Wilnsdorf. Permanent überlastet, große Sorgen bei Unterbringung und Integration, Solidarität bröckelt: Wilnsdorf sieht sich mit dem Rücken zur Wand.
Seit Monaten sind die Aufnahmekapazitäten der Gemeinde knapp unter der Belastungsgrenze und es wird nicht besser, so die Verwaltung. „Nahezu erschöpft“, seien die Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in Wilnsdorf, sagt 1. Beigeordneter Johannes Schneider im Rat. In der Sitzung steht das Thema mehrfach auf der Tagesordnung.
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Besonders treibt das Thema die Fraktion „Wir Bürger“ (WBLK) um, die in ihrer ebenfalls im Kreistag gestellten Anfrage Sympathie erkennen lassen für die Idee einer gemeinsamen Resolution wie des Baden-Württembergischen Landkreistags mit dem Titel „Geflüchtetenaufnahme steuern, begrenzen und auskömmlich finanzieren“. Solche Notrufe äußern derzeit verschiedene Kommunen in Eigenregie, auch Wilnsdorf, eine konzertierte Aktion in NRW indes ist nicht geplant. Gemeinsame Bestrebungen über den Städte- und Gemeindebund gebe es nicht, so die Wilnsdorfer Verwaltung – der prangere „gebetsmühlenartig“ das Vorgehen von Bund und Land im Hinblick auf die „permanente Überlastung der Kommunen“ an.
„Unterbringung in Massenunterkünften auch in Wilnsdorf leider bereits Alltag“
Man sehe sich gezwungen, „große Sorgen“ über die „aktuellen Herausforderungen bei der Flüchtlingsunterbringung und Integration“ zu äußern, heißt es in dem Wilnsdorfer Resolutionstext, der an Bundes- und Landesregierung, Städte- und Gemeindebund NRW, Landrat Andreas Müller und alle für Wilnsdorf zuständigen Abgeordneten adressiert ist: Man stehe ohne Wenn und Aber zum unerschütterlichen Menschenrecht auf Asyl, habe beträchtliche Anstrengungen unternommen, um den Menschen gerecht zu werden. Nun könne Wilnsdorf aber keine geordnete Unterbringung mehr gewährleisten, ebenso seien die Integrationsbemühungen an Kapazitätsgrenzen gestoßen. „Die Unterbringung in Massenunterkünften ist auch in Wilnsdorf leider bereits Alltag, stellt jedoch das Gegenteil von Integration in den Ort dar.“
Wilnsdorf sieht sich in dieser Sache – nicht nur finanziell – mit dem Rücken zur Wand. 161 Personen wurden der Gemeinde seit Jahresbeginn zugewiesen oder kamen ohne Zuweisung her; die meisten davon (62) aus der Ukraine, die anderen zum größten Teil aus Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan. „Ein Abebben der Zuweisungen ist nicht in Sicht“, trägt Schneider vor – für die kommenden Wochen seien weitere Zuweisungen angekündigt. Seit „geraumer Zeit“ suche die Verwaltung geeignete Immobilien. Der Mangel treffe nach wie vor die ganze Gemeinde, den ganzen Kreis.
Nicht nur beim Wohnen: Sozialämter, Jobcenter, Ausländerbehörden und Polizei hätten derart vielfältige Probleme zu bewältigen, dass personelle und finanzielle Rahmen „gesprengt“ seien. Der „Großteil der asylbegehrenden Ausländer“ verhalte sich unauffällig und positiv, aber die „relativ wenigen Personen, die durch ihr Verhalten auffällig werden“, würden „immense Kapazitäten an Verwaltungskraft binden, ohne dafür wirksame Konsequenzen fürchten zu müssen“, heißt es im von Bürgermeister Hannes Gieseler formulierten Resolutionstext. Zudem bröckele die Solidarität in der Bevölkerung, „wenn weiterhin Turnhallen nicht für den Vereinssport und Gemeinschaftshäuser nicht mehr für gesellige Veranstaltungen“ zur Verfügung stehen. „Hier ist der Ort, an dem unsere Familien und Freunde miteinander leben“ – auch mit Flüchtlingen.
Gemeinde: Kitas und Schulen in Wilnsdorf haben kaum noch Kapazitäten
Dass Solidarität an Grenzen gelange, zeige sich aber auch zunehmend in Schulen und Kitas: Allein seit Beginn des aktuellen Schuljahrs seien 21 Kinder in das System aufgenommen worden, die Nachfrage sei derart gestiegen, dass mitunter eine „Konkurrenzsituation“ entstanden sei. Von aktuell 26 Grundschulklassen hätten vier gar keine Aufnahmekapazität mehr, die anderen nur noch sehr wenig. „Eine wohnortnahe Beschulung von Geflüchteten im Primarbereich ist nicht mehr gegeben“ – genauso in den Kindergärten. Kinder, die auf eine weiterführende Schule wechseln, sollen zunächst zur Hauptschule gehen, da hier passgenauer unterrichtet und gefördert werden könne, etwa mit „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ).
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Die Gemeinde kritisiert konkret, immer mehr Menschen aufnehmen zu müssen, während gleichzeitig keine oder nur sehr verzögerte Entscheidungen über das Bleiberecht getroffen würden. Es sei niemandem gegenüber angemessen und fair, dass „Flüchtlinge viele Jahre hier in kommunalen Unterkünften auf eine Entscheidung zu ihrer Bleibeperspektive warten müssen“. Solche Entscheidungen seien binnen weniger Wochen zu treffen, so die Forderung – wenn die Menschen nicht bleiben können, konsequent und zeitnah abschieben; und wenn sie bleiben können, „sollen ihnen auch sofort jedwede Rechte und Pflichten eines Bürgers der Bundesrepublik übertragen werden“.