Siegen-Wittgenstein. Über den Haushalt beraten wollte der Kreistag in Siegen nicht. Über Geld entschieden wurde dann aber doch: So, dass es am Ende Unmut gibt.

„Chance vertan“, kommentiert Landrat Andreas Müller irgendwann lapidar die Beschwerde von Hans Günter Bertelmann (UWG), über alle möglichen Ausgaben einzeln entscheiden zu müssen, ohne den Haushalt des Kreises insgesamt in den Blick zu nehmen. Denn es war Bertelmann, der Stunden zuvor den Antrag von sechs Fraktionen begründet hatte, die Verabschiedung des Haushalts durch den Kreistag auf den Februar zu verschieben.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

„Wir sollten uns noch etwas Zeit gönnen“, hatte der UWG-Fraktionschef zur Begründung des Antrags von CDU, Grünen, UWG, SWM, FDP und Wir Bürger gesagt und auf die ungewisse Lage des Bundeshaushalts nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den Fast-Totalausfall der SIT hingewiesen, bei der auch die Daten des Kreises lagern und nach dem Cyberangriff unerreichbar sind. „Die Begründung überzeugt mich in keiner Weise“, widersprach Ullrich Georgi (Linke), „merkwürdig, was das Bundesverfassungsgericht alles anrichten kann.“

Merkwürdig, was das Bundesverfassungsgericht alles anrichten kann.
Ullrich Georgi

Bis dahin war der Ende November nachgereichte Vorschlag des Landrats, die Städte und Gemeinden um 15 Millionen Euro Kreisumlage zu entlasten, wesentliches Argument gewesen. Über die damit verbundene Einsparliste „hätte man doch reden können“, fand Georgi. „Die Kommunen hätten jetzt gern verbindliche Zahlen“, sagte Julian Maletz (SPD) und verwies auf den Appell der Bürgermeisterkonferenz. Für sie ist die Kreisumlage der größte Ausgabeposten. Zwei Wochen lang hätten die Fachausschüsse über den Haushalt beraten. „Da kam nichts von diesen Fraktionen.“

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Mit 29 gegen 21 Stimmen werden Haushalt und Stellenplan von der Tagesordnung abgesetzt; Landrat Andreas Müller enthält sich der Stimme. Über Geld geredet und entschieden wurde dennoch. „Wisente sind wichtiger als Menschen“, wird Marco Schmidt (SPD) einige Stunden später feststellen, nach langen Debatten über Nationalpark und Wisentprojekt. Schmidt erinnert dann daran, dass der Kreistag bereit gewesen sei, jährlich eine halbe Million Euro für die Versorgung der Wisente („das Herzensthema“) auszugeben, das psychosoziale Zentrum für Geflüchtete aber ins Aus treibe: „Wir lehnen Zuschüsse für soziale Projekte ab und stellen Kommunen handlungsunfähig. Das entsetzt mich.“

Die Beschlüsse

Energieverein Siegen-Wittgenstein: Für eine zusätzliche Personalstelle zur Energieberatung überweist der Kreis jährlich 53.000 Euro. Beschlossen wird mit 26 gegen 23 Stimmen, dafür sind SPD, Grüne, Linke und Horst Günter Linde (UWG).

Notstromversorgung: Für 90.000 Euro bekommt die Kreisleitstelle eine Notstromversorgung für die digitale Alarmierung. Damit können bis zu 16 Stunden Stromausfall überbrückt werden. Einstimmig beschlossen.

Haus der Innovation: Bei der Förderung von Firmengründungen ist der Kreis bis Ende 2026 mit 16.000 Euro jährlich dabei. Gegenstimmen von AfD und Wir Bürger.

Prostituiertenberatungsstelle Tamar: Die Kosten steigen, der Zuschuss soll von 33.000 auf bis zu rund 35.400 Euro erhöht werden. Auch diese Mehrausgabe sei eine „freiwillige Leistung“, sagte Thomas Helmkampf (CDU). „Gerade mal 2500 Euro mehr“, sagte Maike Menn (Grüne). Beschlossen mit 28 gegen 22 Stimmen. Heinz Jürgen Völkel (UWG) und Regine Stephan (AfD) stimmen mit SPD, Grünen und Linken.

Auch interessant

Ranger: Mit 19.000 Euro im Jahr will sich der Kreis an einer Ranger-Stelle des Landesbetriebes Wald und Holz beteiligen, der in Natura-2000-Schutzgebieten aufpasst. Eine Mehrheit stimmt zu. Allerdings, so Landrat Andreas Müller, sei gar nicht mehr sicher, ob der Landesbetrieb im nächsten Jahr das nötige Geld hat. Der Beschluss des Kreistags würde dann ins Leere laufen.

Dauerausstellung Aktives Museum: Der Kreis beteiligt sich mit bis zu 50.000 Euro, beschließt der Kreistag bei einigen Stimmenthaltungen.

Das kann doch so nicht weitergehen.
Thomas Helmkampf

Wohnungsmarktanalyse: Mit 24 gegen 24 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen abgelehnt. Der Kreis wollte die erstmals 2019 vorgenommene Erhebung fortschreiben lassen.

Wohnberatung: Bisher bezahlt der Kreis rund 56.500 Euro, künftig sollen es 10.000 Euro mehr sein. „Das kann doch so nicht weitergehen“, sagte Thomas Helmkampf (CDU). Sozialdezernent Thomas Wüst wies darauf hin, dass die drei Trägervereine AWO, Caritas und Alter Aktiv keine Rücklagen hätten, um entstehende Mehrkosten selbst zu tragen. Mit 25 Stimmen von SPD, Grünen, Linken, UWG und Landrat gegen 24 Stimmen beschlossen.

Gefahrenabwehrzentrum: Die erste Million von fünf Millionen Euro Planungskosten wird bereitgestellt. Noch weiß niemand, wo das mindestens 40 Millionen Euro teure Gebäude stehen wird. Je nach Standort könnten auch THW und DRK mit einziehen, regte Hermann-Josef Droege (CDU) an. Guido Müller (FDP) fragte, ob auch ein Zusammengehen mit Nachbarkreisen möglich sei. Zumindest in Olpe nicht mehr, antwortete Landrat Andreas Müller: „Die haben den Spatenstich schon hinter sich.“ Planungskosten und Bildung eines Planungs- und Baubeirates werden beschlossen, die Stelle für einen Architekten in der Kreisverwaltung wird abgelehnt.

Auch interessant

Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge: Der Zuschuss von 72.000 Euro, um die Lücke zwischen Landesförderung und Kosten zu schließen, wird - wie berichtet - mit 24 gegen 24 Stimmen abgelehnt.

Auch interessant

Biologische Station: Der Kreis übernimmt dauerhaft 20 Prozent der jährlichen Gesamtkosten, das sind rund 108.000 Euro. Vier Gegenstimmen kommen von SWM und FDP.

Auch interessant

Tag des Bevölkerungsschutzes: An einem „Tag des Bevölkerungsschutzes“ beteiligt sich der Kreis mit 25.000 Euro - allerdings wohl erst 2025, weil das nächste Jahr in Siegen von der 800-Jahrfeier geprägt sein wird. Außerdem soll sich der Kreis um die Ausrichtung eines NRW-Katastrophenschutztages bewerben. Vier Kreistagsmitglieder stimmen dagegen.

Rothaarsteigverein: Der Kreis erhöht seinen Mitgliedsbeitrag für drei Jahre um jährlich 3750 Euro. Damit soll ein Zukunftskonzept ermöglicht werden - womöglich auch die Übernahme durch die Touristikverbände. Die Mehrheit ist dafür.

Auch interessant

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++