Siegen. Kita-Gebäude sind das eine – aber irgendwer muss die Kinder auch betreuen. Aktuell haben 150 Kinder in Siegen keinen Betreuungsplatz. Es drängt.

Die Stadtverwaltung ist aktuell nicht in der Lage, allen Familien ihr rechtlich garantiertes Betreuungsangebot für Kinder zu machen. Das hat verschiedene Ursachen, das drängendste Problem ist aber der Mangel an pädagogischen Fachkräften, wie Sozialdezernent Andree Schmidt im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) betonte.

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Anlass war ein Antrag der Grünen-Fraktion: Kindern, denen kein Platz in einer Kindertagesstätte zugewiesen werden konnte, sollten Ersatzangebote gemacht werden – etwa über Kindertagespflege oder ähnlich dem sogenannten „Brückenprojekt“ in Geisweid, bei dem Kinder mit Bedarf gezielte Sprachförderung erhalten. „Das tun wir und haben wir schon getan“, antwortete Schmidt, „wir haben ein quantitativ und qualitativ gutes Betreuungsangebot. Wir sind eine familienfreundliche Stadt“ – gleichwohl gebe es Probleme. Aktuell 150 Kindern könne derzeit kein konkretes Betreuungsangebot unterbreitet werden. Es gebe zwar auch freie Plätze, aber nicht alle seien ausgebucht. Die Gründe:

Das sind die Gründe, warum in Siegen nicht alle Kinder einen Kita-Platz haben

Aktuell gebe es eine große weltweite Fluchtbewegung – wenn beispielsweise 1000 Menschen auf einmal aus der Ukraine nach Siegen kommen – davon ein Viertel Kinder – könne die Kommune in dieser Form darauf nicht vorbereitet sein. Diese Kinder in den regulären Kindergarten-Gruppen unterzubringen, sei kaum machbar. Auch wenn man allen dieses Angebot gern machen wolle.

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Eine zweite Gruppe nicht versorgter Kinder kommt aus Familien, die im Rahmen „normaler“ Umzüge nach Siegen ziehen und bei denen es nicht immer gelinge, sie im laufenden Kita-Jahr passend zur Betreuung unterzubringen. Schmidt: „Das ist nicht unerheblich.“

Es gebe Eltern, so Schmidt, die ihre Kinder schon vor der Geburt im Kita-Navigator der Stadt anmelden, um sicherzugehen, dass zum richtigen Zeitpunkt auch tatsächlich ein Betreuungsplatz bereitsteht. Für die aktuelle Versorgung, „müssen wir die rausfiltern“.

Andere haben spezifische Wünsche für eine ganz bestimmte Kita oder ein ganz bestimmtes pädagogisches Konzept – diese Eltern würden durchaus auch länger auf ihren Wunsch-Platz warten und den ihnen angebotenen lieber nicht in Anspruch nehmen. Auch dieses gelte es zu filtern.

Räume und Gebäude helfen in Siegen nicht, „wenn die Kinder keiner betreuen kann“

Mit Instrumenten wie denen von den Grünen vorgeschlagen, könne die Verwaltung gegensteuern und tue das auch, bekräftigte der Sozialdezernent; mit Überbelegungen, zusätzliche Betreuungsplätzen vor allem in der Kindertagespflege zu schaffen. Die Stadt sei bereits den ganzen Sommer über in Gesprächen mit den Trägern der Einrichtungen; letztlich lande man aber immer wieder beim Problem: „Wir brauchen Räume und wir brauchen Personal.“ Gebäude könne man errichten, schwierig genug, die Personallage sei nochmals deutlich schwieriger – „der Markt ist leer gefegt“, sagte Schmidt. Grünen-Fraktionschef Michael Groß hatte sich unter anderem nach Qualifikations-Vorgaben für Erziehungspersonal erkundigt, da sei man aber an gesetzliche Vorgaben gebunden, so Schmidt.

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Demografischer Wandel und Fachkräftemangel sei ein sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten abzeichnendes Problem; die Verantwortlichen in Bund, Land und Kommunen hätten auch „an vielen Stellen Gutes getan“, etwa Geld für Bauten in die Hand genommen. „Aber die Personalfrage ist auf allen Ebenen nicht gut gelöst worden“, so Schmidt, „das ist die allergrößte Krux.“ Räume und Gebäude „helfen nicht, wenn die Kinder keiner betreuen kann.“

Grüne Siegen: „Ohne systematische Zuwanderung wird es richtig finster“

Michael Groß, der als Geschäftsführer des Vereins für Soziale Arbeit und Kultur (VAKS) auch hauptberuflich mit dem Thema Kinderbetreuung zu tun hat und wenige Gelegenheiten auslässt, sich darüber mit Andree Schmidt zu streiten – andersherum genauso wenig –, pflichtete dem Sozialdezernenten bei: „Wenn wir nicht mehr ausbilden, haben wir hinterher wunderschöne Gebäude, in denen niemand arbeitet.“

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Und wie sich derzeit nicht nur im Kita-Bereich zeige, werde „das alles noch viel, viel schlimmer werden“. Die demografische Entwicklung zeige klar, was geschehen werde, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und diese Arbeitsplätze nicht wieder aufgefüllt werden können: „Danach kommt sehr viel weniger.“ Ganz zu schweigen von dem daran anschließenden Problem des dann deutlich erhöhten Bedarfs in der Altenpflege. Was aber im Grunde für alle Berufszweige gelte, vom Bauingenieurwesen über das Handwerk bis hin zu Fahrpersonal. Ohne systematische Zuwanderung, betonte Michael Groß, werde es überhaupt nicht gehen. „Sonst wird es richtig finster.“