Lust, „mit jüngeren Leuten herumzuhängen“, also sei ihm das wichtig gewesen.
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Er und die Jungs hätten einen Joint geraucht, erzählte „Aladdin“ weiter, den habe er dem Mädchen bewusst nicht angeboten. Später habe sie ein paar Züge genommen „als das Ding im Aschenbecher lag“ und sei dann nicht mehr im Zimmer gewesen. Der Zeuge fand sie allein in seinem Schlafzimmer, sie sei „ok gewesen“ und danach wieder „gut drauf“. Er könne „mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es keine Vergewaltigung gegeben hat“.
Das Mädchen sei am nächsten Tag sogar mit einer Freundin wiedergekommen. Die habe schnell wieder gehen wollen und ihm auch gesagt, dass Elena T. erst 14 Jahre alt sei und in einem Kinderheim lebe. Da habe er sie gebeten, zu gehen: „Ich wollte keinen Ärger mit irgendwelchen Betreuern haben.“
Mit einem Mädchen geschlafen - Geld für den Sex bekam sie nicht
Er habe Elena T. in der ersten Nacht nach Hause gefahren, bestätigte anschließend der jüngere Bruder des Angeklagten Labinot K. und berichtete weiter, mit dem Mädchen in der Nacht Telefonnummern getauscht zu haben. Sie habe ihn gebeten, am nächsten Tag wieder mit zur nächsten Party kommen zu dürfen. Er und einige andere hätten sie und eine Freundin dann in einer Bar abgeholt. Er habe später mit Elena T. geschlafen und sie in der Nacht auch mit nach Hause genommen. Von Vergewaltigungen wisse er nichts, das Mädchen sei an beiden Tagen fröhlich und lebhaft gewesen. Geld habe sie für den Sex nicht bekommen, versicherte der 23-Jährige auf Nachfrage von Gericht und Staatsanwaltschaft. Damit blieb der eingeräumte Geschlechtsverkehr für ihn ohne rechtliche Folgen.
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Zurück zu „Aladdin“. Der erinnerte sich auch an das zweite mutmaßliche Opfer Lisa M. Zumal er mit ihr geschlafen hatte, „ohne Zwang und Gewalt“. „Sie hat mir hinterher ihre Nummer gegeben, fand mich wohl sympathisch.“ Er habe sie aber nicht angerufen und nicht wiedergesehen. Ob die zwei Angeklagten auch Sex mit der Frau gehabt hätten, fragte der Vorsitzende? Nicht in seinem Haus, verneinte der Zeuge wild gestikulierend.
Frühere Siegener Staatsanwältin äußert sich
Abschließend äußerte sich eine frühere Siegener Staatsanwältin, die 2012 jenen Zeugen verhört hatte, der am letzten Verhandlungstag im Dezember im Gerichtssaal behauptete, Labinot K. aus Hass bei dieser Vernehmung zu Unrecht stärker als berechtigt belastet zu haben. An eine Belastungstendenz könne sie sich nicht erinnern, stellte die Beamtin fest. Sie hatte den Mann vornehmlich wegen einer dritten Vergewaltigung vorgeladen, die seinerzeit Labinot K. und einem älteren Bruder vorgeworfen, inzwischen aber eingestellt wurde. Der Fall habe „durchaus Parallelen“ zu den hier angeklagten. Das mutmaßliche Opfer, ein Mädchen aus Hessen, sei später „herumirrend auf dem Autohof“ gefunden worden.
Psychiater wird Gutachten zur Glaubwürdigkeit erstatten
Der ältere Bruder von Angeklagten Labinot K war ebenfalls als Zeuge geladen. Er machte allerdings von seinem Recht auf Aussageverweigerung gebrauch. Das Verfahren wird am 15. Januar fortgesetzt. Dann soll die Freundin Elena Ts. gehört werden. Außerdem wird Psychiater Dr. Wilfried Pott sein Gutachten zur Glaubwürdigkeit der heute 18-Jährigen erstatten.