Netphen. Containeranlagen als Notunterkünfte in Obernetphen oder Hainchen sind für den Rat keine Lösung – noch nicht. Jetzt sind neue Ideen gefragt.
Bürgermeister Paul Wagener weiß von vornherein, wie die Diskussion über die Standorte für Notunterkünfte ausgeht: „Es wird oft heißer gekocht als gegessen“, beruhigt er die Besucher aus Hainchen, die im Zuschauerbereich Platz genommen haben. In der Tat: Der Rat wird – noch – nicht über Containeranlagen für Geflüchtete beschließen und die Diskussion auf den November vertagen. Fast einstimmig, gegen seine eigene Stimme: „Das ist schließlich eine Vorlage meiner Verwaltung.“
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Verwaltung hat elf Standorte untersucht
Der Vorschlag der Verwaltung stößt auf breite Ablehnung: Die würde die 30 Container für 60 Personen vorzugsweise auf dem Platz über dem SGV-Heim in Netphen oder am alten Haincher Sportplatz platzieren – an beiden Standorten waren auch schon einmal Übergangs-Kitas aufgestellt, die inzwischen in Neubauten umgezogen sind, die Sport-Kita am Freizeitpark, St. Cäcilia nach Irmgarteichen. Insgesamt elf Möglichkeiten habe die Verwaltung untersucht, berichtet der Bürgermeister: darunter auch noch die Schmellenbach in Netphen, den Bolzplatz an der Georg-Heimann-Halle, eine Erweiterung der ehemaligen, jetzt schon als Flüchtlingsunterkunft genutzten Tagesklinik, in Deuz das Lokschuppengelände oder den jetzigen Stellplatz der Kita-Container am Freibad, Dillweg oder Kirchweg in Hainchen oder die Erweiterung der Anlage Hinterm Liesch in Dreis-Tiefenbach. „Wenn Sie bessere Vorschläge haben, sagen Sie’s uns.“
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Hainchen nicht der richtige Ort für junge Männer
Benedikt Büdenbender (CDU) fordert, beim Prinzip der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten zu bleiben. Container seien die schlechteste Lösung, „die sollten wir, wenn es irgendwie möglich ist, vermeiden“. „Wir haben großes Potenzial, etwas mit kleinen Einheiten zu machen“, glaubt Silvia Glomski (Grüne). Für die alleinstehenden jungen Männer. die vor allem untergebracht werden müssen, sei Hainchen nicht der richtige Ort, „Die sind auf dem Dorf nicht gut untergebracht.“ Allenfalls das zentrumsnähere Obernetphen komme in Frage, das aber auch erst einmal nur für 30 Personen. Markus Sting (Grüne) ist dafür, die Container auf mehrere Standorte zu verteilen: „Das würde uns eine Menge Ärger ersparen.“
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Lothar Kämpfer (SPD) ärgert sich: Als der Sozialausschuss sich vorige Woche mit Flüchtlingsthemen befasst habe, sei von einer erforderlichen Containerunterkunft noch keine Rede gewesen. Eine schnelle Lösung böten die ohnehin nicht: Die Behelfsheime seien nun sehr teuer, wenn überhaupt lieferbar. Schließlich hätten alle Kommunen dasselbe Problem, das daraus entsteht, dass die Erstaufnahmekapazitäten nicht geschaffen wurden, „Das Land transformiert seine Untätigkeit.“ „Ich bin es leid, Befehlsempfänger zu sein“, teilt Klaus-Peter Wilhelm (UWG) mit, „mittlerweile gibt es auch Kommunen, die dagegen klagen – die machen das nicht mehr mit.“
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Kritik: Keine gleichmäßige Verteilung auf Ortsteile
Dorothee Spies (CDU) weist darauf hin, das bereits 148 von 278 untergebrachten Personen eine Gemeinschaftsunterkunft in Netphen-Mitte nutzen. „Wie ist die Verteilung auf die anderen Ortsteile?“ Harald Boch (CDU) stellt fest, dass in Dreis-Tiefenbach weniger Geflüchtete einquartiert sind als im viel kleineren Hainchen. „Die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht.“ Sebastian Zimmermann (CDU) fordert, die bei der letzten großen Fluchtkrise 2015/16 entstandenen ehrenamtlichen Strukturen neu schaffen und die damals Aktien anzusprechen. „Das wird die hauptamtliche Verwaltung überfordern.“ Geprüft werden sollten auch Alternativen zum Container, Bauten in Holzständerbauweise zum Beispiel oder Modulbauten, wie sie für Schulen verwendet werden. „Das Thema ist nicht in zwei Jahren vorbei“, bestätigt Kämmerer Christian Walde. Zwei Jahre Miete für eine gebrauchte Containeranlage würden die Stadt rund 684.000 Euro kosten. Ab 740.000 Euro könnte sie eine solche Anlage neu kaufen.
Gymnasium braucht die Georg-Heimann-Halle
Derzeit leben 278 Personen in Gemeinschaftsunterkünften in Netphen. Allein in diesem Jahr sind der Stadt 58 Asylsuchende und 29 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen worden, weitere 13 Ukrainer sind privat angereist und haben sich in Netphen angemeldet. Im Schnitt kommen aktuell 15 bis 30 Personen hinzu. Derzeit hat die Stadt noch 30 freie Wohnplätze – und die Georg-Heimann-Halle, die aber auf Dauer nicht mehr als Notunterkunft genutzt werden soll. Nicht nur die Vereine möchten die Halle wieder belegen. Das Gymnasium Netphen, das immer mehr Jahrgänge mit vier Parallelklassen hat, benötige die Halle „dringend“ für den Sportunterricht, sagt Bürgermeister Paul Wagener, „spätestens im nächsten Schuljahr“.
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