Siegen. Mit neuem Ansatz will das Siegerlandmuseum Migrations-Erfahrungen greifbar machen: Persönliche Gegenstände von Bürgern erzählen deren Geschichte.

Wie entsteht Nähe? Was macht Familie aus? Wie blicken Menschen mit Migrationshintergrund auf das Siegerland? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die Sonderausstellung „Siegen. Fremde? Heimat?“ im Siegerlandmuseum. Das Besondere dabei: Besucherinnen und Besucher erwartet ein interaktives Museumserlebnis, bei dem sie mit den Exponaten auf ganz neue Art in Kontakt kommen und eigene Erfahrungen reflektieren können.

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Bemerkenswert ist vor allen Dingen die Art, wie die Ausstellungsstücke ihren Weg in das Museum gefunden haben. Im vergangenen Jahr rief das Team die Siegenerinnen und Siegener öffentlich auf, persönliche Gegenstände, die sie mit ihrer Migrationserfahrung verbinden, zur Verfügung zu stellen. Diese Leihgaben können nun im ganzen Haus verteilt entdeckt werden und stehen dabei immer in direkter Verbindung mit einem Objekt aus dem Bestand. „Wir haben erstmals die Sonderausstellung räumlich in unsere Dauerausstellung integriert, um zu zeigen, dass Migration kein ‚Sonderthema‘ ist“, erklärt Museumsleiterin Dr. Karin Kolb. Die Exponate kommen dank QR-Codes selbst – auf Deutsch und Englisch – zu Wort und erzählen ihre ganz eigenen Geschichten. Der Blick auf eine Bettdecke wird ein ganz anderer, wenn der Betrachter oder die Betrachterin weiß, dass es sich um ein Geschenk einer türkischen Mutter an ihre Tochter handelt, die aufgrund politischer Verfolgung 2016 das Land verlassen musste.

Die Bratsche, die Daniel Ibáñez García als Exponat zur Verfügung stellte, ist unter der Überschrift „Kommen und Gehen für den Beruf“ ausgestellt.
Die Bratsche, die Daniel Ibáñez García als Exponat zur Verfügung stellte, ist unter der Überschrift „Kommen und Gehen für den Beruf“ ausgestellt. © Siegerlandmuseum | Siegerlandemuseum

Siegen: Museum greift zum Stadtjubiläum Geschichte der Migration auf

Um eine solche Ausstellung auf die Beine stellen zu können, benötigt es natürlich einiges an Vorbereitung. „Die Idee, sich mit Migrationsgeschichten des Siegerlands zu beschäftigen, hatten wir schon länger“, sagt Karin Kolb. „Das 800-jährige Bestehen der Stadt Siegen haben wir als guten Anlass angesehen, diesem Thema Sichtbarkeit zu verschaffen.“ Kuratorin Kristin Schrimpf, die in Bonn studierte, kam extra wegen dieses Ansatzes nach Siegen. „Mich hat die Idee begeistert, dass das Museum wortwörtlich seine Türen öffnet und sogar aktiv auf die Bevölkerung zugeht“, erläutert die Kulturanthropologin. Die Herausforderung habe am Anfang besonders darin bestanden, „die Menschen davon zu überzeugen, dass ihre Geschichten erzählenswert sind“. Außerdem sei es wichtig gewesen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, „denn die geteilten Erlebnisse sind oftmals sehr privat“.

„Sounds of Siegen“

Es ist von Vorteil, in der Ausstellung „Siegen. Fremde? Heimat?“ ein Smartphone dabei zu haben, um die QR-Codes an den Exponaten einscannen zu können. WLAN steht vor Ort kostenfrei zur Verfügung.

Die eingesprochenen Dialoge können unter anderem auch auf Russisch, Griechisch, Türkisch und Spanisch nachgelesen werden.

Außerdem gibt es Begleitprogramm. Im Sommerferienworkshop „Sounds of Siegen“ am 8. und 9. Juli zum Beispiel können sich Kinder und Jugendliche mit der Frage beschäftigen „Was hört man in Siegen?“. Hier kann über Sprache, Geräusche, Musik und vieles mehr reflektiert werden. Da die Plätze begrenzt sind, lohnt sich eine frühzeitige Anmeldung. Infos dazu und zu weiteren Workshops, Terminen und Führungen gibt es auf siegerlandmuseum.de

In den Räumen, die sonst für Sonderausstellungen genutzt werden, befindet sich in diesem Jahr das sogenannte Forum. Hier sollen Besuchende die Möglichkeit haben, sich im „Gedanken Studio“ selbst mit Themen der Ausstellung auseinanderzusetzen, sich in der Werkstatt-Ausstellung mit Überlegungen Studierender zu beschäftigen (die Universität Siegen hat zum Projekt einen großen Teil beigetragen) oder im Workshopraum mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Wer Fragen hat, kann diese im „Making-of“ Bereich Kirstin Schrimpf direkt stellen – und das zu jeder Zeit, da sie als digitale Projektion zu sehen ist. „Es war uns wichtig, nicht nur neue Formen des Inhaltes, sondern auch der Vermittlung zu integrieren. Wir sind dieses Mal so partizipativ wie noch nie“, betont die Kuratorin. Diesen Weg möchte das Museum weiterhin gehen und dabei immer neue Ansätze ausprobieren.

Marios Mouratidis steuert diesen griechischen Wandteppich zur Sonderausstellung „Siegen. Fremde? Heimat?“ im Siegerlandmuseum bei.
Marios Mouratidis steuert diesen griechischen Wandteppich zur Sonderausstellung „Siegen. Fremde? Heimat?“ im Siegerlandmuseum bei. © Siegerlandmuseum | Siegerlandemuseum

Siegen: „Fremde“ und „Heimat“ als grundlegende Lebenserfahrungen

Heimat? Fremde? „Mit beiden Begriffen ist jeder von uns bereits in Berührung gekommen. Es handelt sich um geteilte menschliche Lebenserfahrungen“, sagt Karin Kolb. „Oft werden beide Begriffe allerdings sehr geschlossen verwendet. Wir hoffen, dass wir mit unserer Ausstellung dazu beitragen können, dass diese Grenzen aufweichen und sich öffnen.“

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