Netphen. Von der Unfallgefahr in zu engen Fahrzeughallen bis zum Feuerwehrkrebs: An fast allen Standorten muss die Stadt Netphen handeln.
Zumindest für diesen Zweck kommt das Feuer in Nenkersdorf gerade richtig. Stadtbrandinspektor Sebastian Reh führt den Stadtentwicklungsausschuss durch die enge Eschenbacher Fahrzeughalle, weist auf hier – wie fast in allen Gerätehäusern – fehlende Umkleideräume hin und die nicht vorhandene „Schwarz-Weiß-Trennung“, also die Trennung von Einsatzkleidung und privater Kleidung. „Wenn Sie sich mal den Einsatz in Nenkersdorf vorstellen...“, beginnt der Feuerwehrchef: „Der Feuerwehrmann ist hochkontaminiert.“ Der Schmutz vom Brandort werde über die Fahrzeuge weiter ins Gerätehaus getragen – „und abends fahren wir damit die Kinderfeuerwehr spazieren.“
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Unfallkasse warnt vor „Feuerkrebs“
Später, im Gerätehaus auf der Braas in Netphen, wird Jonathan Maag, Sicherheitsingenieur beim Arbeitsmedizinischen Zentrum Siegerland (AMZ), noch deutlicher: Die Unfallkasse spricht von „Feuerkrebs“, wenn sie das Risiko beschreibt, das Feuerwehrleute eingehen, wenn sie den Schmutz von Einsatzstellen nicht loswerden: „Brandrauch ist hochgradig krebserregend.“
Fünf Gerätehäuser sieht sich der Stadtentwicklungsausschuss an: Deuz, Dreis-Tiefenbach und Eschenbach bescheinigt der von der Stadt beauftragte Sicherheitsfachmann ein hohes, Netphen sogar ein „sehr hohes“ Risiko. Dass nur Herzhausen „mittel“ gefährlich ist, liegt nicht an der dortigen besseren Ausstattung, sondern an der vergleichsweise geringen Zahl der Einsätze. Im grünen Bereich sind eigentlich nur die gerade umgebauten Gerätehäuser Irmgarteichen und Hainchen.
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Nach Grissenbach und Nenkersdorf fahren die Kommunalpolitiker gar nicht erst – dort wird ein Neubau für die künftig unter dem Namen „Oberes Siegtal“ vereinigten Löschgruppen geplant, allerdings nun auch schon seit sehr langer Zeit. In Unglinghausen wird demnächst gebaut; der Umbau, der auch Turnhalle und Bürgerhaus betrifft, wird so aufwändig, dass dieser Standort für die CDU Anlass wurde, die nun begonnene Gesamt-Bestandsaufnahme zu fordern. „Wir müssen ehrlich zu uns sein“, fordert Rüdiger Bradtka (CDU). Sollte heißen: In Unglinghausen wurde zu optimistisch kalkuliert.
Eschenbach: Keine Platz für einen Anbau
Eschenbach ist nach Herzhausen und Dreis-Tiefenbach dritte Station der Rundreise zu den Gerätehäusern. Die Anforderungen des Arbeitsschutzes seien hier „in keiner Weise erfüllt“, stellt Jonathan Maag fest, der die Netphener Feuerwehr seit 2016 berät. Es ist zu eng, Umkleiden und Duschen sind nicht nach Geschlechtern getrennt, es gibt für die Einsatzkräfte noch nicht einmal die Hälfte der benötigten Parkplätze. Das Schlimmste: Für das zwischen Hang und B 62 eingeklemmte Gerätehaus, das mit dem Bürgerhaus verbunden ist, gibt es keine Erweiterungsfläche – das Gebäude kann höchstens aufgestockt werden. Eschenbach ist dann auch noch einer der drei Logistikstandorte der Netphener Feuerwehr. Auch als es am Freitagabend in Nenkersdorf brannte, wurden die Einsatzkräfte von hier versorgt. Zurückgekommen sind die kontaminierten Pressluftatmer und allein 61 B-Schläuche, die nun gereinigt werden müssen.
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Die Parkplatzsituation am Gerätehaus in der Deuzer Ortsmitte schätzt Jonathan Maag „fast noch schlechter als in Eschenbach" ein. Auch hier ist der Löschzug weit von dem Ideal entfernt, kurze Laufwege von Umkleiden zu Fahrzeugen und getrennte Eingänge und Einfahrten für Personen und Fahrzeuge zu haben. Doch, sagt der Ingenieur später in Netphen, es gibt auch in der Nähe solche Gerätehäuser, die den Anforderungen von Unfallkasse und Arbeitsschutz sehr nahe kommen: Krombach, Buschhütten, Freudenberg, Gilsbach, Kaan-Marienborn, Alchetal, zum Beispiel.
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Nach Nenkersdorfer Feuer läuft die Waschmaschine
Auf der Braas in Netphen steht das gerade einmal 20 Jahre alte, neueste Feuerwehrgerätehaus der Stadt. Hier ist der mit 75 Aktiven größte Löschzug angesiedelt – unter ihnen sind übrigens 17 Frauen, so viele wie in keiner anderen Löscheinheit in Siegen-Wittgenstein. 150 bis 160 Einsätze werden jährlich von hier aus gefahren, im Schnitt alle zwei Tage ist hier Alarm. Im Gerätehaus ist auch der Meldekopf vorbereitet. Innerhalb von höchstens 30 Minuten kann hier eine Kommandozentrale übernehmen, wenn die Kreisleitstelle der Notrufe nicht mehr Herr wird – was in der Regel bei Unwettern passiert. In Netphen ist die zentrale Schlauchwerkstatt untergebracht, in der jährlich turnusmäßig 700 bis 1000 Schläuche gereinigt werden müssen, hier hat Olaf Fiegener, der hauptberufliche Gerätewart der Feuerwehr, seinen Arbeitsplatz.
„Hier liegen noch die Klamotten vom Wochenende.“ Ein weiteres Mal holen den Ausschuss die Folgen des Nenkersdorfer Feuers ein. Die Schutzkleidung muss gereinigt werden, die Atemschutzmasken kommen in die Spezial-Waschmaschine. Geachtet werden muss darauf, dass die Anzüge die maximal zulässige Zahl an Reinigungen noch nicht hinter sich haben und die maximale Tragezeit noch nicht abgelaufen ist. Arbeit ist hier jeden Tag: für den einzigen Hauptamtler und stets drei bis vier Ehrenamtliche.
Netphen muss Platz weiter mit DRK teilen
Auch Netphen hat ein Platzproblem. „Wir bauen Schuppen an Schuppen“, berichtet Sebastian Reh, einen für die Sandsäcke, einen für die Jugendfeuerwehrzelte… Von der inzwischen nach Hilchenbach umgezogenen Amova konnte die Feuerwehr einen Gefahrstoffcontainer erwerben: Darin wird gerade der Kraftstoffvorrat für die Verwaltung aufbewahrt, die während eines möglichen Blackouts handlungsfähig bleiben soll. „Wir sind platztechnisch komplett am Ende“, sagt der Feuerwehrchef – man könnte auch ein bisschen Frust heraushören: Denn in Netphen gab es durchaus die Hoffnung, die Räume der benachbarten ehemaligen DRK-Rettungswache übernehmen zu können, die vor einem Jahr in einen Neubau nach Deuz umgezogen ist. Nun stehen Krankentransportwagen vor dem Tor – der Kreis Siegen-Wittgenstein nutzt die Immobilie auf der Braas weiter. „Wir hätten uns alle gewünscht, dass das DRK nicht mehr da wäre“, bestätigt Annette Scholl (SPD).
Arbeitsschutzvorschriften „mit Blut geschrieben"
Im nächsten Brandschutzbedarfsplan wird die Stadt aufzeigen müssen, wie sie die Defizite aufarbeitet – um nicht gezwungen zu werden, ab 2025 eine hauptamtlich besetzte Feuerwache zu betreiben. Kämmerer Hans-Georg Rosemann weist darauf hin, dass die Stadt seit 2018 schon 6,5 Millionen Euro für die Feuerwehr investiert habe. „Das ist eine gewaltige Zahl, aber wir haben auch noch andere Pflichtaufgaben.“ Sicherheitsingenieur Jonathan Maag mahnt dazu, vor allem die Arbeitsschutzbestimmungen ernstzunehmen, denen immer Unglücksfälle vorangegangen seien: „Die sind mit Blut geschrieben.“
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