Wittgenstein. Ein Nationalpark könnte eine Lösung für das Problem mit der freien Wisent-Herde sein. Doch der Kreis nennt einige Gründe, die dagegen sprechen.

Ein Nationalpark am Rothaarkamm, die freilebenden Wisente in der Verantwortung des Landes NRW – im ersten Moment klingt dieser Vorstoß des Landes interessant, vielleicht gar nach einer Lösung für die Causa Wisent-Projekt. Doch so einfach ist es dann doch nicht, denn ein Nationalpark würde auch einige andere Bereiche betreffen – wie Windkraftvorrangzonen und die in dieser Region stark präsente Forstwirtschaft. Der Kreis Siegen-Wittgenstein will also den Vorschlag des Landes abweisen und sich nicht für die Einrichtung eines Nationalparks bewerben. Darüber gilt es aber im Kreistag noch, abzustimmen.

Lesen Sie auch: Rothaarkamm: NRW will Heimat der Wisente als Nationalpark

„Der Kreistag des Kreises Siegen-Wittgenstein sieht es als wichtige Voraussetzung für eine Bewerbung als Nationalparkregion an, dass die dazu notwendigen Entscheidungen von allen betroffenen Städten und Gemeinden mitgetragen werden, eine breite Unterstützung von gesellschaftlich relevanten Gruppen, Institutionen und Verbänden erfahren, auf große Akzeptanz in der Bevölkerung treffen und im Konsens mit betroffenen Grundstückseigentümern und Bewirtschaftern herbeigeführt werden. Es wird angesichts der für das Gebiet des Kreises Siegen-Wittgenstein festzustellenden Ausgangssituation für nicht möglich gehalten, die dazu erforderlichen Prozesse in dem von der Landesregierung vorgegebenen Zeitraum durchzuführen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein wird sich deswegen in den jetzt von der Landesregierung eingeleiteten Findungsprozess für einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen nicht einbringen und auf eine Bewerbung als Nationalparkregion verzichten“, lautet der Beschlussvorschlag. Eine Diskussion dazu ist jedoch zumindest erwartbar, denn so kommentiert FDP-Fraktionsvorsitzender im Kreis Guido Müller auf Facebook zur Idee des Landes eines Nationalparks am Rothaarkamm: „Ich werde mich dafür aussprechen! Ich denke die FDP-Fraktion wird dem auch geschlossen zustimmen. Das Thema ,Dritte Talsperre’ müsste dann aber gelöst werden.“

Ziel bereits 2022 benannt

Mit dem Vorstoß zur Einrichtung eines weiteren Nationalparks in Nordrhein-Westfalen neben der Eifel folgt die Landesregierung dem im Jahr 2022 abgeschlossenen Koalitionsvertrag „Zukunft für Nordrhein-Westfalen“ genannten Ziel, im Landesgebiet einen zweiten Nationalpark zu konkretisieren.

Der dafür geplante Findungsprozess, soll bis Ende des ersten Quartals 2024 laufen und in Entscheidungen der kreisfreien Städte und Kreise münden, ob sie sich mit konkreten Vorschlägen und Gebieten für die Einrichtung eines Nationalparks bewerben möchten. „In ihren Ankündigungen hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass für die Einrichtung eines Nationalparks unter anderem auch großflächige, weitgehend unzerschnittene und naturschutzfachlichbedeutsame Naturräume geeignet sein können, die einen hohen Anteil an im Besitz des Landes NRW liegenden Grundstücken aufweisen. In diesem Zusammenhang wurde auch konkret ein sich im Bereich des Rothaarkamms erstreckendes Gebiet benannt“, so die Kreisverwaltung.

„Erhebliche Skepsis ob die Region geeignet ist“

Besonders zu berücksichtigen sei, dass angesichts des strengen Schutzregimes und der damit einhergehenden Ver- und Gebote, die mit der Festsetzung größerer Teilgebiete des Kreises als Nationalpark verbunden wären, eine „erhebliche Skepsis anzumelden ist, ob diese Region im südlichsten Westfalen, die gleichzeitig eine der stärksten Wirtschaftsregionen in Nordrhein-Westfalen ist, tatsächlich dafür geeignet ist“, geht es aus der Beschlussvorlage hervor. Denn: Damit seien unterschiedlichste Anforderungen an die Weiterentwicklung der Infrastruktur und zur Bereitstellung von Siedlungsflächen für Wohnen, Gewerbe und Industrie verbunden, die vor zusätzliche Hemmnisse gestellt werden könnten.

„Nicht zuletzt ist sicherlich auch zu berücksichtigen, dass Sauer- und Siegerland und der Wittgensteiner Raum nach den jüngsten Planungen des Landes auch zu den Gebieten gehören sollen, die beim Ausbau der erneuerbaren Energien, namentlich der Windenergie, besondere, auch flächenmäßige Beiträge leisten sollen, mit der nicht unerhebliche Belastungen für den Natur- und Landschaftsraum verbunden sind, die mit Überlegungen für die Ausweisung eines neuen Nationalparks nur schwer in Einklang zu bringen sind“; so die Kreisverwaltung.

Die positiven Effekte, die die Einrichtung eines Nationalparks bedeuten würde, wolle die Kreisverwaltung gar nicht in Frage stellen. Jedoch stellt sie den Vergleich zu anderen Nationalparks in Deutschland – Nationalpark Eifel, Bayerischer Wald oder Jasmund – her, die „in der wirtschaftlichen Entwicklung erheblich schwächer strukturiert waren und sind, als dies für den Kreis Siegen-Wittgenstein oder für die Region Südwestfalen anzunehmen ist.“ Die Ausgangssituation stelle sich hier also auch angesichts der für den heimischen Arbeitsmarkt festzustellenden Rahmenbedingungen völlig anders dar als in Regionen, die nicht in dieser Intensität eine mittelständische Wirtschaft vorweisen können.