Netphen. „Unglinghausen ist nicht das größte Problem“, sagt Netphens Feuerwehrchef Sebastian Reh. Aber eins, das schnell gelöst werden muss.
Feueralarm in Unglinghausen – das Szenario ist gruselig: Freiwillige Feuerwehrleute eilen zum Gerätehaus und finden keinen Parkplatz. Der Fahrer stolpert nicht über den Schlauch der Abgas-Absaugung, zwängt sich in die kaum zu öffnende Tür des Löschfahrzeugs, fährt an und nutzt mit viel Geschick die gerade einmal sieben Zentimeter große Lücke zwischen Wagendach und Türrahmen, um auf der 14 Prozent steilen Auffahrt zur L 729 anzuhalten. Jetzt kann die Besatzung des Löschgruppenfahrfahrzeugs LF 10 einsteigen. Zum Glück hat es nicht geschneit – ein Allradfahrzeug hätte erst recht nicht in die Garage gepasst.
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Der Auftrag: Brandschutz ohne hauptamtliche Wache
Dass sich ausgerechnet der Kreisbrandmeister bei einem Besichtigungstermin in einer Tür eingeklemmt und verletzt hat, ist der Stadt Netphen auch nicht gut bekommen: „Das hat er in seinen Bericht hereingeschrieben“, berichtet Sebastian Reh, Leiter der Netphener Feuerwehr, im Stadtentwicklungsausschuss. Der Wehrführer erinnert die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker daran, dass der Brandschutz für die Stadt Pflichtaufgabe ist, die sie nach Weisung des Landes und der Bezirksregierung zu erfüllen hat. Und dass sie, wenn sie das nicht tut, eine hauptamtlich besetzte Wache unterhalten muss. Dafür würden 32 im Schichtdienst eingesetzte Feuerwehrbeamte gebraucht, die die Stadt jährlich rund 2,05 Millionen Euro kosten würden. Wobei bei der Größe des Stadtgebietes wegen der langen Entfernungen eine Wache womöglich gar nicht ausreicht.
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Der Fall Unglinghausen
Die Lage: 30 Einsatzkräfte, darunter zehn – auch an anderen Standorten begehrte – Atemschutzgeräteträger und erhöhtes Gefährdungspotenzial wegen der Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung und der Landwirtschaft. „Geroutet“ ist die Löschgruppe mit der Einheit im benachbarten Kreuztaler Stadtteil Kredenbach – nur so werden die Einsatzorte in den vorgeschriebenen höchstens acht Minuten erreicht. Weshalb auch eine Zusammenlegung mit einer anderen Löschgruppe, wie etwa im oberen Siegtal, nicht in Frage kommt. Noch nicht einmal ein Neubau am Ortseingang, wo womöglich ein Grundstück zu haben wäre. Unglinghausen ist lang, „das ist ein bisschen zu weit weg“, sagt Annette Scholl (SPD), „und einen Abriss und Neubau anderselben Stelle kann ich mir gar nicht vorstellen.“
Der Plan: Dennis Päulgen, Architekt bei der Stadtverwaltung, nennt die Aufgabe „sehr komplex“. Das Tor wird erweitert, die Halle wird breiter und höher gemacht. Dafür verschwinden Räume im Obergeschoss, die bisher vom Bürgerverein genutzt werden, und der Bühnenanbau der benachbarten Gymnastikhalle. Angehoben wird bei der Gelegenheit der Boden des Gerätehauses auf das Niveau der Gymnastikhalle, sodass der Steigungsgrad der Ausfahrt auf 10 Prozent reduziert wird. Kosten sind noch nicht kalkuliert – die Verwaltung rechnet mit 30 Prozent mehr als den ursprünglich eingeplanten 400.000 Euro.
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Die Reaktion: „Absoluten Wahnsinn“ nennt Ausschussvorsitzender Sebastian Zimmermann (CDU) das Vorhaben. „Ich sehe darin keine Zukunftsfähigkeit“, pflichtet Raimund Arns (FDP) bei. Mit dem ursprünglichen Beschluss, das Gerätehaus für rund 400.000 Euro zu erweitern, habe das nichts zu tun, sagt Jörg Roth (UWG), selbst Vorsitzender des Bürgervereins. „Ein absolutes No-Go“, sagt Roth und fordert die Ausarbeitung von Alternativen. Die gebe es wohl nicht, sagt Annette Scholl (SPD), „sonst hätte längst früher jemand die Idee gehabt.“ „Das ist nicht die beste Lösung, aber das ist eine Lösung“, findet Beigeordneter Andreas Fresen. Bürgermeister Paul Wagener warnt, den Ende 2022 verfallenden Landeszuschuss von 200.000 Euro aufs Spiel zu setzen: „Wir bauen ja nicht für die Ewigkeit.“ „Wenn das zehn Jahre hält, ist das grundsätzlich gelungen“, pflichtet Sebastian Zimmermann (CDU) bei.
Provisorium nötig
Für die Umsetzung der Pläne am Feuerwehrgerätehaus Unglinghausen rechnet die Stadt mit einer Bauzeit von mehreren Monaten. Die Löschgruppe wird dann in ein Provisorium umziehen müssen.
„Dafür müssen wir eine Lösung finden“, bestätigt Stadtbrandinspektor Sebastian Reh. Er erinnert daran, dass es auch in Deuz während der zweijährigen Baustelle in der Ortsmitte eine Interims-Feuerwache auf dem Gelände der Gärtnerei Knöbel gab.
Die Alternativen: Die Feuerwache ist an die ehemalige Schule angebaut, die heute Bürgerbegegnungsstätte ist. Überlegt wurde ein Garagenanbau auf der Schulhofseite – dann würde die Ausfahrt ein Problem, es fehlte die Anbindung an die Geräteräume, das Bürgerhaus wäre nicht mehr barrierefrei erreichbar. Paul Legge (CDU) regt den Neubau von der Stange an, sowohl für Nenkersdorf als auch für Unglinghausen, der dann auch billiger als die jetzt genannten vier Millionen Euro würde. „Das haben die Firmen in der Schublade.“ Kämmerer Hans-Georg Rosemann warnt: „Wenn wir anfangen, über einen Neubau nachzudenken, bekommen wird die Wünsche der anderen Löschgruppen nicht mehr ausgebremst.“
Die anderen Gerätehäuser: Kein Platz für Allrad
„Unglinghausen ist bei weitem nicht das größte Problem“, sagt Sebastian. Absauganlagen als Stolperfallen, fehlender Raum für die getrennte Aufbewahrung von privater Kleidung und womöglich kontaminierter Einsatzkleidung, zu kleine und nicht nach Geschlechtern getrennte Sanitärräume und zu kleine Fahrzeughallen: Die Mängelliste gilt auch für Deuz, Eschenbach, Herzhausen und Irmgarteichen. In Netphen wird Abhilfe möglich, weil die Rettungswache von dort nach Deuz in einen Neubau umgezogen ist und so Platz gemacht hat.
In Nenkersdorf wird ein neues Gerätehaus für die künftig vereinigte Löschgruppe Oberes Siegtal (Nenkersdorf/Grissenbach) geplant: „Seit 2007“, erinnert Rüdiger Bradtka (CDU). Mittlerweile wurde ein neues Baugrundstück gefunden, nachdem der Lärmschutz einen Strich durch die Rechnung für Pläne am ursprünglichen Standort gemacht hat – aktuell wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um die nötige Ausstattung zu ermitteln. „Wir kommen nicht auf den Lahnhof“, sagt Wehrführer Sebastian Reh über die Nenkersdorfer Situation, jedenfalls nicht im Winter ohne Allradantrieb. „Fahrzeuge dieser Größenordnung kriegen wir nicht unter.“
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