Siegen-Wittgenstein. Die 12-jährige Luise wurde in Freudenberg von zwei Mädchen getötet. Der Kreis befürchtet ein generelles Problem der Gewalt unter Kindern.

Nach dem Fall Luise will der Kreis Siegen-Wittgenstein mit sogenannten Präventionskonferenzen ein festes Format schaffen, um bei Gewalt und Mobbing unter Kindern und Jugendlichen früher als bisher intervenieren und helfen zu können. Start ist nach den Sommerferien.

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Der gewaltsame Tod der 12-jährigen Luise aus Freudenberg hat die Menschen in Siegen-Wittgenstein und weit darüber hinaus nachhaltig erschüttert. Die Schülerin war am Abend des 11. März 2023 als vermisst gemeldet, ihre Leiche tags darauf in einem Wald bei Hohenhain gefunden worden. Was den Fall auf schreckliche Art besonders macht: Zwei etwa gleichaltrige Mädchen haben die Tat gestanden. Was die beiden dazu getrieben hat, ist unklar. Die Ermittlungsbehörden waren wegen des jungen Alters der Beteiligten sehr zurückhaltend mit Informationen. Der leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz (der Tatort lag knapp auf Rheinland-Pfälzischem Gebiet) sagte in einer Pressekonferenz lediglich: „Was für Kinder möglicherweise ein Motiv ist, würde sich einem Erwachsenen nicht erschließen.“ Nach bisherigem allgemeinem Kenntnisstand ging es wohl um einen Streit und eine Art von Mobbing.

Fall Luise aus Freudenberg: Eltern zeigen nun mehr Sensibilität für Themen wie Mobbing

„Wir sind nach dem Fall Luise aufgerufen, uns diesen Themen intensiver zu nähern“, unterstreicht Landrat Andreas Müller im Gespräch mit der Redaktion. Der Bedarf zeige sich auch daran, dass mehr Menschen als zuvor sich mit Fragen und Beratungswünschen an die offiziellen Stellen wenden. „Wir stellen eine höhere Sensibilität für Themen wie Medienkonsum, Mobbing, Konfliktlösung fest.“ Einige Probleme hätten sich im Zusammenhang mit den Lockdowns und sonstigen Einschränkungen während der Pandemie verschärft. „Es scheint eine Alterskohorte zu geben, die unter Corona besonders gelitten hat“, sagt Andreas Müller.

Nicht mehr zuhause

Die beiden zum Tatzeitpunkt 12 und 13 Jahre alten Mädchen, die die Tötung von Luise gestanden haben, leben derzeit nicht in ihren Familien. Zu ihren Aufenthaltsorten machen die Behörden keine Angaben. Da die Mädchen am Tattag nicht strafmündig waren, können sie nicht vor Gericht gestellt werden.

Homeschooling, keine Möglichkeiten, Freunde zu treffen, in Vereine oder zum Sport zu gehen: „Die Isolation ließ Erfahrungen, die für Sozialisation und Konfliktbewältigung wichtig sind, wegbrechen. Da scheint eine Lücke zu bestehen.“ Um Frustrationstoleranz aufzubauen, den Umgang mit Niederlagen zu erlernen oder konstruktive Strategien für die Lösung von Auseinandersetzungen zu entwickeln, „gab es lange keine Erfahrungsräume“, sagt Andreas Müller. „Die Frage ist nun: Wo holen wir das wieder her? Es pendelte sich eben nicht von selbst wieder ein.“

Kreis Siegen-Wittgenstein will Kommunen bei Gewaltprävention unter Kindern helfen

Der Kreis habe „noch keine Antworten“ – was aber daran liegt, dass die Kommunen keine vorgefertigten Konzepte übergestülpt bekommen, sondern dass vor Ort die jeweiligen Bedarfe und Probleme analysiert werden sollen, um passgenaue Maßnahmen zu schaffen. Das soll nach den Sommerferien in den Präventionskonferenzen geschehen. Teilnehmen werden Akteurinnen und Akteure, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, Schulen, Kitas – und natürlich Einrichtungen wie das Jugendamt und die Polizei.

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Vorausgegangen ist ein „Kooperationsgespräch Gewaltprävention“ zwischen Kreisjugendamt (auch Initiator des Treffens), Polizei, Schulberatungsstelle und Kreisjugendring, wie Jugend- und Sozialdezernent Thomas Wüst erläutert. Es ging unter anderem um die Frage, welche Angebote benötigt werden, um Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt und Mobbing zu schützen – aber auch darum, wie sich Mobbingtäter besser identifizieren und für die Auswirkungen ihres Handelns sensibilisieren lassen. Außerdem ging es um Möglichkeiten, Fach- und Lehrkräfte für den Umgang mit dem Thema intensiver zu qualifizieren.

Siegen-Wittgenstein: Präventionskonferenzen sollen nach den Sommerferien starten

„Im Ergebnis waren sich die Teilnehmer einig, dass es viele Überschneidungspunkte gibt, die verschiedenen Regionen des Kreises allerdings auch unterschiedliche Bedarfe aufweisen“, sagt Thomas Wüst. Präventionskonferenzen sollen deshalb in vier Regionen im Kreisgebiet etabliert werden. Beteiligte, Inhalte, Ziele, Frequenz und sonstige „Rahmenbedingungen dafür werden gerade vom Kreisjugendamt entwickelt“.

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