Dahlbruch. Pfarrer Friedhelm Rüsche verlässt das Siegerland, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Eine neue Lösung könnte „anderen Drive ins System bringen“.

Die katholische Kirche im nördlichen Siegerland muss sich neu aufstellen: Ende April verlässt Pfarrer Friedhelm Rüsche den Pastoralverbund, der die Gemeinden in Hilchenbach, Dahlbruch, Kreuztal und Krombach vereint. Es konnte kein neuer Priester gefunden werden, der als Pfarrer und Pastoralverbundsleiter seine Position übernimmt. Nun geht die Diözese Paderborn neue Wege und wird noch in diesem Monat die Leitungsstelle unter den Gemeinde- und Pastoralreferenten für eine Pfarrbeauftragte oder einen Pfarrbeauftragen ausschreiben, die oder der mit einer Vollzeitstelle beauftragt würde. Das Vorgehen ist neu – das Phänomen, dass sich kein Nachfolger findet, „war schon früher häufiger der Fall“, sagt Friedhelm Rüsche. „Vor zehn Jahren war ich der einzige Bewerber.“

Entwicklungen

Das Siegerland ist vor allem evangelisch geprägt. Die Katholiken, die in der Region leben, sind meist zugezogen, berichtet Friedhelm Rüsche. Das könne bereits mehrere Generationen zurückliegen. „Das macht das pastorale Leben hier anders. Die Traditionen sind neueren Datums.“ Pfarrstellen im Siegerland, das am südlichen Rand des Bistums liegt, seien immer schon schwieriger zu besetzen gewesen. Früher habe die Diözese mehr Überredungskunst angewandt und stärkeren Druck ausgeübt, um für eine Nachfolge zu sorgen. Doch auch dort macht sich der Wandel der heutigen Zeit bemerkbar: „Junge Leute haben andere Ansprüche“, sagt Friedhelm Rüsche. Immer weniger Menschen entscheiden sich, Priester zu werden. Man neige dazu, Kirche als etwas rein Idealistisches zu verstehen, so der Pastor. Doch so etwas wie „Work-Life-Balance“ sei auch dort wichtig. „Wir haben früher schon für einen freien Montag gekämpft“, erinnert sich der 62-Jährige. Hinzu kommt, dass die Position des Pastoralverbundsleiters nicht für jeden etwas sei. „Man muss sich für das große Ganze interessieren.“ Und auch nicht jeder Priester wolle und könne eine Leitung übernehmen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sei das Modell, das mit dem Pfarrbeauftragten verbunden ist, ein „gangbarer Weg“.

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Modell

Während ein Pfarrer aus dem eigenen Diözesanklerus gekommen wäre, kann der oder die Pfarrbeauftragte auch aus einem anderen Bistum stammen. Während der Pfarrer seinen Dienst- und Wohnsitz in Keppel bei der Pfarrkirche St. Augustinus gehabt hätte, gilt für den Pfarrbeauftragten, dass er möglichst innerhalb des Pastoralen Raumes wohnt, im Ausnahmefall – je nach Familiensituation – auch etwas außerhalb davon. Der Pfarrbeauftragte ist der Dienstvorgesetzte des pastoralen Personals und für die pastoralen Entscheidungen im Zusammenspiel mit den Pfarrgemeinderäten zuständig. Ihm zur Seite steht ein „moderierender Priester“, der den Vorsitz in den Kirchenvorständen erhält, nicht aus dem hiesigen Pastoralteam kommt sowie – mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet – die Seelsorge leitet, wie in den aktuellen Pfarrnachrichten des Pastoralverbundes erläutert wird.

Wir müssen Kirche leben, wie sie künftig lebbar ist.
Friedhelm Rüsche, Pfarrer

„Der moderierende Priester ist ein Garant dafür, dass nach kirchlicher Lehre die Dienste des Leitens, des Heiligens und des Lehrens an die Weihe gebunden bleiben“, erläutert Friedhelm Rüsche. Es gibt also eine „geteilte Leitung“, wobei der Anteil des Verwaltungsleiters Sebastian Reichling noch hinzukommt. „Die Diözese hat nun die Aufgabe, einen Pfarrbeauftragten und einen moderierenden Priester zu ernennen“, erläutert Friedhelm Rüsche. Bis dahin wird Pastor Lukas Hellekes ab 1. Mai der einzige Priester im Pastoralteam sein. Friedhelm Rüsche entschied sich aus gesundheitlichen Gründen dazu, seine Position im Siegerland aufzugeben.

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Die Pfarrkirche St. Augustinus in Dahlbruch.
Die Pfarrkirche St. Augustinus in Dahlbruch. © Ina Carolin Pfau | Ina Carolin Pfau

Wandel

Am 24. Januar 2024 wird der Pastoralverbundsrat nun auch über die künftige Gottesdienstordnung, also die Verteilung der Eucharistie- und Wortgottesfeiern an Sonn- und Werktagen entscheiden. Prinzipiell gäbe es zwei Möglichkeiten: Die einer Zentralisierung oder die einer „rotierenden Ordnung“, sodass nicht alle sechs Kirchen des Verbunds an jedem Sonntag für Messen genutzt werden. „Man muss gucken, was auf Dauer die sinnvollste Lösung ist“, sagt Friedhelm Rüsche. Auch in der katholischen Kirche im Siegerland sei die Zahl der Gottesdienstbesucher und Gemeindemitglieder zurückgegangen. „Es ziehen mehr Menschen weg als hin, es treten mehr aus als ein und es sterben mehr Menschen als getauft werden.“ Zudem hätten sich pandemiebedingt neue Gewohnheiten entwickelt – manche Kirchenbesucher kämen jetzt seltener. „Doch wir wollen nicht nur zählen. Wir wollen denen, die kommen, einen schönen Gottesdienst bieten.“

Pastoralverbund

Der Pastoralverbund Nördliches Siegerland wurde 2003 errichtet und gehört zum Dekanat Siegen im Erzbistum Paderborn. Friedhelm Rüsche übernahm die Leitung 2014 als Nachfolger von Martin Assauer. Zum Pastoralverbund gehören die drei Kirchengemeinden St. Augustinus Keppel Hilchenbach-Dahlbruch, St. Johannes Baptist Kreuztal und St. Ludger und Hedwig Kreuztal-Krombach.

In der Gemeinde herrsche eine sehr große Offenheit, den neuen Weg anzugehen. „In traditionellen Gegenden wäre es viel schwieriger“, sagt Friedhelm Rüsche. Er appelliert, nicht alles schwarzzusehen, sondern die neuen Chancen zu betrachten. So könnte die Pfarrbeauftragten-Stelle beispielsweise auch mit einer Frau besetzt werden: „Das könnte einen anderen Drive ins System bringen.“ Das Modell der „geteilten Leitung“ sei zudem eins, das auch für andere Pastoralverbünde geeignet sei. Es könnte vermeiden, dass sich Pastoralverbünde immer weiter territorial vergrößern müssten.

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„Ich bin immer gerne im Siegerland gewesen“, sagt Friedhelm Rüsche. Der gebürtige Sauerländer wird seine letzten Dienstjahre vor dem Ruhestand als Pastor im Sauerland (Olpe/Drolshagen) ab dem 1. Mai absolvieren. „Das geht jetzt ganz schnell“, sagt er über die bevorstehenden Monate bis dahin. Die Menschen aus dem Siegerland habe er immer sehr geschätzt. Auch die Bereitschaft, ehrenamtlich mitzuarbeiten, sei hier immer sehr groß gewesen. Zudem lobt er die ökumenische Zusammenarbeit in der Region. Am 28. April wird er sich offiziell von seiner jetzigen Gemeinde verabschieden. Zurück lässt er auch ein junges Team, das immer wieder neue Wege sucht, für Kirche zu begeistern. „Wir müssen Kirche leben, wie sie künftig lebbar ist.“

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