Weidenau. Der Sohn der Bäckereifamilie Harr unterstützt Hafer-Back in Weidenau. Das Gebäude kennt er noch von früher – es steckt voller Erinnerungen.
Beide sind in einer Bäckerfamilie großgeworden, haben Betriebswirtschaft studiert und die Nachfolge in einer Familienbäckerei angetreten: Hubertus Siebdrat bei der ehemaligen Bäckerei Harr und Hanna Hafer bei der Bäckerei Hafer-Back verkörpern zwei Generationen in derselben Branche. Auch die Verkaufstelle am Weidenauer Hauptmarkt verbindet die beiden Familienbäckereien miteinander. Vor 50 Jahren hat Familie Harr dort erstmals ein Café eingerichtet. Anfang der 2000er hat die Familie Hafer übernommen. Nun hat dort eine neue, modernisierte „Hafer-Back Stube“ eröffnet.
Neueröffnung in Siegen: „Hafer-Back“ eröffnet Filiale an einem Ort mit Geschichte
Mit einem angepassten Verkaufsraum – die Familienbäckerei will von Selbstbedienung auf mehr Service umsteigen – bietet die Bäckereifiliale wieder mehr Sitzmöglichkeiten als zuvor. Kein Vergleich zum alten Café Harr an selber Stelle. Dieses ging über zwei Etagen und hatte weit über 200 Sitzplätze, wie Hubertus Siebdrat berichtet. Auch der heute benachbarte Friseursalon habe noch dazugehört: Dort war die Treppe zur zweiten Etage, erinnert er sich.
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„Es ist wichtig, dass man auch zu Veränderungen bereit ist“, erklärt Hubertus Siebdrat. Er ist der Sohn der traditionsreichen Siegener Bäckerfamilie Harr. „Ich komme so richtig aus einer Bäckerfamilie“, sagt er. Geleitet hat er das Unternehmen in der 6. Generation.
Bäckerei Harr gibt es nicht mehr, doch Hubertus Siebdrat hat die Branche nicht ganz verlassen. Der gelernte Bäckermeister und Konditor berät nun unter anderem die Bäckerei Hafer, arbeitet für das Unternehmen „Vandemoortele“ im Bereich Margarinen und Fette. Besonders am Herzen liegen ihm dabei natürlich die Bäckereien im Siegerland. Ganz aktuell hat er gemeinsam mit der Familie Hafer die Laugenbrezeln umgestellt: „Ein Gebäck, das sehr schwierig herzustellen ist.“
Frühere Bäckerei Harr in Siegen: „Kultur des Mittagstisches war noch eine ganz andere“
Die Bäckerei Harr, der Familienbäckerei des 57-Jährigen, gab es von 1789 bis 2006. Die Eröffnung der Filiale in Weidenau war 1973 der erste Standort außerhalb der Siegener Stadtgrenzen. Damals gab es noch ein völlig anderes Café- und Bäckereikonzept, erinnert sich Hubertus Siebdrat. Das Angebot habe sich damals nicht nur auf Backwaren beschränkt: „Die Kultur des Mittagstisches war noch eine ganz andere.“ Coca Cola, Fanta oder Sprite wurde aus Zapfanlagen serviert und neben Brot und Brötchen habe es auch ein ausgeprägtes Konditorangebot gegeben.
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Begeistert von dem Bäckerhandwerk ist Hubertus Siebdrat auch heute noch: „Die Kunst ist es ja, jeden Tag das bestmögliche Lebensmittel herzustellen. Es so zu produzieren, dass der Kunde zufrieden ist.“ Dabei seien viele Faktoren, wie beispielsweise Luftfeuchtigkeit und Temperatur jedes Mal aufs Neue mit einzubeziehen. „Und der Konsument erwartet heute auch viel mehr Qualität, Regionalität und Vielfalt als noch vor ein paar Jahren“, erklärt Hubertus Siebdrat.
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Viele Backwaren seien früher gar nicht bekannt gewesen: Donuts gebe es seit Anfang der 1990er, Muffins seien noch später in die Sortimente aufgenommen worden. Und auch viele Spezialitäten aus Frankreich, Italien oder Spanien seien erst mit den Jahren dazugekommen. „Die Neugier der Kunden ist ja heute eine ganz andere.“ Und auch die Vielfalt der Brote und Brötchen habe zugenommen. Wenn früher hundert Brote einer Sorte angeboten worden wären, so würden nun bei gleicher Brotanzahl zehn unterschiedliche Sorten hergestellt.
Bäckerhandwerk im Wandel: „Wenige Junge kommen nach“
Auch am großangelegten Umbau der Weidenauer Bäckerei lässt sich der Wandel des Handwerks ablesen. „Mein Vater hat in der Bahnhofstraße in Siegen die siebte Selbstbedienungsbäckerei in Deutschland eröffnet“, erzählt Hanna Hafer. Damals sei dies sehr gefragt gewesen. Aber es habe sich wieder verändert: „Der Trend geht wieder hin zur Fachberatung.“ Neben ihrem Studium der Betriebswirtschaft hat Hanna Hafer eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin abgeschlossen und ist mittlerweile in der Unternehmensführung der vergleichsweise jungen Bäckerei.
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Die Bäckerei Hafer wurde 1987 von ihren Eltern – die sich in der Berufsschule kennenlernten – gegründet. Mittlerweile gehören der Familie 17 Filialen. Als Kind sei Hanna Hafer oft bei ihrer Mutter in einem Verkaufswagen mitgefahren, erinnert sie sich an ihren frühen Kontakt zur Bäckerei. Heute seien in der Backstube des Familienunternehmens 30 Leute beschäftigt. Aber auch in diesem Handwerk zeige sich der Fachkräftemangel, berichtet Hanna Hafer: „Wenige Junge kommen nach.“ Eine große Herausforderung stelle dabei der Wissenstransfer von alt zu jung dar. Viele der erfahrenen Arbeitskräfte stünden bereits kurz vor der Rente, dabei dürfe das Wissen nicht verloren gehen: „Das ist unsere Aufgabe, das zu wahren“, betont Hanna Hafer.
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Und die Herstellung der Backwaren erfordere eine lange Kette an Menschen, die ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllen. Vom Mehl bis in die Filiale und zum Kunden oder zur Kundin seien viele Arbeitsschritte zu vollziehen: Dabei komme es auf jeden Einzelnen an: „Jedes Rädchen ist wichtig“, sagt Hanna Hafer. Aber wichtig sein vor allem, dass einem die Freude nicht verloren gehe: „Spaß am Tun ist das Wichtigste.“
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