Siegen. Ihr Ex wollte eine zweite Frau, sie wollte das nicht. Als die junge Mutter sich erkundigt, ob das im Islam erlaubt sei, fürchtet sie um ihr Leben

Zwei Nächte, bevor sie getötet wurde, kam die junge Frau aus Dreis-Tiefenbach bei ihm in Siegen vorbei, mit den Kindern. Via Social Media hatte sie ihn kontaktiert, erzählt der Zeuge im Siegener Gerichtssaal, spät am Abend schrieb sie, dann trafen sie sich auf eine Zigarette. Ob es im Islam erlaubt sei, zwei Frauen zu heiraten, wollte sie wissen. Etwas mehr als 24 Stunden später war sie tot – ermordet mutmaßlich von dem Mann, der von ihr verlangt haben soll, dass sie seine Zweitfrau sei. Weil er sich in eine andere verliebt hatte; sie, die Mutter seiner Kinder, aber nicht gehen lassen wollte. Als sie ihn verließ, so der Verdacht, tötete er sie. Das wäre ein sogenannter „Ehrenmord“, aus niederen Beweggründen.

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Der junge Mann, der vor der 1. Großen Strafkammer aussagt, ist Muslim, der Angeklagte auch. Sie kennen sich flüchtig. Vor vielen Jahren waren der Zeuge und die Getötete Freunde. Seither hätten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Er sei überrascht gewesen von ihrer Nachricht, „aber ich habe gespürt, dass sie in Not ist und Hilfe braucht. Ich bin Krankenpfleger, ich helfe fremden Menschen“, sagt er, also helfe er ihr erst recht. Sie wollte demnach ja nur reden. Keine Beziehung oder so etwas.

Zeuge berichtet im Landgericht Siegen: Sie hatte Todesangst vor ihrem Ex-Freund

Geredet hätten sie auf der Straße, vielleicht eine knappe halbe Stunde, die kleinen Kinder saßen so lange im Auto. Sie habe erzählt: Dass sie kein schönes Leben habe, zeigte blauen Flecken an der Seite, wo ihr Ex-Partner, von dem sie sich gerade endgültig getrennt habe, sie geschlagen habe. Dass sie Angst vor ihm habe. Von der anderen Frau, die er mit zu ihr nach Hause gebracht, Sex zu dritt verlangt habe. All die Dinge in der Beziehung der beiden jungen Leute, von denen schon andere Zeugen vor Gericht berichteten: Seine zunehmende Gewalttätigkeit, seine zweite Freundin, seine Eifersucht, dass sie ihn diesmal endgültig verlassen wollte, weil sie es nicht mehr ausgehalten und Angst vor ihm und um die Kinder habe. Und sie habe eben wissen wollen, ob das mit dem Islam vereinbar ist.

Ich werde dich finden, egal wo du hingehst.
soll der Angeklagte - am Telefon zu seiner Ex-Partnerin gesagt haben, im Beisein des Zeugen

Während sie auf der Straße redeten und rauchten, rief der Angeklagte die Frau an. Mehrfach. Sie stellte auf Lautsprecher; er müsse leise sein, schärfte sie ihm ein. Dringend. Ihr Ex dürfe nicht mitbekommen, dass sie sich mit einem anderen Mann treffe, auch nicht nur zum Reden. Wo sie sei, habe er am Telefon wissen wollen. Sie habe ihm das nicht gesagt und entgegnet, dass er sie in Ruhe lassen solle. Seine Reaktion: „Ich werde dich finden, egal wo du hingehst“ und wenn das bei einem anderen Mann sei, werde er ihm „die Eier abschneiden“. Sie habe aufgelegt, er wieder angerufen, sie sei auch drangegangen, habe wieder aufgelegt. „Als ich hörte, dass sie bedroht wird, habe ich ihr gesagt, sie soll zur Polizei gehen“, so der Zeuge. „Sie sagte, das hätte sie schon.“ Eine Freundin der Getöteten hatte bereits als Zeugin erzählt, dass Opfer und mutmaßlicher Täter ihre Smartphones so eingestellt, dass sie den jeweiligen Standort der anderen Person einsehen konnten.

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Die Frau habe Angst gehabt, Todesangst, sagt ihr Bekannter nun. Eindringlich habe sie ihm eingeschärft, dass niemand von diesem Gespräch erfahren dürfe, nicht einmal, dass sie Kontakt gehabt hätten: „Wenn er das erfährt, bringt er mich um.“ Ihre Nummer speicherte er in seinem Handy unter einem anderen Namen ein. Und schrieb nie wieder mit ihr.