Siegen-Wittgenstein. Bürgermeister kritisieren: Kreis macht mehr, als er soll, und schröpft dafür die Städte und Gemeinden.

Die Städte und Gemeinden wehren sich gegen die vom Kreis Siegen-Wittgenstein gewünschte Erhöhung der Kreisumlage. Diese sei „nicht zu verkraften“, erwidert die Bürgermeisterkonferenz auf die „Eckwerte“ des Haushaltsplans 2024, zu denen sie zur Stellungnahme aufgefordert wurden.

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Zusammen mit der Umlage für das Jugendamt müssten die Kommunen mittlerweile 65 Prozent ihrer Finanzkraft an den Kreis abgeben. Mit der Erhöhung des Hebesatzes um 3,77 Prozentpunkte würde der Kreis 34 Millionen Euro mehr einnehmen. Die Belastung je Einwohner steige von 640 Euro im Jahr um 20 Prozent auf 760 Euro, rechnet die Bürgermeisterkonferenz in dem vom Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß unterzeichneten Schreiben vor.

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Auch Ausgaben für Nahverkehr müssen nicht sein

Ein weiteres Mal kritisieren die Städte und Gemeinden, dass der Kreis nicht spart. „Alle freiwilligen Leistungen und auch alle wahrgenommenen Aufgaben, die über den gesetzlich geforderten Rahmen hinausgehen, müssen auf den Prüfstand.“ Ausdrücklich nennt die Bürgermeisterkonferenz in diesem Zusammenhang auch die „enorm gestiegenen Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr“. Und weiter: „Vor diesem Hintergrund sind allen etwaigen Überlegungen auf Kreisebene, weitere freiwillige Aufgaben zu übernehmen oder aber auf Einnahmen zu verzichten, (...) eine klare Absage zu erteilen. Für solche Vorhaben fehlen schlicht und einfach die finanziellen Spielräume.“

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Beispiele - gemeint sein könnte etwa der Einstieg des Kreises in das Wisentprojekt – werden in dem Schreiben nicht genannt, wohl aber Zahlen: Um rund 100 Millionen Euro seien die Ausgaben des Kreises innerhalb von zwei Jahren gestiegen, um 63 Personalstellen sei der Stellenplan der Kreisverwaltung innerhalb von fünf Jahren erweitert worden.

Vorwurf: Kreis macht Kommunen Konkurrenz

Die Bürgermeister erinnern daran, dass Kreise zusätzliche Aufgaben nur übernehmen sollen, wenn die einzelnen Kommunen dies nicht selbst könnten oder wenn damit ein Ausgleich zwischen den Kommunen erreicht werde. Tatsächlich habe der Kreis Aufgaben übernommen, bei denen fraglich sei, ob dieser Grundsatz beachtet worden sei. „In Teilen tritt der Kreis sogar in Konkurrenz zu einzelnen Kommunen.“ Auch hier werden in dem Schreiben keine Beispiele genannt, gemeint sein könnten Klimaschutz und Kultur. „In diesem Sinne sind alle in den letzten Jahre zusätzlich besetzten Tätigkeitsfelder kritisch zu hinterfragen.“

Bürgermeister rechnen vor: Geldbedarf ist geringer

Wiederkehrendes Thema in den jährlichen Stellungnahmen ist der Unterschied zwischen Planung und Ergebnis – an Stelle der kalkulierten Defizite wurden seit 2010 in fünf Jahren sogar Überschüsse erwirtschaftet. Insgesamt seien Verbesserungen von 14,7 Millionen Euro erzielt worden, was „nicht etwa auf eine sparsame Mittelbewirtschaftung zurückzuführen“ sei. Vielmehr würden „mit System verschiedenste Haushaltsansätze mehr als auskömmlich dotiert“.

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Die Bürgermeisterkonferenz empfiehlt dem Kreis, eine „globale Minderausgabe“ einzuplanen: Drei Prozent dürften drin sein, allein das würden Finanzbedarf um 5,8 Millionen Euro verringern. Als weiteren Schritt regen die Städte und Gemeinden an, die wegen Corona und Ukraine-Krieg „isolierten“ Ausgaben nicht ab 2026 Jahr für Jahr abzutragen – der Kreis will dies innerhalb von 20 Jahren tun, erlaubt sind 50 Jahre – , sondern mit dem Eigenkapital in der Allgemeinen Rücklage zu finanzieren. Auch der „Sockel“ von fünf Millionen Euro in der Ausgleichsrücklage müssen nicht stehen bleiben. Der „gebetsmühlenartig vorgetragene Hinweis“ stimme nicht, dass die Ausgleichsrücklage nur auf dem Papier bestehe und in Wirklichkeit mit Krediten finanziert werde.

Statt roten Zahlen Geld auf dem Konto

Die „vermeintlichen Kassenkredite“ würden gar nicht in Anspruch genommen, Ende 2022 zum Beispiel habe der Kreis 21,2 Millionen Euro flüssig auf dem Konto gehabt. Die Bürgermeister steigen tief in die Eigenheiten der Kommunalfinanzen ein. Weil nicht jeder „Aufwand“ – die Größe, mit der gerechnet wird – tatsächlich einer „Auszahlung“ entspricht, fließen von den Kommunen Geld zum Kreis, „denen keine tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüberstehen“.

„Die kreisangehörigen Kommen stehen aus finanzieller Sicht mit dem Rücken zur Wand“, heißt es zum Schluss des Schreibens, „der sich abzeichnende Wirtschaftsabschwung wird einen dramatischen Rückgang der anteiligen Steuereinnahmen zur Folge haben.“ Anders als im Vorjahr lehnen die Bürgermeister in diesem Jahr lediglich eine Erhöhung der Kreisumlage ab, eine Senkung fordern sie nicht – die könne aber gern „unterjährig“ erfolgen, wenn der tatsächliche Geldbedarf erkennbarer werde. Ein Entgegenkommen für den scheidenden Kreiskämmerer Thomas Damm, der im Dezember im Kreistag seinen letzten Haushalt vorlegen wird, ist das nicht. Die Bürgermeisterkonferenz behalte sich vor, im Kreistag „in öffentlicher Sitzung ergänzende Ausführungen“ zu machen. Walter Kiß hat das schon zwei Mal getan.

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