Siegen-Wittgenstein. Die CDU ersetzt Sachpolitik durch Politikverweigerung, kritisiert SPD. Die Verwaltungschefs machen Druck. Und die Wohlfahrtsverbände warnen.

Der Widerspruch gegen die Absicht einer neuen „bürgerlichen Mehrheit“ im Kreistag, den Haushalt für 2024 nicht am Freitag, sondern erst im Februar zu verabschieden, trifft auf immer lauteren Widerspruch. Am Donnerstag hat sich Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß als Vorsitzender der Bürgermeisterkonferenz zu Wort gemeldet. Der Beschluss des Kreishaushaltes noch in diesem Jahr sei von großer Bedeutung, „da die Planungen der einzelnen Städte und Gemeinden sonst mit einem weiteren, großen Unsicherheitsfaktor im Rahmen der kommunalen Haushaltsberatungen belastet würden.“

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Die Bürgermeisterkonferenz habe sich für eine maßgebliche Senkung des Kreisumlagenhebesatzes ausgesprochen und dabei Möglichkeiten aufgezeigt, wie dies erreicht werden könnte. In der derzeit stattfindenden Diskussion zur Modifikation des Haushaltsentwurfes fänden sich einige dieser Möglichkeiten wieder mit der Folge, dass die Kreisumlage in der Summe um 15 Millionen Euro reduziert werden könnte. „Diese Entwicklung wird seitens der Bürgermeisterin und Bürgermeister ausdrücklich begrüßt. (...) Die Bürgermeisterkonferenz appelliert an die Akteure der Kreispolitik, zeitnah eine Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Situation in den Kommunen herbeizuführen und dabei die gebotenen und auch vorhandenen Möglichkeiten im Interesse der Kommunen zu nutzen.“

Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß fordert eine „zeitnahe“ Verabschiedung des Haushalts.
Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß fordert eine „zeitnahe“ Verabschiedung des Haushalts. © WP | Hendrik Schulz

SPD: „Maximaler politischer Schaden“

Auch die SPD-Kreistagsfraktion bekräftigt ihre Kritik an der „bürgerlichen Mehrheit“. Mit ihrem Ansinnen setze die CDU ihre „destruktive Politikverweigerung der letzten Monate nahtlos fort und toppt sie noch einmal“, so Fraktionschef Julian Maletz in einer Mitteilung. Die Kritik am Landrat sei dreist, unverschämt, niederträchtig. Die von den sechs Fraktionen kritisierten Aspekte seien ihnen sehr wohl bekannt gewesen, was aber offenbar ignoriert werde, um „maximalen politischen Schaden anzurichten“, so die SPD.

Julian Maletz, Vorsitzender SPD-Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein.
Julian Maletz, Vorsitzender SPD-Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein. © SPD Siegen-Wittgenstein | SPD Siegen-Wittgenstein

Demnach weigere sich die Union seit mehr als einem halben Jahr, über wichtige Themen in den zuständigen Ausschüssen zu diskutieren und entsprechende Beschlüsse zu fassen. Darunter würden die Akteure leiden: Kreissportbund oder Aktives Museum Südwestfalen warten „seit Monaten auf Finanzzusagen des Kreises“, heißt es weiter. „Ein ganzer Stapel an Vorlagen wurde bisher nicht beraten“. Diese „taktischen Spielchen der CDU schaden der Region massiv-“ Auch die Städte und Gemeinden hätten das Nachsehen, da sie einen konkreten Hebesatz der Kreisumlage kennen müssten, um ihre eigenen Haushalte aufstellen zu können.

Zu glauben, mit Hilfe eines konservativen Fraktionsbündnisses rund um die CDU, grüne Politik in Siegen-Wittgenstein machen zu können, ist blauäugig und naiv.
Julian Maletz

Der SPD-Fraktionsvorsitzende bedauert, dass die Grünen nun offenbar bereit seien, eine Allianz mit der CDU einzugehen: „Wir sehen sehr wohl, dass bei den Grünen der Frust sehr tief sitzt, weil ihre aktuellen Herzensprojekte keine Chance auf Realisierung haben – zum Beispiel die Gründung einer Energiegesellschaft oder die Errichtung eines Nationalparks. Dafür gibt es einfach keine politischen Mehrheiten. Und auch die Zukunft der freilebenden Wisente im Rothaargebirge ist nach der Insolvenz des Trägervereins unsicherer denn je“, so Maletz. „Jetzt aber zu glauben, mit Hilfe eines konservativen Fraktionsbündnisses rund um die CDU, grüne Politik in Siegen-Wittgenstein machen zu können, ist blauäugig und naiv.“

Wohlfahrtsverbände warnen

Geäußert haben sich auch die in der Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände. Sollte der Haushalt erst im Februar 2024 verabschiedet werden, „sehen die Verbände gerade kleine und spezialisierte Angebote in ihrer Existenz gefährdet und zwar schon sehr kurzfristig“. So werde unbeabsichtigt soziale Infrastruktur irreparabel zerstört, warnen die Verbände in ihrer Pressemitteilung: „Mit der Verschiebung der Haushaltsentscheidung wird mit der Existenz von Menschen gespielt.“

Mit der Verschiebung der Haushaltsentscheidung wird mit der Existenz von Menschen gespielt.
Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt

Nach dem Zerbrechen der SPD-CDU-Kooperation gab es im Kreistag keine klaren Mehrheiten mehr. Schon im vorigen Jahr hatte die AfD der CDU sich für die Herstellung einer „bürgerlichen Mehrheit“ angeboten. Dort finden sich nun aber - zumindest für den Antrag zur Vertagung - die Grünen. Die Initiative dazu, den Haushalt von der Tagesordnung zu nehmen, soll nach Informationen dieser Zeitung allerdings die UWG in einer Runde der Fraktionsvorsitzenden ergriffen haben. Dies dürfte vor allem die FDP sehr gern zur Kenntnis genommen haben. Weil Fraktionschef Guido Müller am Freitagabend als „Guido Fliege“ im Lyz auftritt und sein einziger Fraktionskollege im Kreistag sich krank gemeldet hat, würde die FDP für eine Mehrheitsbildung komplett ausfallen - und die könnte, angesichts einer ganzen Reihe weiterer Krankmeldungen, doch noch knapp werden.

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