Netphen. Viele private Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge auch in Netphen erweisen sich nur als Lösung auf Zeit. Die Stadt muss Lösungen finden.

Die Stadt Netphen rechnet damit, dass Kriegsvertriebene aus der Ukraine zunehmend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden müssen. Ende Mai waren das erst 21 von insgesamt 224 Personen, die anderen hatten private Unterkünfte gefunden. Vermehrt gingen aber nun Anfragen zu Quartierswechseln ein, berichtet die Verwaltung dem Sozialausschuss, der sich am Mittwoch, 15. Juni, ab 17 Uhr im Ratssaal mit dem Thema befasst.

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Mehr Schrankwände als Wohnungen

„Es ist bei weitem nicht selbstverständlich, den privatem Wohnraum mit völlig fremden Menschen zu teilen oder bestehenden Wohnraum zu überlassen. Es ist eine Herausforderung, die mit der Dauer der Beherbergung auch durchaus belastend sein kann“, heißt es in dem Bericht. Langfristig würden am ehesten private Unterbringungen funktionieren, wo ganze Wohnungen, zumindest abgetrennte Einheiten mit eigenen Eingängen und Sanitäranlagen zur Verfügung gestellt werden können. Möglichst nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden Personen mit Haustieren, für ältere Menschen werden barrierefreie Wohnmöglichkeiten gesucht. Zwei von drei Minderjährigen, die allein nach Netphen gekommen sind, sind schon wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Sie wurden privat untergebracht, das Jugendamt war informiert.

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Unterbringungsangebote gingen bei der Stadt inzwischen „nur noch vereinzelt“ ein, berichtet die Verwaltung, dafür aber immer wieder Angebote aus Haushaltsauflösungen. „Vereinzelt zeigten Spendende hier großes Unverständnis für die Nichtannahme von Schrankwänden, Betten, Matratzen und anderen Wohnungsutensilien.“ Dafür sei aber in Gemeinschaftsunterkünften kein Platz. Die Verwaltung habe auch keinen Raum, um solche Spenden zu lagern.

„Über die Maßen“ aufwändige Arbeit mit Kredenbach

Im ehemaligen Kredenbacher Krankenhaus hat der Kreis Siegen-Wittgenstein außer einer „Pufferunterkunft“ auch ein Ankommenszentrum eingerichtet, wo die Geflüchteten medizinisch untersucht und geimpft werden können. Diese Adresse kommt für die Mehrzahl der Menschen aus der Ukraine in Frage, weil sie vorher nicht die zentralen Aufnahmeeinrichtungen des Landes angesteuert haben. Die Arbeit mit Kredenbach sei „über die Maßen ressourcenintensiv“, berichtet die Verwaltung: Die Termine für Untersuchungen und Impfungen müssen getrennt vereinbart werden. Wichtig ist vor allem die Tuberkulose-Untersuchung, „gerade weil viele Wohnformen ein sehr enges Zusammenleben mit den aufnehmenden Familien bedingen“, stellt die Flüchtlingsbetreuerin fest. „Die Fürsorgepflicht gegenüber den untergebrachten Personen obliegt der Stadt Netphen.“

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55 der 90 minderjährigen Ukrainer in Netphen sind schulpflichtig. Einige nehmen noch online am Unterricht in der Ukraine teil. Kindergartenplätze seien vor allem von ehrenamtlich Unterstützenden nachgefragt worden. Beim Gespräch mit den Eltern zeigte sich ein ums andere Mal, dass (noch) gar kein Kindergartenbesuch gewünscht war“, heißt es in dem Bericht. Auch das Interesse an Sprachkursen sei groß – aber nur bei denen, die dauerhaft bleiben wollten: „Wer sich perspektivisch nicht in Deutschland sieht, der ist auch mäßig am Spracherwerb interessiert.“

Weiter auch afghanische Ortskräfte und Flüchtlinge aus anderen Ländern

Die Verwaltung weist darauf hin, dass Flucht und Vertreibung nicht auf die Ukraine beschränkt sind: „Jedes Leid ist zu respektieren und anzuerkennen. Es existiert kein Wettbewerb, wer das größere Opfer von Krieg und Vertreibung ist“, heißt es in dem Bericht. „Alle in Netphen ankommenden Personen, ob aus der Ukraine, aus Afghanistan, aus Irak, Iran, Somalia, Eritrea, Nigeria, aus Bangladesch - sie alle werden untergebracht, erhalten Leistungen und Beratung hinsichtlich der ersten Schritte und Begleitung bei der Bewältigung des Alltags.“ Neben Flüchtlingen und Asylsuchenden hat die Stadt auch aus Afghanistan evakuierte Ortskräfte der Bundeswehr aufgenommen.

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Ehemalige Tagesklinik ist eingerichtet

Ihre Aufnahmeverpflichtung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz erfüllt die Stadt zu 90,6 Prozent – demnach müsste sie noch 32 Personen aufnehmen. Hinzu kommt eine Aufnahmeverpflichtung von noch 216 Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben, die mit einer Wohnsitzauflage für drei Jahre in Netphen verbunden ist. In Netphen leben zurzeit 125 Personen in Gemeinschaftsunterkünften – aktuell neu eingerichtet wurde die ehemalige Tagesklinik in der Talstraße.

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