Siegen. Seit Jahren weist der Kreis Siegen-Wittgenstein darauf hin, dass Pflegeplätze fehlen. Jetzt will er selbst tätig werden. Das heißt: Es versuchen.

Der Kreis will aktiv zur Schaffung zusätzlicher Pflegeplätze beitragen. Landrat Andreas Müller soll bei der Kreisklinikum Siegen GmbH „darauf hinwirken“, dass diese entsprechende Plätze schafft. Diesen Beschluss fasste der Kreistag am Freitag einstimmig. „Ich habe eine sehr weiche Formulierung gewählt“, betonte Andreas Müller mit Verweis auf den Ausdruck „darauf hinwirken“ – in der Gleichung gibt es nämlich einige Unbekannte.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Keinesfalls unbekannt sind dabei die Prognosen. Laut der gesetzlich vorgeschriebenen Pflegebedarfsplanung, die der Kreis regelmäßig vorlegt, fehlten im Jahr 2018 bereits 157 Dauerpflegeplätze in Siegen-Wittgenstein, 2019 waren es 185. Und nach derzeitigem Stand ist von „einem kreisweiten Mehrbedarf von 547 Plätzen bis zum Jahr 2026“ auszugehen, wie in der Vorlage erläutert ist. Wohlbemerkt: Es geht dabei nicht um die Gesamtzahl erforderlicher Plätze, sondern um solche, die zusätzlich zu den bestehenden benötigt werden und die es noch nicht gibt.

Siegen-Wittgenstein: Zu wenig Pflegeplätze – der freie Markt ist keine Hilfe

Der Landrat merkte in der Sitzung auch an, dass der Kreis zwar immer wieder den von Jahr zu Jahr steigenden Platzbedarf konstatiere – „wir geben aber keine Antwort darauf, wie wir diesem Platzmangel begegnen. Ich erbitte mir vom Kreistag ein politisches Signal, dass wir den Bedarf nicht nur erkennen, sondern auch einen Vorschlag zur Milderung machen.“

Weitere Variante

Eine weitere Möglichkeit, die der Landrat angesichts des hohen Bedarfs an zusätzlichen Pflegeplätzen in der Kreistagssitzung erwähnte: „Wir gründen einen Eigenbetrieb.“ In diese Richtung gibt es aber weder Pläne noch Bestrebungen: „Das hatten wir schon mal.“

Das Kreisaltenheim habe sich gegen Ende seines Bestehens aufgrund eines Investitionsstaus in einem baulichen Zustand befunden, der zur Einstellung des Betriebs führte. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden daraufhin anderweitig untergebracht.

Auf den freien Markt zu vertrauen, habe er in der aktuellen Vorlage erst gar nicht angeregt. Selbst nach Senkung der Hürden, das geht aus der Vorlage hervor, hätten sich keine Investoren für die Verwirklichung neuer Einrichtungen gefunden. Es bestehe eine „Zurückhaltung am Markt“, sagte Andreas Müller, und das vor allem aus zwei Gründen: Stark gestiegene Baukosten und Fachkräftemangel. Ein Gebäude allein nützt schließlich nichts, wenn niemand darin arbeitet.

Siegen-Wittgenstein: Klinikum Siegen – Pflegeplätze nur ohne wirtschaftliches Risiko

Nun ist Pflege zweifellos etwas, womit sich das Klinikum Siegen, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Kreises, auskennt. Doch „das Kreisklinikum würde faktisch ein neues Geschäftsfeld eröffnen“, unterstrich CDU-Fraktions-Vorsitzender Hermann-Josef Droege. Das Pflegeplatz-Defizit sei „völlig unstrittig“, aber vor einer Entscheidung seien „mögliche betriebswirtschaftliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Kreisklinikums zu untersuchen“. Dem schloss sich UWG-Fraktions-Chef Hans Günter Bertelmann an. In Deutschland sei bereits ein Kliniksterben zu beobachten, ein neues Betätigungsfeld dürfe „nicht zum wirtschaftlichen Risiko für das Kreisklinikum werden“. Würde diese Maßgabe allerdings konsequent eingehalten, sei der Vorschlag durchaus „eine prima Sache“.

+++ Lesen Sie hier: 80 Plätze Verlust – wo werden alte Kreuztaler nun gepflegt?+++

Das sahen die übrigen Kreistagsmitglieder ähnlich. Es sei gut, „dass die Bevölkerung auch sieht, dass wird das unterstützen“, sagte Katrin Fey (Die Linke). „Wenn nicht wir, wer dann?“, fragte Guido Müller, Fraktionsvorsitzender der FDP. „Wir sehen das so, dass wir da als öffentliche Hand auch Verantwortung übernehmen müssen“, äußerte Björn Eckert für die Grünen. Und SPD-Fraktions-Vorsitzender Julian Maletz befand: „Ein erster Schritt in die richtige Richtung.“

Klinikum Siegen: Gespräche über Schaffung neuer Pflegeplätze sollen zeitnah beginnen

Ergänzt um den Zusatz, die Kreisklinikum Siegen GmbH solle alles „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten“ abwägen, bekam der Beschlussvorschlag unisono Zustimmung. Wie eine konkrete Ausgestaltung aussehen könnte, bleibt noch offen. Das Klinikum könnte beispielsweise auch einen Investor hinzunehmen und dann als Betreiber der Einrichtung auftreten. Landrat Andreas Müller kündigte an, das Thema in der nächsten Gesellschafterversammlung zu platzieren. Diese stehe zeitnah bevor.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++