Netphen/Wilnsdorf. Vor allem in Hainchen wird Widerspruch gegen das Vorhaben der Stadt laut, Container-Unterkünfte für Geflüchtete aufzustellen.

In Netphen und Wilnsdorf fallen Entscheidungen über Container-Unterkünfte für Geflüchtete. In beiden Gemeinden erhebt sich Widerspruch. Vor der Sondersitzung des Rates in Netphen am Donnerstag, 9. November, wird es eine Demonstration auf dem Rathausplatz geben. In Wilnsdorf protestiert der Sportverein gegen die „Containerburg“.

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Die Lage in Netphen

„Dringend“ muss zusätzlicher Wohnraum für Geflüchtete geschaffen werden, stellt die Verwaltung in ihrer Vorlage zur Sondersitzung des Rates am Donnerstag, 9. November, fest. „Wohncontainer sind momentan die einzige Möglichkeit, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen“. Als zu teuer und zu klein rät die Verwaltung von der Alternative ab, ein Gebäude in Holzständerbauweise zu errichten. Anders als im September vorgeschlagen soll nun nicht eine Anlage mit 60 Plätzen errichtet werden. Vorgeschlagen werden vielmehr drei Anlagen mit je 22 Plätzen. Die Stadt rechnet mit einer Ausgabe von bis zu 1,4 Millionen Euro.

Seit Mitte August werden der Stadt Netphen im Schnitt wöchentlich sechs Geflüchtete zur Aufnahme zugewiesen. Aktuell leben 417 Geflüchtete in Netphen, die Aufnahmeverpflichtung beträgt noch 19 Personen. Hinzu kommen 167 Personen mit positiv abgeschlossenem Asylverfahren oder einem anderen Schutzstatus; sie haben eine dreijährige Wohnsitzauflage für Netphen. Aus dieser Personengruppe muss die Stadt noch 142 Personen aufnehmen.

Im vorigen Jahr kamen mehr als drei Viertel der Geflüchteten aus der Ukraine, in diesem Jahr stellen Ukrainer und Syrer zusammen etwa die Hälfte der Aufgenommenen. 310 Personen leben derzeit in 17 Gemeinschaftsunterkünften, 22 Plätze können noch – außerhalb der Georg-Heimann-Halle – belegt werden.

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Die Verwaltung plädiert vehement dafür, die Georg-Heimann-Halle nicht länger als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Schulen, Vereinen und Veranstaltern fehle die Halle, deren Substanz unter der dafür nicht ausgelegten Nutzung „außerordentlich“ leide. Die Bewohner hätten nur „minimale“ Privatsphäre. Allein der Sicherheitsdienst koste die Stadt monatlich bis zu 25.000 Euro. Abgesehen davon: Das Platzangebot reiche nicht aus. Wenn es zu keiner Containerlösung komme, „müsste die nächste Mehrzweckhalle in den Blick genommen werden“.

Die Geflüchteten wohnten keineswegs nur für kurze Zeit in den Gemeinschaftsunterkünften. Manche blieben für Jahre, führt die Verwaltung aus. Ihnen gelinge es nicht, Wohnungen zu finden, weil es keine gebe, weil sie zu teuer sind oder weil Mieter oder Vermieter „falsche Vorstellungen“ hätten. „Eine Wohnungsvermittlung unter Berücksichtigung aller Umstände ist von der Verwaltung nicht zu leisten.“

Die Standorte

Die Stadt hat 15 mögliche Standorte für eine Wohncontaineranlage untersuchen lassen. Kriterien waren die Verfügbarkeit des Grundstücks, die Erschließung durch eine Straße und das Baurecht. Geprüft wurde die Eignung für eine 60-Personen-Anlage mit 16 Wohncontainern und weiteren elf Containern für Küche, Aufenthalt, Waschraum und Sanitäranlagen, die insgesamt 900 Quadratmeter Grundfläche erfordert.

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Priorität 1 bekommt danach der Platz oberhalb des SGV-Heims am Güldenweg in Obernetphen. Dort stand bereits die Containeranlage für die AWO-Sport-Kita, bevor sie ihren Neubau am Freizeitpark beziehen konnte.

Priorität 2: Als gut geeignet wird die Erweiterung des Übergangsheims auf der Braas bezeichnet. Ebenfalls mit Priorität 2 eingestuft wird das Grundstück des abgerissenen Lokschuppens am Deuzer Bahnhof. Positiv hervorgehoben wird die Nähe zum Kälberhof-Einkaufszentrum. Der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV), der die Altlast saniert und das Gelände für eine Wohnbebauung vorbereitet, sei einverstanden, heißt es in der Vorlage der Verwaltung. Priorität 2 hat auch das Grundstück am Veilchenweg/Dillweg in Hainchen, auf dem die Container der inzwischen in Irmgarteichen neu gebauten Kita St. Cäcilia standen.

Priorität 3 (ebenfalls: „gut geeignet“) bekommt der städtische Bolzplatz auf dem Sterndill in Deuz – zumindest so lange, bis die Stadt dort die geplante Wohnbebauung verwirklicht. Ebenfalls Priorität 3 wird einem Grundstück an der Südstraße in Hainchen in der Nähe der Wasserburg zugeteilt. Es liegt gegenüber dem ehemaligen Schützenheim und grenzt an den Wasserspielplatz der Wasserburg an.

„Bedingt geeignet“ lautet die Einstufung für die Schmellenbach in Netphen. Der stadteigene Lagerplatz sei zu weit abgelegen vom Zentrum und von der nächsten Bushaltestelle. Ebenfalls „bedingt geeignet“ ist der Bolzplatz an der Anton-Gabriel-Straße wegen der dadurch gestörten Nachbarschaft; allerdings könne das Grundstück sich für eine „längerfristige Lösung“ (gemeint ist wohl ein Massivbau) eignen. Der Bolzplatz gilt allerdings auch zusammen mit der Georg-Heimann-Halle als möglicher Standort für den Neubau einer Grundschule. Bei der ehemaligen Tagesklinik, die bereits durch Geflüchtete belegt ist, wurden ein Erweiterungsbau und eine Containeranlage hinter dem Haus geprüft. Die dadurch entstehende Verdichtung und der hohe bauliche Aufwand führen zu dem Urteil „bedingt geeignet“. Angesehen hat sich die Verwaltung den Noch-Standort der Kita-Container am Freibad, der allerdings noch nicht verfügbar ist. Er wird ebenso als „bedingt geeignet“ eingestuft wie zwei weitere Standorte in Hainchen: Der eine an der Straße Am Sportplatz wird als Bolz-, Fest- und Spielplatz genutzt, der andere am Kirchweg als Lagerplatz und als Bedarfsparkplatz für Sportplatz und Schule benötigt. Als „bedingt geeignet“ genannt wird schließlich auch noch der Parkplatz 3 im Freizeitpark, den der Rat schon als Erweiterungsfläche für das Demenzzentrum Haus St. Anna freigegeben hat.

Nicht geeignet: Durchgefallen ist eine Wiese in der Schmellenbach, die verfügbare Fläche von 600 Quadratmetern sei zu klein. Ebenso nicht in Frage kommen soll, weil zu schmal, der Park- und Grünstreifen am Sportplatz Dreis-Tiefenbach.

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Der Protest

Fast drei Viertel der Wahlberechtigten in Hainchen haben den Protest gegen die vier in Hainchen vorgeschlagenen Standorte unterschrieben. „Die aufkommenden Sorgen der Bevölkerung werden von der Kommunalpolitik und der Verwaltung offenbar nicht ernst genommen“, sagt Ortsbürgermeister Tobias Schattenberg. Eine Reaktion habe es jedenfalls noch von keiner Ratsfraktion gegeben. Am Donnerstag wollen die Haincher ab 16 Uhr vor der Ratssitzung auf dem Rathausplatz demonstrieren. Sie fordern, die Spiel- und Bolzplätze zu erhalten und auch keine Wohnanlage in der Nähe von Schule und Friedhof aufzustellen. Die Bürgerinnen und Bürger weisen darauf hin, dass der Ort mit der Notunterkunft im ehemaligen Gasthaus Haincher Höhe seinen Beitrag leiste. „Die Familien dort werden integriert, die Kinder spielen Fußball im Verein“, berichtet Tobias Schattenberg, „Integration wird einfacher, wenn man das auf die Ortsteile verteilt.“ Es gebe Leerstände im Stadtgebiet, „ich werde Vorschläge machen“, kündigt der Haincher Ortsbürgermeister an, „wir kritisieren das Vorgehen der Verwaltung, Zeitdruck aufzubauen.“

Kommentar: Wohncontainer für Geflüchtete: An der Schmerzgrenze

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