Hilchenbach. Der „3. Weg“ beleidigt den Hilchenbacher Bürgermeister und stellt Strafanzeige. Demonstrierende zeigen Solidarität mit Kyrillos Kaioglidis.
Die rechtsextremistische Partei „Der 3. Weg“ baut vor dem Hilchenbacher Rathaus einen Galgen und eine Feuerstelle auf, in einer „Kundgebung“ wird eine Strafanzeige gegen Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis vorgetragen. Auf dem oberen Marktplatz versammelt das Hilchenbacher Bündnis für Toleranz und Zivilcourage um die 200 Menschen zur Gegendemonstration. Ein Samstagmittag in Hilchenbach.
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Gegen 12 Uhr ist es still in der Stadt. Bis auf die gesperrten Straßen und die vielen Polizeiautos, die vorbeifahren oder schon in Einfahrten geparkt sind, ein ganz normaler Tag. Es regnet, so dauerhaft, dass es dem Radio eine Unwetterwarnung wert ist. Ein paar Männer haben sich vor dem Haus Dammstraße 5 versammelt – das Haus, in dem der „3. Weg“ sein Parteibüro hat und aus dem die Stadt Hilchenbach, die das Haus gekauft hat, diese Nutzer herausklagen will, um dort Wohnungen und ein Begegnungszentrum für Geflüchtete einzurichten. Die Gruppe vor dem Haus wird größer, etwa 20 werden es am Ende sein, die mit Transparenten, Fahnen, Feuerlöcher und Sandeimer, Rednerpult und Pavillon Richtung Rathaus ziehen.
„Vorläufiger Höhepunkt des Hasses und der Hetze“
13 Uhr. Geschäfte und Gaststätten sind weiter geöffnet, anders als vor der großen Demonstration im September hält sich die Furcht der Hilchenbacher im Grenzen. „Freut euch des Lebens“, spielt das Glockenspiel an der Sparkasse. Oben begrüßt Günter Stremmel für das Bündnis die bunte Gruppe der Demonstrierenden, die sich auf der Wiese unter der Kirche und der Hilchenbacher Straße drängen. Regenbogen beherrschen das Bild, auf Fahnen, Wimpeln und Regenschirmen. Die Omas gegen Rechts haben Trillerpfeifen dabei. Unten gibt Julian Bender, Gebietsvorsitzender des „3. Wegs“ und Nutzer des Hauses Dammstraße 5, den Ton an. „Damit wir uns das Geschwafel da oben nicht anhören müssen.“ Die folgende Attacke gilt dem Hilchenbacher Bürgermeister, den er als „Amokläufer“ bezeichnet. Kaum mehr zwei Handvoll Beobachtende hören zu, die ersten Zwischenrufe ertönen.
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Jenseits der von Polizeibeamten gebildeten Grenze, die den unteren nun vom oberen Marktplatz trennt, spricht Günter Stremmel. „Die Versuche des dritten Weges, Personen, die sich ihm entgegenstellen, einzuschüchtern, zu beleidigen und zu bedrohen, steigern sich auf ein unerträgliches Maß“, sagt er. „Das, was gerade unten vor dem Rathaus stattfindet, ist der vorläufige Höhepunkt des Hasses und der Hetze, die der dritte Weg gegen unseren Bürgermeister Kaioglidis verbreitet.“ Stremmel, der selbst Jurist ist, geht auf das Urteil des Oberlandesgerichts ein, nach dem der Kauf des Hauses Dammstraße 5 durch die Stadt, nachdem der Eigentümer bereits einen Kaufvertrag mit Julian Bender abgeschlossen hatte, womöglich „sittenwidrig“ sei: „Es ist nicht sittenwidrig, wenn die Repräsentanten unserer Stadt und wir als Zivilgesellschaft eine rechtsradikale, verfassungswidrige Partei aus unserer Stadt vertreiben wollen.“ Danach geht Pfarrer Andreas Weiß ans Mikrofon, ruft zur Solidarität mit dem Bürgermeister auf. Als er den von den Rechtsextremisten errichteten Galgen gesehen habe, sagt er, „ist es mir kalt den Rücken heruntergelaufen.“
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Für ein Verbot rechtsextremistischer Parteien
Unten sind die Rufe „Nazis raus“, die vom oberen Marktplatz skandiert werden, vernehmbar zu hören. Die Attribute, die dem Bürgermeister zugewiesen werden, sind inzwischen eindeutig beleidigend. Wer zuhört, bekommt nun den O-Ton des Oberlandesgerichts Hamm zu hören, das Julian Bender eine „Auflassungsvormerkung“ im Grundbuch zugestanden hat. Ans Rednerpult tritt Klaus Armstroff, ehemaliger Bundesvorsitzender des 3. Wegs, vom Online-Lexikon Wikipedia als „Neonazi“ qualifiziert. Er redet von „Vaterland“ und „Heimat“ und deklamiert ein Gedicht „für unsere Freiheit bis zum Tod“, bevor sich Julian Bender konkreten Beleidigungen von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung zuwendet und die Geschichte der Prozesse gegen Maßnahmen von Stadt- und Kreisverwaltung referiert. Mit den Verwaltungsgerichten sei „man fast schon per du“, erfährt man. Mehr als 167.000 Euro habe die Stadt für Rechtsstreitigkeiten aufgewendet, behauptet Bender, während ein Mitstreiter Spielgeld ins Feuer wirft.
Oben spricht Bettina Pour-Imani von „Siegen gegen Rechts“: „Wir werden keine Ruhe geben, bis der 3. Weg wieder aus Hilchenbach verschwunden ist.“ Sie äußert Bedauern, dass sich viele Amtskollegen des Hilchenbacher Bürgermeisters „heraushalten“: „Wir sind neidisch auf solch einen Bürgermeister und wir versichern an dieer Stelle: Wer einen von uns angreift, greift alle an.“ Auf Gerichte könne sich die Bewegung gegen Rechts nicht verlassen, stellt die Siegenerin fest. „Vor allen der Druck von unten kann etwas bewegen.“ Zum Beispiel, dass Politik „das sofortige Verbot des 3. Wegs und aller offenen Naziparteien“ anstrengt.
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3. Weg-Funktionär will Schadenersatz von Stadt Hilchenbach
„Geh doch nach Hause, trink noch ein Bier. Du kannst ja kaum noch sprechen“, fordert 3.Weg-Funktionär Bender einen der Zwischenrufer auf. Wer Bender zuhört, erfährt: dass er von der Stadt Hilchenbach bisher über 24.000 Euro Schadenersatz verlangt. Dass der Bürgermeister ein „Vergleichsangebot“ abgelehnt habe, wonach Bender auf einen Teilbetrag und die weitere Klage gegen das Vorkaufsrecht verzichtet. Dass er mit 40.000 Euro – den bis Ende 2023 auflaufenden Anspruch eingerechnet – „eine Menge machen“ könne, zum Beispiel „ein schönes Grundstück kaufen“. Zum Abschluss der „Kundgebung“ trägt Julian Bender den Text einer Strafanzeige – „mit 120 Anlagen“ – vor. Die Staatsanwaltschaft soll gegen den Hilchenbacher Bürgermeister wegen Untreue und Nötigung ermitteln.
Oben fällt dazu niemandem mehr etwas ein. „Nazis raus“, tönt es über den Marktplatz. Um 14.30 Uhr ist alles vorbei, die Männer vom „3.Weg“ ziehen weiter nach OIpe. Im Radio wird die Unwetterwarnung für das Siegerland wiederholt.
Kommentar: Warum Hilchenbach sich gegen die Neonazi-Partei wehren muss
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