Siegen/Hilchenbach. Die Philharmonie Südwestfalen ist nach Siegen umgezogen. Das „Haus der Musik“ wurde für fast 17 Mio. Euro eigens für das Orchester gestaltet.
Die meisten von denen, die es unmittelbar betrifft, sind beim Umzug am Freitagmorgen gar nicht da. Für die Musikerinnen und Musiker der Philharmonie Südwestfalen steht am Abend in Hildesheim das letzte Konzert vor der Sommerpause an. Am 8. August kehren sie dann nicht in das jahrzehntelange Domizil in der Schützenhalle Hilchenbach zurück, sondern ins „Haus der Musik“ in der Oranienstraße in Siegen, das eigens für das Orchester gebaut wurde.
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„Mir war immer wichtig, dass wir uns nicht gegen Hilchenbach, sondern für das ,Haus der Musik’ entschieden haben“, sagt Intendant Michael Nassauer im neuen Gebäude. Das wurde immerhin exakt auf die Bedürfnisse des Orchesters zugeschnitten. Der große Probensaal hat 410 Quadratmeter Fläche, für fast 200 Stühle ist im Publikumsbereich Platz, die Akustik lässt sich dank großformatiger, elektrisch ausfahrbarer Vorhänge selbst für Laien gut hörbar verändern. Etwa 100 Auftritte hat die Philharmonie im Jahr und spielt dabei in akustisch sehr unterschiedlichen Locations – die Akustik des Probensaals muss folglich im Idealfall so gestaltet sein, dass die Musikerinnen und Musiker für verschiedenste Szenarien gewappnet sind. Und ein Idealfall liegt in Siegen durchaus vor.
Siegen: „Haus der Musik“ ist perfekt auf die Philharmonie Südwestfalen abgestimmt
Dass Probenhäuser wie dieses gebaut werden, komme eher selten vor, sagt der Intendant. Die zuständigen Leute hätten im Vorfeld ähnliche Objekte besucht und „da haben wir gefragt: ,Was würdet Ihr anders machen, wenn Ihr es noch einmal machen würdet?’“, um aus den Erfahrungen lernen zu können.
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Akustik ist naturgemäß der entscheidende Faktor. Platz ist aber auch wichtig. Im „Haus der Musik“ gibt es zehn „Stimmzimmer“, in denen sich die einzelnen Instrumentengruppen auf ihre Parts vorbereiten, sich quasi „aufwärmen“ können. In der Schützenhalle war das nicht möglich, da musste es „von Null auf Hundert“ gehen, sagt Michael Nassauer, weil alle im selben Raum waren. Die Stimmzimmer sind auf die jeweiligen Instrumente ausgerichtet. Außerdem sind sie über alle drei Etagen verteilt, voneinander jeweils durch Büro-, Abstell- oder Technikräume getrennt, damit es Puffer gibt.
Haus der Musik Siegen: Kurze Wege optimieren Abläufe der Philharmonie Südwestfalen
Ein weiterer Vorteil des größeren Platzangebots: Es steht nichts im Weg rum, das im Zweifel fortgeräumt werden muss während der Proben. Instrumente herumschleppen ist schließlich in vielen Fällen ein Knochenjob. Das gilt selbstverständlich erst Recht, wenn das Orchester ein Konzert außerhalb gibt, weshalb im Haus der Musik kurze Wege angelegt sind: Die große Garage ist gegenüber von einem Aufzug und dem Instrumentenlager, das wiederum hat einen direkten Zugang zur Bühne im Probensaal.
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Der Umzug an die neue Adresse läuft schon länger. Einige Instrumente mussten von speziell versierten Fachleuten transportiert werden. Das Mobiliar im Probensaal ist neu, teilweise ist noch Verpackungsmaterial dran. Am Freitagmorgen fuhren an der Schützenhalle dann zwei Möbelwagen vor, um die restlichen Sachen zu holen – Noten beispielsweise. „Ich glaube, dass wir ein angenehmer Mieter für den Schützenverein waren, denn sonst hätten die uns nicht so lange ertragen“, sagt Michael Nassauer. Schon in der Vorwoche hatten sich die Musikerinnen und Musiker mit einer kleinen Feier verabschiedet.
Siegen: Philharmonie Südwestfalen wollte schon länger einen neuen Standort
Die heutige Philharmonie Südwestfalen ist aus der vom Militärmusiker Friedrich Deisenroth 1947 gegründeten Hilchenbacher Volksmusik- und Orchesterschule hervorgegangen. 1952 wird erstmals das „Sinfonische Blasorchester Siegerland“ erwähnt, das 1957 mit der Orchesterschule zum Siegerland-Orchester fusioniert. Dieser Name wird 1982 in „Südwestfälische Philharmonie“ geändert, die 1997 mit dem Orchester des Theaters Hagen einen Verbund unter dem Namen „Philharmonisches Orchester Südwestfalen“ eingeht. Das Konzept scheitert, die Orchester trennen sich, seit 2002 gibt es wieder eine eigenständige „Philharmonie Südwestfalen“.
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Träger der Philharmonie ist ein Verein, dessen Geschäfte vom Kreis Siegen-Wittgenstein geführt werden. 1962 war das Orchester in die neu gebaute Schützenhalle des Hilchenbacher Schützenvereins gezogen, der nun seinen Hauptmieter verliert. Dort war es längst zu eng geworden – schon 2013 äußerte der damalige Chefdirigent Charles Oliveri-Munroe den Wunsch nach einem attraktiveren Domizil: Siegen wäre für pendelnde Musiker leichter erreichbar. Dafür bekam er einen Rüffel von Bürgermeister Hans-Peter Hasenstab: „Es ist mir kein Fall bekannt, in dem Mitarbeiter einer Firma bestimmen, wo die Firma ihren Sitz hat.“
Siegen: Wasserschaden im Haus der Musik verzögerte Einzug der Philharmonie
Die Diskussion um einen Umzug verstummte nicht mehr. Zwischendurch gab es ein Planspiel, der Philharmonie ein „Haus der Musik“ in Hilchenbach einzurichten – in der ehemaligen Dahlbrucher Hauptschule und im Verbund mit dem gerade erfundenen Kulturellen Marktplatz. Der Schützenverein bot seinerseits einen Erweiterungsbau an, resignierte aber: „Dem Drang zum Oberzentrum, einer Profilierung nach außen, der Nähe zum Museum für Gegenwartskunst sowie einer näheren Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz und das Apollo-Theater können wir Hilchenbacher nur wenig entgegensetzen.
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2018 wurden Pläne für den Neubau an der Oranienstraße vorgestellt. Bauherrin wurde die von Kreis Siegen-Wittgenstein und Mäzenin Barbara Lamnrecht-Schadeberg errichtete Stiftung Philharmonie Südwestfalen. Aus dem angekündigten Einzug im Frühjahr 2020 wurde allerdings nichts – immerhin fand im Juni der Spatenstich statt. Die Planung musste zwischendurch einmal komplett überarbeitet werden, am Ende verhagelte im vorigen Herbst ein schwerer Wasserschaden den Zeitplan. Die Kosten wurden zuletzt mit 16,7 Millionen Euro angegeben, 2018 war noch mit 5,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Weil das Grundstück nicht ausreichte, musste die benachbarte Kita des Christofferwerks abgerissen werden – sie hat inzwischen einen Neubau auf dem Roland-Gelände am Schleifmühlchen.
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