Niederschelden. Bisher ging es mit dem Hochwasserschutz in Niederschelden gut, aber der marode Deich ist ein Risiko. Die Stadt drängt auf zügige Lösungen.
Die Stadt Siegen möchte bei der Sanierung des Siegdeichs in Niederschelden Tempo machen. „Nur, weil 50 Jahre lang nichts passiert ist, heißt das nicht, dass auch die nächsten 5 oder 6 Jahre nichts passiert“, sagte Bürgermeister Steffen Mues im Rat. Das Gremium stimmte mit großer Mehrheit – drei Ablehnungen, acht Enthaltungen – dafür, den Hochwasserschutzdeich durch eine Hochwasserschutzwand zu ersetzen. Bei dieser Lösung kann ein Großteil der Bäume erhalten bleiben.
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Die in mehreren Bauabschnitten von 1970 bis 1982 errichtete Anlage ist der einzige Deich im Regierungsbezirk Arnsberg. Laut einem Statusbericht aus dem Jahr 2021 ist er allerdings marode und entspricht den Anforderungen nicht mehr. Es gibt technische Mängel, vor allem ist der recht umfangreiche Bewuchs unzulässig, weil er die Schutzfunktion des Deiches gefährdet.
Siegen: Hochwasserschutzwand statt Siegdeich in Niederschelden
Gegen die Entfernung der Bäume und Sträucher, die einen wesentlichen Anteil am idyllischen Erscheinungsbild des Rad- und Fußwegs und an seinem Wert als Naherholungsort haben, gab es umgehend Widerstand. „Auf einem Deich dürfen keine Bäume stehen“, machte Steffen Mues in Bezug auf die Vorgaben deutlich. „Nichtsdestotrotz wäre es ein Unding, in der heutigen Zeit dermaßen viele Bäume zu fällen.“ Er sei „sehr froh“, dass die Machbarkeitsstudie eine Möglichkeit aufgezeigt habe, um etwa die Hälfte der Bäume zu erhalten. Noch dazu sei diese von den vier in der Studie herausgearbeiteten Varianten die günstigste – mit Kosten von knapp acht Millionen Euro sogar mit einigem Abstand.
Zugang zum Wasser
Der Rad- und Fußweg auf dem Siegdeich in Niederschelden soll im Zuge der Errichtung der Hochwasserschutzwand ausgebaut werden, hob ESi-Betriebsleiter Stephan Roth im Rat hervor: „Das wird schon eine sehr große Aufwertung“. Der aktuelle Zustand sei „suboptimal“.
Der wasserseitige Bereich jenseits der Schutzmauer soll zugänglich sein. Danach hatte sich Silke Schneider (Linke) erkundigt.
Die Machbarkeitsstudie wurde laut Vorlage bereits Anfang November mit Vertretern der Heimat- und Verschönerungsgruppe Niederschelden besprochen. Auch diese habe die nun vom Rat beschlossene Lösung befürwortet.
Wenn alles zügig seinen Gang geht, könnte die Fachplanung Ende 2023 vorliegen, die Bauarbeiten könnten im Sommer 2024 beginnen, erläuterte Stephan Roth, Betriebsleiter des zuständigen Entsorgungsbetriebs der Stadt Siegen (ESi). Nach Abschluss der Maßnahme wird die Klassifizierung als Deich entfallen, weil dann die noch zu errichtende Mauer die Schutzfunktion übernimmt. Ein Vorteil dieser Lösung ist, dass das gesamte Vorhaben auf städtischen Flächen abgewickelt werden kann. Die anderen Varianten – Ertüchtigung des vorhandenen Deichs oder Rückverlegung – hätten hingegen die Inanspruchnahme privater Grundstücke erfordert. Dass dies enormes Konfliktpotenzial birgt und Projekte massiv in die Länge ziehen kann, ist ein generelles Problem – für das es in Niederschelden ein eindrückliches Beispiel gibt: Aus genau diesen Gründen schleppte sich der Ausbau der Höllenwaldstraße über Jahre hin.
Siegen: Maroder Siegdeich in Niederschelden entspricht Vorgaben nicht mehr
Auf der Landseite der Wand sollen nach derzeitigem Stand alle Bäume erhalten bleiben können. Auf der Wasserseite sind nach Fertigstellung Neuanpflanzungen möglich. Zunächst müssen dort die Bäume und Sträucher aber für die Baumaßnahme beseitigt werden. An diesem Punkt entzündet sich Ablehnung seitens der Grünen, die nicht für diese Lösung stimmten. Joachim Boller kritisierte im Rat, dass die Pläne vorab nicht in den Fachausschüssen vorgestellt worden seien. Die Bäume am Deich seien nach dem Statusbericht aus dem Jahr 2021 und den damit von der Bezirksregierung gemachten Ansagen sowieso nur erhalten worden, weil es Proteste von Bürgerinnen, Bürger und Politik gab.
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Die von der Verwaltung nun favorisierte Maßnahme sei „nur die zweitbeste Lösung“, sagte Joachim Boller. Er schlug die Untersuchung einer weiteren Variante vor: Eine Hochwasserschutzwand errichten, den Deich gleichzeitig aber rückverlegen. „Wenn man vernünftig mit den Anwohnern sprechen würde, würde sich da was machen lassen“, sagte er bezüglich der dann erforderlichen Inanspruchnahme privater Grundstücke. Zudem gebe mit Blick auf den Bewuchs, der für die Bauarbeiten entfernt weichen muss, „keine Veranlassung, jetzt auf der Stelle schon die Hälfte der Bäume zu fällen“. Und, noch ein Kritikpunkt des Kommunalpolitikers: Die DIN-Norm, aufgrund derer die Fällungen angemahnt worden seien, sei durchaus keine gesetzliche Vorgabe.
Siegdeich Niederschelden: Hochwasserschutz soll ohne Privatgrundstücke funktionieren
Dieser Beschreibung der DIN-Norm stimmte der Bürgermeister im Grunde zu. Allerdings gebe es dabei einen entscheidenden Punkt: Die DIN-Norm sei zwar kein Gesetz, sei „aber der Maßstab in Strafrechtsfragen“. Sollte etwas Schlimmes passieren, werde sie also herangezogen, um die Frage zu klären, ob die Stadt haftbar sei. Der Deich wurde als eindeutig marode befunden, umstürzende Bäume könnten im übelsten Fall die Schutzfunktion zerstören. „Ich möchte nicht noch eine Sturm- und Hochwassersaison mit dieser Situation erleben“, betonte Steffen Mues, wieso zeitnahe Fällungen angebracht seien. „Es ist ein Risiko.“
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Die Untersuchung einer weiteren Variante, wie Joachim Boller sie vorgeschlagen hatte, würde außerdem eine Verzögerung von einigen Wochen bedeuten. Darüber hinaus sei er in den vergangenen Monaten häufig vor Ort gewesen, sagte Steffen Mues: Der Deich „ist für mich ein ganz wichtiges Thema“. Und in Anbetracht seiner Begegnungen und Gespräche mit Anwohnerinnen und Anwohnern habe er nicht den Eindruck, dass die Grundstücksfragen so einfach zu klären seien: Es reiche bereits, wenn nur eine Person nicht mitziehe. Käme es hart auf hart, „reden wir von Enteignung“. Diesen Weg geht keine Kommune gern: Ärger und Zeitaufwand sind gewaltig.
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