Siegen. Ein zukunftsweisendes autoarmes Wohngebiet trotz erbitterten Widerstands? Siegen wird sich im Klein-Klein verkämpfen, befürchtet Hendrik Schulz.

Man wäre sich schon einig geworden, wenn man unbedingt gewollt hätte. Statt zu schmollen, dass die anderen in fünf Jahren eine Meinung ändern, hätte man mal ernsthaft über Nahversorgung reden können: Denn das künftige Wellersberg-Quartier sieht im unteren Bereich, wo heute der Sportplatz ist, Flächen vor, die für eine Kita, Büros, Dienstleistungen und eben auch einen Supermarkt in Frage kämen. Zu so einem Quartier gehört definitiv, für einen Lebensmitteleinkauf nicht den ganzen Berg runter und wieder rauf laufen - oder fahren - zu müssen, völlig klar. Sowas hätte man festschreiben können, schon jetzt.

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Die CDU hatte im Rat eine weitere Beratungsrunde der Fraktionen vorgeschlagen, dem Vernehmen nach wollte sie dieses Quartier im größeren Zusammenhang mit den anderen geplanten Wohngebieten betrachten: Das Konzept ja, aber eher auf Schieß- oder Giersberg, die verkehrstechnisch besser erreichbar seien. Am Bürbacher Giersberg gibt es schon größere Mehrfamilienhäuser (die nicht so aussehen). Das hätte dem Wellersberg-Konzept als eine weitere Einfamilien- bis Reihenhaussiedlung womöglich den innovativen Charakter genommen - aber mal drüber nachdenken schadet ja auch nicht.

Siegen: Vorzeige-Quartier Wellersberg trotz erbitterten Widerstands so vieler Volksvertreter?

Stattdessen blieben alle bei ihren Maximalforderungen und klaren Fronten. Siegen wird sich mal wieder so lange im Klein-Klein verkämpfen, bis am Ende wenig Nennenswertes dabei rauskommt. Wetten? Denn von dieser Entscheidung bleibt auch hängen, dass nicht mal der Bürgermeister dem Entwurf seiner Verwaltung zustimmt. Wenn politisch insgesamt so wenig Vertrauen in die Transformationskraft der Stadt und ihrer (heutigen und künftigen) Bevölkerung herrscht (die ganz sicher trotzdem da ist!), dann muss man es womöglich leider lassen. Die Gegner werden Mittel und Wege finden, das Vorhaben in dieser Form zu torpedieren - und es stellt sich auch die Frage, ob so ein Vorzeige-Quartier, etwas ziemlich Neues, Ungewöhnliches, gegen den erbitterten Widerstand so vieler gewählter Volksvertreter entstehen sollte. Auch wenn sie keine Mehrheit haben. Schade.

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Die Presse hat das Privileg, es vermeintlich besser wissen zu dürfen, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen, darf dafür aber eben auch nicht mitentscheiden. Daher zum Schluss eine womöglich lästige persönliche Anmerkung von der Seitenlinie: Ich persönlich würde sofort in dieses Quartier ziehen. Ich habe jetzt schon Angst davor, wenn meine Kinder größer sind und zwischen stehenden und fahrenden Blechlawinen spielen, die sich bis in jedes Wohngebiet erstrecken. Ich habe ein Auto, das Geld kostet und hauptsächlich herumsteht - weil ich ein E-Bike habe und Fahrradfahren seitdem nicht mehr hasse. Als ich das letzte Mal eine ähnliche Meinung veröffentlicht habe, stellte sich heraus, dass es in Siegen durchaus noch mehr solche gibt wie mich. Noch.