Siegen. Fünf Leute in 18 Rollen und 200 Jahre in 100 Minuten: Das Stück „Alles ist erleuchtet“ im Apollo Siegen hat sich viel vorgenommen. Mit Erfolg?

Sich auf die Suche nach seinen Wurzeln zu begeben, erfahren zu wollen, aus welcher Familie man stammt, ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Die Burghofbühne Dinslaken bringt eine solche Geschichte mit Jonathan Safran Foers Roman „Alles ist erleuchtet“ auf die Bühne des Apollo-Theaters. Das klappt nur bedingt.

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Im Fall der Hauptfigur Jonathan ist die Suche besonders kompliziert, denn dafür muss er den weiten Weg von Amerika in die Ukraine auf sich nehmen, weil er meint, dass er dort in einem jüdischen Dorf auf Spuren seiner Vorfahren, vor allem seines Vaters, stößt. Sein einziger Anhaltspunkt: Ein zerfleddertes Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1943 mit vier Personen: dem Vater, einem älteren Mann und zwei Frauen, von denen eine Augustine heißt und von der er weiß, dass diese in den Kriegsjahren seinen Großvater vor den Nazis gerettet hat.

Apollo-Theater Siegen: „Alles ist erleuchtet“ führt von den USA in die Ukraine

Der Roman hat zwei Handlungsebenen: Einmal die des jungen Amerikaners Jonathan (das ist Foer selbst), der 1997 mit einem greisen Fahrer und dessen Enkel Alex die Suche nach Augustine beginnt. Dann eine zweite: Die fiktive Vor-Geschichte seiner Familie, die 1781 mit einem tragischen Ereignis startet: Ein Pferdewagen stürzt in einen Fluss und es bleibt ungewiss, ob jemand diesen Unfall überlebt hat.

Starbesetzte Verfilmung

Das Buch „Alles ist erleuchtet“ von Jonathan Safran Foer erschien 2002. Im Jahr 2005 wurde der Roman verfilmt.

Die Rolle des Jonathan spielte Elijah Wood.

Jonathan Safran Foer ist vor allem für sein Sachbuch „Tiere essen“ aus dem Jahr 2009 bekannt, in dem er Missstände und Hintergründe der Massentierhaltung aufdeckt.

Ein Geschehen von fast 200 Jahren auf knapp 100 Minuten einzudampfen und dabei zu vermeiden, dass das Publikum die Übersicht verliert, ist Inszenierungskunst. Die Dinslakener Theatermacher schaffen das, indem sie all die Rückblenden mit einer Kamera aufnehmen und live in Schwarz-Weiß auf die Projektionsfläche werfen. So erleben die Besucherinnen und Besucher im Apollo in rasanten Zeitsprüngen Leben, Sterben und Lieben, Mörder und Opfer, Feiglinge und Helden. Und tatsächlich: Am Ende sind der angeblich blinde Opa, der großmäulige Alex und Jonathan am Ziel ihrer Wünsche. Sie finden Augustine, die letzte Überlebende des jüdischen Dorfes. Sie wohnt im einzigen noch vorhandenen Haus, die Zimmer bis unter die Decke vollgestellt mit Erinnerungen der früheren jüdischen Kultur. Alle anderen Bewohner wurden von den deutschen Besatzern gemeuchelt, ihre Häuser zerstört.

Apollo-Theater Siegen: „Alles ist erleuchtet“ mit ein paar spätpubertären Momenten

Auf dem Weg dorthin müssen die Zuschauer einiges ertragen, was im Grunde überflüssig ist: Die Diskussion um die Penisgröße von Ukrainern im Allgemeinen und Alex im Besonderen und weiteres Spätpubertäre. Auch die Theorie, dass koitales Leuchten bis in den Weltraum zu sehen sei, wird allzu oft ausgebreitet. Dass der Amerikaner Jonathan kein Fleisch isst, („Ein Amerikaner, und Vegetarier?!“) mag zu den Momenten gezählt werden, dem tragischen Gesamtgeschehen zwischendurch etwas Komödiantisches entgegenzusetzen.

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Vier Schauspieler, eine Schauspielerin, 18 Rollen: Für jedes Theater der Welt eine riesige Herausforderung, die die Burghofbühne aber bewältigt. Mit einer Ausnahme: Die Rolle des blinden Großvaters mit dem Rauschebart, wie er vorher beschrieben wird, sollte auch entsprechend besetzt werden. Der Dinslakener Opa jedoch mit Designer-Sonnenbrille, gewandet wie der Geschäftsführer eines Start-Up-Unternehmens und der klaren Stimme eines Mannes mittleren Alters ist bestenfalls notbesetzt. Da hätte es sicherlich auch eine andere Lösung gegeben.

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Insgesamt jedoch ein gelungener Theaterabend, zu dem auch das Bühnenbild und vor allem die Live-Kamera beiträgt. Am Ende ist wirklich alles erleuchtet. Der Beifall des Apollo-Publikums: Nicht enthusiastisch, aber mehr als freundlich.

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