Oberdielfen. Das Geschäft läuft, aber es gibt Altlasten: Das Team des Landhaus Wildfein in Wilnsdorf-Oberdielfen blickt trotz Insolvenz optimistisch nach vorn

Das Landhaus Wildfein in Oberdielfen ist insolvent. „Im Juli dachte ich: Irgendwas muss sich tun“, sagt Geschäftsführer Moritz Gräb. Im August wurde dann das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet. Doch Schluss ist damit im Wildfein nicht: Das denken zwar viele bei einer Insolvenz, fälschlicherweise. Das junge Team und die Insolvenzverwalterin glauben an das Restaurant in Wilnsdorf-Oberdielfen, ziehen dazu an einem Strang. „Es ist wichtig, dass das hier bleibt, weil wir alle gerne hier und miteinander arbeiten“, sagt Betriebsleiter Alexander Lück. „Außerdem sagen viele Gäste, dass wir das beste Essen im Siegerland haben.“

Landhaus Wildfein in Wilnsdorf insolvent: „Die Gäste sind da, das Restaurant läuft“

Zunächst sei es erst einmal ein „vorläufiges Insolvenzverfahren“, erläutert Insolvenzverwalterin und Rechtsanwältin Nele Kristina Casper. Das gilt noch bis zum 30. September. Danach wird, wenn alles glatt läuft, das Insolvenzverfahren eröffnet. „Wir müssen alles auf vernünftige Beine bringen“, unterstreicht die Kölner Insolvenzverwalterin. Doch sie ist optimistisch – so optimistisch, wie man als Rechtsanwältin von Berufswegen eben sein kann. „Die Gäste sind da, das Restaurant läuft“, sagt sie. Und das Team habe enormes Potenzial: „Es ist sehr motiviert.“

Die Außenanlage des Landhauses Wildfein in Wilnsdorf.
Die Außenanlage des Landhauses Wildfein in Wilnsdorf. © Landhaus Wildfein | Landhaus Wildfein

„Jeder versucht hier, eine Idee einzubringen“, erzählt Alexander Lück. Alle möchten das Wildfein vorantreiben. „Darauf haben wir fünf Jahre hingearbeitet“, sagt Moritz Gräb. Vor 55 Jahren eröffneten seine Großeltern ein Restaurant im heutigen Wildfein. 2017 übernahm es Moritz Gräb, stellte es neu auf, spezialisierte sich auf Wildspeisen. Das Geschäft konnte sich seitdem stetig weiterentwickeln – doch dann kam Corona.

Landhaus Wildfein Wilnsdorf: Das sind die Gründe für die Insolvenz

Alles auf Corona zu schieben, wäre aber zu einfach. Es ist wie so oft eine Gemengelage, die zur Insolvenz geführt hat. Das Wildfein bekam Corona-Hilfen, doch der Start von null auf hundert nach den Lockdowns fiel schwer. „Das haben wir drei Mal mitgemacht. Die ersten ein, zwei Monate kosten wahnsinnig Geld“, sagt Moritz Gräb. Hinzu kommt, dass das Wildfein mit Oberdielfen in einem Ort liegt, wo es keine große Laufkundschaft gibt. „Man kommt nicht durch Zufall bei uns vorbei“, sagt Moritz Gräb.

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„Es ist auch kein planbares Geschäft mehr seit Corona“, so Alexander Lück. Ist das Geburtstagskind an Corona erkrankt, wird kurz vorher auch mal eine ganze Gesellschaft abgesagt. Die Gastronomen sitzen auf den Kosten. Viele Kunden wollten in Pandemie-Zeiten auch nur draußen essen, berichtet Alexander Lück: „Bei gutem Wetter ist es wahnsinnig voll.“

Das Landhaus Wildfein in Wilnsdorf wurde im Innenbereich modernisiert. 
Das Landhaus Wildfein in Wilnsdorf wurde im Innenbereich modernisiert.  © WP | Ina Carolin Pfau

Außerdem seien die Corona-Hilfen am Umsatz 2019 bemessen worden – das Wildfein habe sich aber weiterentwickelt, so Alexander Lück. „Die Gäste werden mehr, die Hilfen haben nicht mehr der Realität entsprochen.“ Seit 2017 hätten sich die Umsätze vervierfacht. Zwölf Monate hatte das Wildfein insgesamt aufgrund der Corona-Maßnahmen zu. Immer wieder gab es auch neue Corona-Regeln zu beachten, insbesondere „2G+“ sei schwierig gewesen, so Alexander Lück. Auch Weihnachtsfeiern, die sonst viel Geld in die Kasse spülen, wurden 2021 im Wildfein abgesagt – 36 Stück wären es gewesen, keine davon fand statt.

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Derzeit gibt es kaum Corona-Schutzmaßnahmen. Es greift aber ein anderer Effekt: Durch die gestiegenen Preise entwickelt sich das Essen gehen immer mehr zum Luxusgut. Auch das bekommt das Wildfein wie alle Gastronomen in der Region zu spüren. Alle sechs bis acht Wochen gibt es eine neue Speisekarte im Wildfein. Kostenkalkulationen bei extrem schwankenden Lebensmittelpreisen machen es Moritz Gräb und seinem Team zusätzlich schwer.

Gastronomie: Das ist das Angebot im Landhaus Wildfein in Wilnsdorf

Bekannt ist das Wildfein, wie der Name schon nahelegt, für Wildgerichte. Natürlich gibt es aber auch Salate, Schwein, Rind und Geflügel. Eine beliebte Spezialität: Das „Wildfein Krüstchen“ – eine Rehschnitzelvariante mit Wachtelei. Es wird mit verschiedenen lokalen Händlern und Jägern zusammengearbeitet.

Das „Wildfein Krüstchen“ ist bei den Gästen sehr beliebt.
Das „Wildfein Krüstchen“ ist bei den Gästen sehr beliebt. © Landhaus Wildfein | Landhaus Wildfein

„Wenn es klappt, kommt das Wild aus der Region“, so Moritz Gräb, „der Jäger ruft uns an und fragt, ob wir etwas brauchen.“ Natürlich gibt es auch vegetarische Gerichte. Hochwertige Produkte sind dem Oberdielfener Gastronomiebetrieb mit vier Festangestellten überaus wichtig. Wer auf der Karte nicht fündig wird, für den wird auch mal eine individuelle Lösung in der Küche gefunden. Auch der Rehrücken ist beliebt. Kaum ein Restaurant bietet Wild das ganze Jahr an.

Wilnsdorf: So macht das Landhaus Wildfein nun weiter

Das Insolvenzverfahren ermöglicht dem Wildfein nach dem Abschluss nun einen Neustart. Für Moritz Gräb ist es der richtige Weg. Auch wenn er mit Aufwand verbunden ist. Alles muss mit der Insolvenzverwalterin abgesprochen werden, das Geschäft läuft nur mit ihrer Zustimmung. Die Einkaufsliste wird zum Beispiel vorher von Nele Kristina Casper abgenickt, bevor eingekauft wird. Spontanes Losfahren gibt es kaum noch.

Die Öffnungszeiten

Das Landhaus Wildfein, Hombergstraße 17, in Wilnsdorf-Oberdielfen hat von mittwochs bis samstags von 17.30 bis 23 Uhr geöffnet, sonntags und an Feiertagen von 11.30 bis 23 Uhr. Darüber hinaus bietet es Gästezimmer an. An Sonn- und Feiertagen gibt es außerdem Waffeln, Kaffee und Kuchen.

Telefonisch ist das Restaurant unter 02739/1351 oder 0151/23885232 erreichbar. Mehr Infos und die aktuelle Speisekarte finden Interessierte im Netz unter www.wildfein.de.

An der Qualität der Ware wird ausdrücklich nicht gespart. „Es hat sich nichts verschlechtert“, betont Alexander Lück. Eine Insolvenz sei so oft so negativ behaftet. Es handle sich bei ihnen aber um eine „positive Zusammenarbeit“. Dinge, die schon jahrelang so laufen, wie sie laufen, würden noch einmal überdacht. „Es bringt einen zum Denken.“

Auch der Nachtisch im Landhaus Wildfein kann sich sehen lassen.
Auch der Nachtisch im Landhaus Wildfein kann sich sehen lassen. © Landhaus Wildfein | Landhaus Wildfein

Trotz des vorläufigen Insolvenzverfahrens steckt das Wildfein-Team nicht die Köpfe in den Sand – sie wollen bleiben. „Wir haben alles getan, um es nicht machen zu müssen“, sagt Alexander Lück über das Insolvenzverfahren. Niemand macht sich Vorwürfe, alle schauen nach vorne. Das Geschäft laufe „sehr, sehr gut“, so Nele Kristina Casper. Und das Team wolle, dass es weitergeht – bei einer Insolvenz kein zu unterschätzender Faktor. „Wir bleiben da“, sagt Alexander Lück. Und auch, wenn das noch nicht ganz sicher ist – er sagt es mit solch einer Inbrunst, dass man es ihm nur glauben kann.

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