Siegen-Wittgenstein. Der Kreis hatte abgewunken, die Politik will dranbleiben: Ein Nationalpark in Siegen-Wittgenstein. Das Projekt macht vor allem viel Arbeit.

Einige betrachten die Aussicht auf einen Nationalpark in Siegen-Wittgenstein als Chance, andere halten schon den Ansatz für völlig chancenlos – und drei Monate mehr sollen es nun rausreißen. Um diesen Zeitraum soll die Landesregierung nämlich die Frist für die Bewerbung verlängern und Landrat Andreas Müller soll sie dazu bewegen, indem er sich in Düsseldorf dafür stark macht. Diesen Auftrag erteilte der Kreistag mit deutlicher Mehrheit nach eingehender Diskussion.

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Das Land Nordrhein-Westfalen möchte bekanntermaßen einen zweiten Nationalpark auf seinem Gebiet einrichten (zusätzlich zum bestehenden Nationalpark Eifel). In Siegen-Wittgenstein geht es in diesem Kontext vor allem um das „Fauna-Flora-Habitat“-(FFH)-Gebiet „Rothaarkamm und Wiesentäler“ zwischen Hilchenbach-Lützel, Netphen-Hainchen und Erndtebrück. Doch die Kreisverwaltung hatte vorgeschlagen, auf eine Bewerbung zu verzichten.

Nationalpark in Siegen-Wittgenstein: Abstimmungsaufwand groß, Zeitfenster klein

Der offizielle Aufruf ging am 6. September heraus, die Frist soll bis Ende März 2024 laufen. Zweifellos ist ein Nationalpark eine feine Sache, weil dort nationales Naturerbe bewahrt und umfangreicher Naturschutz betrieben werden, weil er der Erholung und dem wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn dient. Er erfordert aber auch eine gewisse Größe und bringt einige Einschränkungen mit sich, weil beispielsweise Bauprojekte und wirtschaftliche Nutzung innerhalb seiner Grenzen nicht oder nur sehr bedingt zulässig sind.

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Eine Einigung über eine solche Einrichtung zu erzielen, erfordert also „sehr viele Beteiligte“, wie Andreas Müller einleitend im Kreistag hervorhob. Für die Verwaltung sei „völlig unvorstellbar, wie das bis Ende März in eine Lösung münden soll“. Es sei ein Prozess „mit hunderten Menschen“, die teils sehr unterschiedliche Interessen hätten: Jäger, Förster, Naturschutzverbände, Waldbesitzer, Unternehmen und und und. „Ich prognostiziere sehr hitzige Diskussionen. Das wird sehr viele personelle Ressourcen verschlingen. Das geht nicht ,mal eben’.“ Vor allem, das ergänzte der Landrat später noch, weil manche Positionen ganz einfach Zeit benötigen würden, damit sich eine Annäherung vollziehen könne.

Siegen Nationalpark - Schutzgebiet, das in Frage käme.
Siegen Nationalpark - Schutzgebiet, das in Frage käme. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Siegen-Wittgenstein: Landrat soll längere Bewerbungsfrist für Nationalpark erreichen

Dass das Düsseldorfer Zeitfenster zu eng sei, darüber herrschte im Kreistag Einigkeit. „Ja, es ist komplex und wird in einem halben Jahr nicht zu schaffen sein“, stimmte Fraktions-Vorsitzender Ulrich Schmidt-Kalteich für die Grünen zu – von denen der Antrag stammt, der Landrat möge in Düsseldorf für eine Fristverlängerung werben. Doch „wir wollen auf die positiven Aspekte hinweisen“, die die Einrichtung eines Nationalparks mit sich bringe, fuhr Ulrich Schmidt-Kalteich fort. „Es ist sicher nicht falsch, sich darüber zu unterhalten. Aber wir brauchen mehr Zeit.“

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Auch die CDU wolle sich die Optionen noch „offenhalten“, sagte Fraktionschef Hermann-Josef Droege, um später dann nach intensiverer Erörterung zu entscheiden, „ob man sich bewerben will“. Er nannte für Letzteres die Kreistagssitzung am 21. Juni 2024 als Termin. Erforderlich sei „ein breiter öffentlicher Konsens“, und dafür sei es unerlässlich „zu einem breiten Meinungsbild der Region zu kommen“. Allerdings dürften Bedenken heimischer Unternehmen nicht ignoriert werden. „Kein Interessensausgleich, keine Bewerbung“, betonte Hermann-Josef Droege. Auf Ähnliches hatte auch die Verwaltung in ihrer Vorlage hingewiesen: Siegen-Wittgenstein, Südwestfalen überhaupt sei nun einmal eine Wirtschaftsregion und von daher nicht gerade als Standort für einen Nationalpark prädestiniert.

Siegen-Wittgenstein: Nationalpark könnte Auswirkungen auf Route 57 haben

Was ein Nationalpark für Folgen haben könnte, wurde etwas später noch angedeutet, als SPD-Fraktionsvorsitzender Julian Maletz – der sich pro Fristverlängerung und ergebnisoffene Diskussion äußerte – nach Auswirkungen etwa für die Route 57 fragte. „Das liegt am Zuschnitt“, antwortete Andreas Müller. „Straßenausbauten wären in dem Gebiet allerdings nicht möglich.“ Michael Sittler (SPD) formulierte seine Befürchtungen deutlicher. „Ein Nationalpark wird die Verkehrsminister des Bundes und des Landes bewegen, gänzlich auf die Route 57 zu verzichten.“ Er konnte sich vor diesem Hintergrund nicht einmal damit anfreunden, über eine Bewerbung überhaupt nachzudenken: „Schon das Signal ist tödlich.“ Und auch für eine dritte Talsperre im Kreisgebiet sehe er, wenn hier ein Nationalpark Realität würde, schlechte Karten. Guido Müller, Fraktionsvorsitzender der FDP, bat die Verwaltung darum, Informationen darüber, inwieweit Talsperre oder Route 57 betroffen sein könnten, nachzureichen. Sollte das Straßenbauvorhaben tatsächlich in Gefahr geraten können, sei dies „ein K.O.-Kriterium“ für einen Nationalpark, wie Hermann-Josef Droege noch anmerkte.

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Sehr unverblümte Skepsis brachte Ullrich-Eberhardt Georgi zum Ausdruck. „Das ist alles für die Katz’“, sagte der Linken-Fraktionschef. „Wenn es einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen geben wird, dann überall – nur nicht hier.“ Die Verwaltung solle für den Versuch keine Arbeitskraft binden. In der Tat gilt als aussichtsreichster Kandidat derzeit das Eggegebirge in Ostwestfalen.

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