Hilchenbach. Die Hilchenbacher Bevölkerung nimmt die Rechtsextremen in ihrer Stadt nicht einfach hin. Was die Neonazis wollen – und was man dagegen tun kann.

Der Stadt Hilchenbach steht ein stressiger Samstag, 3. September, bevor. Die rechtsextreme Kleinstpartei „Der dritte Weg“ versucht nach wie vor, in Hilchenbach weiter Fuß zu fassen. Am Samstag veranstalten die Neonazis dazu ein nationalistisches Fest. Die Zivilgesellschaft hält nicht die Füße still: Das „Bündnis für Toleranz und Zivilcourage“ lädt zum Straßenfest unter dem Motto „Hilchenbach feiert Vielfalt“ auf den Kirchplatz ein, viele Vereine, Institutionen und Organisationen präsentieren sich dort. „Hilchenbach gegen Rechts“ hat eine Kundgebung gegen die Neonazis angekündigt. Die Kreispolizeibehörde wird mit starken Kräften vor Ort sein.

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Die Partei versucht, extrem rechte und „rechtsoffene“ Personen aller Altersstufen aus der Stadt zu aktivieren, erklärt Jonas Flick, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg. „Das ließ sich bereits in Siegen gut beobachten, wo weite Teile der Szene zuvor brach lagen.“ Große Erfolge des „dritten Wegs“ seien zweifelhaft, aber die Stadtgesellschaft stelle sich dem Problem besser: „Deutlich wird, wie wichtig Angebote für Jugendliche vor Ort sind, in denen eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und völkischem Nationalismus stattfindet“, betont Flick.

Manche Hilchenbacher sind eingeschüchtert. Aus gutem Grund?

Ja, es gebe Ängste in der Bürgerschaft, sagt ein aktives Mitglied des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage; die Menschen machten sich Sorgen, wie weit die Rechtsextremen zu gehen bereit sind. Als Bündnis und auch als Einzelpersonen sei man daher vorsichtig in der Außendarstellung, verteile diese Arbeit auf viele Schultern, um sich weniger angreifbar zu machen. Was keineswegs bedeute, dass man nicht aktiv sei; man stehe jederzeit als Anlaufstelle für die Menschen bereit. Die Unterstützung steige, immer mehr Menschen wollen sich demnach beteiligen, es gebe in der Bevölkerung großes Interesse an dem Thema. Und man respektiere, wenn sich die Hilchenbacher dabei unwohl fühlen, aktiv gegen die Rechtsextremen zu werden. „Gemeinsam und behutsam kriegen wir das hin.“

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Eine Anlaufstelle für Rechtsextreme wie das „Parteibüro“ an der Dammstraße gehe immer auch mit einer erhöhten Gefahr für die Menschen einher, die nicht ins Weltbild der Neonazis passen oder die sich aktiv für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen, sagt Jonas Flick. Provokationen, Bedrohungen und Gewalt seien fester Bestandteil einer „neonazistischen Raumkampfstrategie“. Auch im Siegerland habe es gezielt Bedrohungen, Einschüchterungsversuche und Übergriffe gegen engagierte Einzelpersonen oder Gruppen durch den ‘dritten Weg’ oder aus dessen Umfeld gegeben – etwa der rassistische Übergriff auf eine Studentin in Siegen im Jahr 2018, an dem auch Parteikader beteiligt waren, oder die Störung des „Stolpersteinspaziergangs“ auf der Hammerhütte. „Wichtig ist, dass diese Gefahren von Politik, Zivilgesellschaft und Medien klar benannt werden“, betont Flick.

Autos sind Samstag in der Stadtmitte verboten

Am Samstag, 3. September, werden wegen der drei Veranstaltungen in der Hilchenbacher Stadtmitte – oberer Marktplatz, Kirchplatz und Gerichtswiese an der Wilhelmsburg – Straßen für den Fahrzeugverkehr gesperrt: Markt, Unterzeche, Kirchweg, Gerbergasse, Hilchenbacher Straße 2 bis 12, Ruinener Weg, Damm- und Bruchstraße.

Die Sperrungen dauern voraussichtlich von 8.30 bis 22 Uhr. In dieser Zeit dürfen die Straßen nicht befahren werden, auch das Parken ist dort verboten.

Betroffene Anwohner wurden von der Stadt bereits informiert, sie sollten ihre Fahrzeuge im Zweifel vor der Sperrung außerhalb abstellen. Die Stadt Hilchenbach bittet um Verständnis für damit einhergehende Beeinträchtigungen.

Verschaffen Gegenveranstaltungen in Hilchenbach Neonazis nicht nur Aufmerksamkeit?

„Wir haben als wache Bürgergesellschaft auf dem Schirm, was in Hilchenbach los ist“, sagt das Bündnis-Mitglied. Der 3. September sei kein Wunschtermin, aber natürlich arbeite man daran, dass die Gegenveranstaltungen „auf guten Füßen stehen“. Der „dritte Weg“, erklärt Jonas Flick, möchte eine völkisch-nationale Lebenswelt in der Region aufbauen, auch mit Veranstaltungen wie der am Samstag. Werde das ignoriert, könne das zu einer schleichenden Normalisierung und vielleicht sogar Zulauf von außen führen, so der Experte: „Lokaler, antifaschistischer Protest ist das beste Mittel gegen Neonazis.“

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Die Beratungsstelle begrüße die Aktivitäten der Initiativen und Vereine sehr. „Die Mischung, einerseits mit sichtbarem Protest klar Position gegen die Neonazis und ihre menschenverachtende Ideologie zu beziehen, in einer Zusatzveranstaltung die positiven Werte einer Demokratie nach vorne stellen, ist aus unserer Sicht sehr gelungen.“ So könne ein deutliches Zeichen gesetzt werden.

Was können Kommunen wie Hilchenbach dauerhaft gegen Rechtsextreme tun?

Ein Konzept gegen Rechtsextremismus und Ungleichwertigkeitsideologien kann nach Flicks Einschätzung mittel- und langfristig hilfreich sein, um möglichen Maßnahmen einen Rahmen zu geben. Verwaltung, Zivilgesellschaft und Institutionen stimmen sich dazu am besten eng ab, etwa zu Prävention und Vernetzung. Um ein Konzept mit Leben zu füllen, brauche es dann feste, gut vernetzte Initiativen vor Ort, die sich nicht nur mit den Neonazis auseinandersetzen, sondern im Idealfall auch eigene Akzente für ein demokratische Miteinander setzen – so wie in Hilchenbach. Diese Arbeit schränke nicht nur die Spielräume der Neonazis ein, sondern sei auch ein Gewinn für eine offene und vielfältige Stadtgesellschaft: „In Hilchenbach sehen wir hierzu fruchtbare Ansätze.“

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Besonders in der Auseinandersetzung um „rechte Immobilien“ brauche die Zivilgesellschaft langen Atem und ein gutes Zusammenwirken aller demokratischen Kräfte. Das Bündnis ist darauf vorbereitet: „Wir müssen weiter aktiv sein, unsere Werte zu vertreten und klarstellen, dass wir nicht damit einverstanden sind, was da kundgetan wird.“