Siegen. Parkhäuser, Stellplätze, Fahrradstraßen: Wenn zwei Fakultäten mit tausenden Menschen ins Zentrum ziehen, wird sich einiges für den Verkehr ändern

Der Innenstadt-Campus der Uni Siegen nimmt – langsamer als zunächst gedacht – Form an (Projekt „Siegen – Wissen verbindet“). Das Zentrum ist klein, zwei Fakultäten brauchen Platz, sowohl in neuen Gebäuden als auch auf den Straßen. Irgendwie müssen die Menschen – bis zu 14.300 – hinkommen. Das BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung hat jetzt das Verkehrskonzept dazu vorgelegt. Das Projekt, so ein erstes Fazit, sei ein wichtiger Impulsgeber für die Verkehrswende in Siegen. Das dürfte nicht übertrieben sein.

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1. Auf einen Blick: Fahrrad und Bus statt Auto

Die groben Eckpfeiler sind bekannt: Tiefgaragen mit 230 Stellplätzen am Teilcampus Nord (Friedrichstraße), zwei neue Parkhäuser (Siegerlandhalle, ehemaliges Kreiswehrersatzamt Tiergartenstraße) „vor den Toren“ der Innenstadt mit 675 Stellplätzen (dann nach dem Prinzip „letzte Meile“ mit Bussen oder Fahrrädern ins Zentrum), Fahrrad-Garagen (an Friedrichstraße und Obergraben) und -Stellplätze für insgesamt 1440 Fahrzeuge.

Die Uni auf dem Haardter Berg wird zum großen Teil per Auto angesteuert, dafür ist in der Innenstadt kein Platz – Parksuchverkehr muss unbedingt vermieden werden, andernfalls droht der Verkehrskollaps. Straßen werden für alle außer Anwohne gesperrt, wer mit dem Auto kommt, stellt es etwa einen Kilometer vor der künftigen Uni ab, der Campus wird für die Erreichbarkeit mit Zug, Bus und Fahrrad optimiert – dafür braucht es neue, andere Verkehrsspuren. Für Fußgänger in den künftigen Größenordnungen zwischen Hauptbahnhof und Unterem Schloss sind die bestehenden Wege nicht ausgelegt.

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2. Im Detail: Neu Parkhäuser vor den Toren für Studierende

Personen: Am Teilcampus Friedrichstraße (Fakultät I) 6300 Studierende und 400 Beschäftigte, am Campus Löhrtor (Fakultät II) 2500 Studierende und 350 Beschäftigte – plus 4400 Studierende und 350 Beschäftigte, die bereits am Campus Unteres Schloss sind. Knapp die Hälfte der Studierenden der Fakultät III sind laut Verkehrsgutachten seit dem Umzug auf den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) umgestiegen, in geringerem Maße ist das auch bei den Beschäftigten so.

Parkhäuser: Es braucht attraktive, sichere, komfortable und barrierefreie Verbindungen zwischen Tiergartenstraße und Siegerlandhalle, betonen die Gutachter – für alle Verkehrsträger des Umweltverbunds. Vorgeschlagen werden E-Bike-Verleihsysteme mit Stationen sowohl in den Parkhäusern als auch am Campus, auch für E-Scooter (Roller) sei das denkbar. Fuß- und Radwege müssen entsprechend ertüchtigt und ausgeschildert werden. Die beiden neuen Parkhäuser sollen demnach primär Studierenden zur Verfügung stehen, Beschäftigte und Besucher parken in den Tiefgaragen auf dem Campus. Zu Randzeiten und am Wochenende sind auch andere Nutzergruppen denkbar, „in jedem Fall muss gewährleistet sein, dass die Stellplätze werktags während der Vorlesungszeit vollumfänglich für die Universität zu Verfügung stehen“, etwa durch entsprechende Digitalisierung aller Parkmöglichkeiten in der Stadt. Gebaut werden die Parkhäuser entsprechend der geänderten Strategie, die beiden Teilcampus’ nacheinander zu errichten. Die Konstruktion soll es ermöglichen, auch nachträglich noch Parkdecks aufzustocken, je nach Auslastung und Bedarf.

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>>>Tiergartenstraße: Es geht über die Hufeisenbrücke (die neu gebaut werden muss), am ZOB queren Busse, die Straßen sind teils in schlechtem Zustand. Die Tiergartenstraße müsste Fahrradstraße werden, es braucht eine Unterquerung der HTS, die Treppe neben der Post muss erneuert werden, die Hindenburgstraße (die dann anders heißen dürfte) braucht mehr Querungshilfen und Platz für den Umweltverbund. Geeignete Busverbindungen gibt es nicht, ein Shuttle-Busverkehr sei zu schaffen. Schwierige Anforderungen für die Verkehrsplaner – denn ZOB und das neue Johann-Moritz-Quartier müssen in äußerst beengter Verkehrssituation weiter mit Fahrzeugen angefahren werden können, außerdem ist da noch die derzeit unbeantwortete Frage, wie es mit der Hufeisenbrücke und dem Busbereitstellungsplatz unter der HTS weitergeht.

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>>>Siegerlandhalle: weniger kompliziert, weil HTS und Bahngleise nicht zwischen Start und Ziel liegen: Fuß- und Radverkehr führen parallel zur Hauptverkehrsachse Koblenzer Straße über Ziegelwerk- und St.-Johann-Straße (als Fahrradstraßen mit Auto-Parkverbot) über Kochs Ecke zum Kölner Tor oder über Spandauer Straße zum Löhrtor, auch der „Oranienpark“ (Weiß-Flick’sches Grundstück) kann genutzt werden. Dazu braucht es Querungshilfen, Ausbau und Markierung der Strecken. Von der Siegerlandhalle zum Kölner Tor gibt es mehrere Busverbindungen (pro Stunde sechs), in Gegenrichtung nur mit „Umweg“ über den ZOB, der Rück- dauert doppelt so lang wieder Hinweg. Zudem gibt es unter der Koblenzer Straße nur die Unterführung (Angstraum) – es wird auch hier ein Bus-Shuttle-Service empfohlen.

Zwei Standorte

„Siegen – Wissen verbindet“ ist der Titel des Projekts einer neuen Zwei-Standorte-Strategie der Universität: Drei von fünf Fakultäten ziehen in die Innenstadt um, der Campus Unteres Schloss wird um einen Süd-Bereich zum Löhrtor und einen Nord-Bereich zur Friedrichstraße erweitert.

Auf dem Haardter Berg bleibt der Campus Adolf Reichwein für die naturwissenschaftlich-technische und die lebenswissenschaftliche Fakultät.

Aufgeben wird die Uni die Campus Paul Bonatz und Hölderlin auf dem Haardter Berg und Emmy Nöther auf dem Fischbacherberg,

Fahrradgarage unter dem Hörsaalzentrum Friedrichstraße

Fahrrad: Auf dem Campus Friedrichstraße soll die Fahrradgarage unter dem Hörsaalzentrum untergebracht werden (als „Mobility Hub“, also mit Sanitärräumen, Werkstatt, Umkleide, Leihsystem). Gleiches gilt für den Campus Löhrtor, wo die Fahrradgarage im neuen Parkhaus auf dem früheren Gelände von Radio Siegen (zwischen Obergraben und Häutebachweg) entstehen soll.

Tiefgaragen für Anwohner

Auto: Friedrichstraße und Häutebachweg können – außer mit dem Fahrrad – nicht mehr durchfahren werden – sie führen mitten durch den jeweiligen Campus als zusammenhängendes autofreies Gebiet und werden mitsamt der „Nebenstraßen“ Fußgängerzone. Auch Parken ist dort dann nicht mehr möglich, für Anwohner sollen entsprechende Stellplätze entstehen. Die Gutachter empfehlen, das Parkleitsystem auszubauen und zu optimieren, um den Verkehr gezielt durch die Innenstadt zu führen.

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Erhebliche Teile der Tiefgarage im Norden werden Anwohnern vorbehalten, um deren wegfallende Stellplätze zu kompensieren. Derzeit befinden sich in diesem Bereich mindestens 290 Stellplätze auf privaten Grundstücken, 39 auf der Straße. 142 Stellplätze fallen hier weg – entsprechend geringer dürfte der Verkehr ausfallen. Zufahrten zu den Tiefgaragen werden über die Friedrichstraße empfohlen, um Rückstaus und Behinderungen auf der Sandstraße zu vermeiden. Zwischen Hauptbahnhof und Friedrichstraße muss die heutige Hindenburgstraße für den Umweltverbund ertüchtigt werden.

Der Süd-Teilcampus wird von der Straße Löhrtor durchschnitten – andernfalls wäre die Oberstadt nicht mehr per Auto erreichbar, es braucht aber Querungshilfen über die Straße. Dazu soll ein Mittelstreifen zwischen den beiden Fahrspuren angelegt werden. Bushaltestelle und Taxistände verschwinden ebenso wie das Stadtbad. Der Durchgangsverkehr verlagert sich auf die Spandauer zur Koblenzer Straße, die Anwohner parken im neuen Parkhaus Obergraben.

Zweiter Standort für ein neues Innenstadt-Parkhaus wird die Tiergartenstraße. Dafür hat die Stadt das ehemalige Kreiswehrersatzamt geklauft.
Zweiter Standort für ein neues Innenstadt-Parkhaus wird die Tiergartenstraße. Dafür hat die Stadt das ehemalige Kreiswehrersatzamt geklauft. © WP | Florian Adam

3. Offene Fragen: Bus-Shuttles zum Campus?

Für die gesamte Innenstadt, so die Gutachter, brauche es ein geeignetes Parkraumkonzept. Die Nachfrage werde sich ändern – beispielsweise könne nicht ausgeschlossen werden, dass Studierende weiterhin mit dem Auto kommen und in Campusnähe im öffentlichen Straßenraum parken, weil sie aufgrund ihres Wohnorts keine gute ÖPNV-Verbindung haben.

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Wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Verkehrskonzepts sei der weitere, systematische Ausbau der Radwege. Nur so könne man das Verkehrsverhalten von Studierenden und Universitätsbeschäftigen hin zum Umweltverbund beeinflussen. Dazu gehört auch der weitere Ausbau des von Velocity Siegerland begonnenen E-Bike-Verleihsystems sowie von E-Scootern, die es mittlerweile in vielen deutschen Städten gibt. Da kommt es allerdings auch häufiger zu Problemen, weil einige Anbieter stationslos arbeiten – beispielsweise könnten „Sperrbereiche“ für die Roller nötig sein.

Die direkte Verbindung zwischen den beiden neuen Parkhäusern und dem Innenstadt-Campus könnte über umlaufende Bus-Shuttles als UX-Linien (nicht zwangsläufig über den ZOB) gewährleistet werden. Wenn die Hufeisenbrücke am Bahnhof nicht in einer Form neu gebaut wird, dass Busse darüber fahren können, alternativ über die Freudenberger Straße (Schleife durch den Wellersbergtunnel).

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