Siegen. Über 1700 Mitglieder haben die Kirchen in Siegen und Umland im letzten Jahr verloren. Geistliche vor Ort machen sich Gedanken über die Folgen.
Auch im Siegerland kommen auf die christlichen Gemeinden große Herausforderungen zu. Nach Angaben des Erzbistums Paderborn sind im Dekanat Siegen im Jahr 2021 676 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. In der Kirche sind noch 52.701 katholische Christen. Der evangelische Kirchenkreis Siegen hat 2021 1045 Austritte verzeichnet. 107.106 Personen gehören noch den evangelischen Gemeinden an.
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Besonders die katholische Kirche steht in der Kritik, bei den Themen Macht, Sexualmoral, Gleichberechtigung von Frauen und dem Zölibat überholte Positionen zu vertreten. Zudem belasten immer neue Fälle sexualisierter Gewalt, vor allem in der katholischen, aber auch in der evangelischen Kirche, das Vertrauen der Gesellschaft in die Verlässlichkeit der Geistlichen.
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Das sagen die Vertreter der Kirchen in Siegen
Pfarrer Friedhelm Rüsche, Leiter des Pastoralverbundes nördliches Siegerland und stellvertretender Dechant im Dekanat Siegen, bedauert die anfänglichen Vertuschungsversuche sehr. Auch Pfarrer Rolf Fersterra, Pfarrer in der evangelisch-reformierten Emmaus-Kirchengemeinde Siegen, sieht die Kirche als Ganzes in einer ernst zu nehmenden Vertrauenskrise.
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Bereits Anfang des Jahrtausends habe es in Amerika und weiteren Orten der Welt zunehmend Berichte über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gegeben, sagt Pfarrer Friedhelm Rüsche. Doch erst als sich 2010 die Fälle sexuellen Missbrauchs auch in Deutschland mehrten, sei man von der Theorie der Einzeltäter abgewichen und habe ein strukturelles Problem der katholischen Kirche auch hierzulande erkannt. Als Reaktion auf diesen Skandal beauftragte die Deutsche Bischofskonferenz 2014 ein unabhängiges Expertengremium mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Dieses bestand aus dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit (Mannheim), dem Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, dem Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und der Professur für Kriminologie, Jugendrecht und Strafvollzug der Universität Gießen. Die MHG-Studie (benannt nach den Forschungsinstituten) trägt den Titel: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.
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Synodaler Weg: Deutschland könnte Vorbild sein
Die Ergebnisse der MHG-Studie wurden 2018 und 2019 auf der Herbst- beziehungsweise der Frühlingsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt. Die eindringlichen Ergebnisse führten zur Ausrufung des synodalen Wegs als Gesprächsformat (aus dem altgriechischen übersetzt: „gemeinsamer/beratender Weg“). Kardinal Reinhard Marx selbst verkündete in der Abschluss-Pressekonferenz der Lingener Vollversammlung am 14. März 2019, „einen verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte“ ermögliche. Diskutiert werden die Themen: „Macht und Gewaltenteilung“, „Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, „priesterliche Existenz heute“ und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“, wie der Synodale Weg auf seiner Website bekannt gibt. Pfarrer Friedhelm Rüsche befürwortet diesen Schritt: „Ein vernünftiges Vorhaben, dass man nur unterstützen kann“.
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Papst Franziskus äußerte sich zuletzt kritisch über den Synodalen Weg. Man habe bereits eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland und bräuchte keine zweite, so der Pontifex. In anderen katholisch geprägten Teilen der Welt, etwa Afrika oder Lateinamerika, seien die Interessen des Synodalen Weges kein Thema. Dies bestätigt auch Pfarrer Friedhelm Rüsche. Er nehme die Bedenken durchaus ernst, könne sich Deutschland allerdings auch in der Vorbildfunktion vorstellen, sagt der stellvertretende Dechant.
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Kirche als Ort für alle Menschen
Nach Pfarrer Rolf Fersterra sind die Kirchenaustritte eine Reaktion auf den Missbrauchs-Skandal, aber auch Ausdruck eines Traditionsabbruchs. Besonders junge Menschen fühlten sich nicht mehr von der Kirche angesprochen. Dabei seien sich viele Mitglieder der hohen Bedeutung ihres Beitrags nicht bewusst, so der evangelische Geistliche. Abgesehen von dem ideellen Wert, würde die örtliche Infrastruktur zu Teilen von der Kirchensteuer getragen. So würden Kindergärten und Grundschulen finanziell unterstützt. Wobei manche die fehlende Säkularisierung in diesen Betreuung- und Bildungseinrichtungen durchaus kritisch sehen.
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Pfarrer Fersterra sieht die Kirche in der Gemeinde als zentrales Gebäude, in dem Feste wie Taufe, Konfirmation und Hochzeit gefeiert würden. Für den evangelischen Kirchenkreis soll die Kirche ein Ort für alle Menschen sein, in dem Krisen durchdrungen und bearbeitet werden können.
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